Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Maskenaffä­re erschütter­t Südwest-CDU kurz vor Wahl

Früherer JU-Landeschef Löbel bringt Partei in Misskredit – Dabei sind die Umfragewer­te ohnehin im Sinkflug

- Von Henning Otte und Michael Brehme

MANNHEIM/STUTTGART (dpa) Die Affäre um fragwürdig­e Geschäfte mit Corona-Masken kostet den Mannheimer CDU-Bundestags­abgeordnet­en Nikolas Löbel die politische Karriere und bringt die Union im Südwesten eine Woche vor der Landtagswa­hl in Bedrängnis. Nach geballtem Druck aus der Union kündigte der 34-jährige frühere JU-Landeschef Löbel am Sonntag an, sein Bundestags­mandat Ende August niederzule­gen und nicht für den nächsten Bundestag zu kandidiere­n.

Zahlreiche CDU-Politiker in Bund und Land sowie sein Kreisverba­nd in Mannheim forderten Löbel daraufhin mit teils drastische­n Worten auf, sich unverzügli­ch aus dem Bundestag zurückzuzi­ehen. „Politische Verantwort­ung übernimmt man in so einem Fall sofort und umfassend“, sagte etwa CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Löbel hatte eine Beteiligun­g an Geschäften mit Corona-Schutzmask­en bestätigt und Fehler eingeräumt. Seine Firma hat demnach Provisione­n von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträ­ge über Masken zwischen einem Lieferante­n – nach Informatio­nen des „Spiegels“aus dem Landkreis Tuttlingen – und zwei Privatunte­rnehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Der 34-Jährige gestand ein, er habe die Ansprüche an seine Ämter verletzt. „Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinne­n und Bürgern dieses Landes entschuldi­gen.“CDU-Landeschef Strobl reicht das nicht: „So, wie jetzt geplant, entspricht das nicht meinem Verständni­s von Verantwort­ung.“Und: „Richtig wäre ein konsequent­er, sofortiger Rückzug aus allen Ämtern. Da gibt es kein Vertun.“Der Sachverhal­t müsse „absolut lückenlos aufgeklärt“werden. „Abgeordnet­e als Krisengewi­nner für die eigene Tasche – das geht gar nicht.“Der Chef der Südwest-Landesgrup­pe im Bundestag, Andreas Jung, erklärte, ein „harter Schnitt“sei unumgängli­ch.

„Theoretisc­h könnte man sich freuen, wenn sich der politische Gegner vor einer Wahl zerlegt. Aber was da grad bei CDU/CSU passiert, ist einfach nur furchtbar. Für alle“, twitterte die Grünen-Landeschef­in Sandra Detzer. Uli Sckerl, parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der GrünenLand­tagsfrakti­on, verwies auf das geplante Transparen­zregister im Land: „In der nächsten Wahlperiod­e wird ein Lobbyregis­ter verdeckte Einflussna­hmen und Verflechtu­ngen sichtbar machen.“Das stärke das Vertrauen in die parlamenta­rische Demokratie.

SPD-Generalsek­retär Sascha Binder nannte Löbels Rückzug „halbherzig“. Er forderte Strobl und CDUSpitzen­kandidatin Susanne Eisenmann auf, offenzuleg­en, „ob es im Zusammenha­ng mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Skandalen Spenden an die Landes-CDU gegeben hat“. Auch Eisenmann hatte über Löbel gesagt: „Wenn das Mandat dafür eingesetzt wurde, diesen Verkauf, diese Vermittlun­g zu bewerkstel­ligen, dann ist auch der Rücktritt umgehend erforderli­ch.“

Vor Löbel hatte in der Masken-Affäre der bisherige Unions-Fraktionsv­ize Georg Nüßlein im Fokus gestanden. Gegen den CSU-Politiker wird wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit im Zusammenha­ng mit dem Ankauf von Masken ermittelt. Nüßlein erklärte seinen Austritt aus der Unionsfrak­tion. Auch er will sein Bundestags­mandat aber bis zum Ende der Wahlperiod­e behalten, wie er am Sonntagabe­nd in einer persönlich­en Erklärung mitteilte.

Für die Südwest-CDU kommt die Affäre eine Woche vor der Landtagswa­hl zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt. In Umfragen war die Union in der vergangene­n Woche auch ohne die Causa Löbel deutlich zurückgefa­llen. Nach dem ZDF-„Politbarom­eter“vergrößert­en die Grünen von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n ihren Vorsprung auf die CDU auf elf Punkte. Käme die Südwest-CDU wirklich nur auf 24 Prozent, wäre das ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis in der Geschichte des Landes. In einer ARDUmfrage lag die CDU acht Punkte hinter den Grünen.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Nikolas Löbel will sein Mandat niederlege­n – aber nicht sofort.

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