Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Maskenaffäre erschüttert Südwest-CDU kurz vor Wahl
Früherer JU-Landeschef Löbel bringt Partei in Misskredit – Dabei sind die Umfragewerte ohnehin im Sinkflug
MANNHEIM/STUTTGART (dpa) Die Affäre um fragwürdige Geschäfte mit Corona-Masken kostet den Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel die politische Karriere und bringt die Union im Südwesten eine Woche vor der Landtagswahl in Bedrängnis. Nach geballtem Druck aus der Union kündigte der 34-jährige frühere JU-Landeschef Löbel am Sonntag an, sein Bundestagsmandat Ende August niederzulegen und nicht für den nächsten Bundestag zu kandidieren.
Zahlreiche CDU-Politiker in Bund und Land sowie sein Kreisverband in Mannheim forderten Löbel daraufhin mit teils drastischen Worten auf, sich unverzüglich aus dem Bundestag zurückzuziehen. „Politische Verantwortung übernimmt man in so einem Fall sofort und umfassend“, sagte etwa CDU-Landeschef Thomas Strobl.
Löbel hatte eine Beteiligung an Geschäften mit Corona-Schutzmasken bestätigt und Fehler eingeräumt. Seine Firma hat demnach Provisionen von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem Lieferanten – nach Informationen des „Spiegels“aus dem Landkreis Tuttlingen – und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Der 34-Jährige gestand ein, er habe die Ansprüche an seine Ämter verletzt. „Dafür möchte ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes entschuldigen.“CDU-Landeschef Strobl reicht das nicht: „So, wie jetzt geplant, entspricht das nicht meinem Verständnis von Verantwortung.“Und: „Richtig wäre ein konsequenter, sofortiger Rückzug aus allen Ämtern. Da gibt es kein Vertun.“Der Sachverhalt müsse „absolut lückenlos aufgeklärt“werden. „Abgeordnete als Krisengewinner für die eigene Tasche – das geht gar nicht.“Der Chef der Südwest-Landesgruppe im Bundestag, Andreas Jung, erklärte, ein „harter Schnitt“sei unumgänglich.
„Theoretisch könnte man sich freuen, wenn sich der politische Gegner vor einer Wahl zerlegt. Aber was da grad bei CDU/CSU passiert, ist einfach nur furchtbar. Für alle“, twitterte die Grünen-Landeschefin Sandra Detzer. Uli Sckerl, parlamentarischer Geschäftsführer der GrünenLandtagsfraktion, verwies auf das geplante Transparenzregister im Land: „In der nächsten Wahlperiode wird ein Lobbyregister verdeckte Einflussnahmen und Verflechtungen sichtbar machen.“Das stärke das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie.
SPD-Generalsekretär Sascha Binder nannte Löbels Rückzug „halbherzig“. Er forderte Strobl und CDUSpitzenkandidatin Susanne Eisenmann auf, offenzulegen, „ob es im Zusammenhang mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen Skandalen Spenden an die Landes-CDU gegeben hat“. Auch Eisenmann hatte über Löbel gesagt: „Wenn das Mandat dafür eingesetzt wurde, diesen Verkauf, diese Vermittlung zu bewerkstelligen, dann ist auch der Rücktritt umgehend erforderlich.“
Vor Löbel hatte in der Masken-Affäre der bisherige Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein im Fokus gestanden. Gegen den CSU-Politiker wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Masken ermittelt. Nüßlein erklärte seinen Austritt aus der Unionsfraktion. Auch er will sein Bundestagsmandat aber bis zum Ende der Wahlperiode behalten, wie er am Sonntagabend in einer persönlichen Erklärung mitteilte.
Für die Südwest-CDU kommt die Affäre eine Woche vor der Landtagswahl zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In Umfragen war die Union in der vergangenen Woche auch ohne die Causa Löbel deutlich zurückgefallen. Nach dem ZDF-„Politbarometer“vergrößerten die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihren Vorsprung auf die CDU auf elf Punkte. Käme die Südwest-CDU wirklich nur auf 24 Prozent, wäre das ihr historisch schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Landes. In einer ARDUmfrage lag die CDU acht Punkte hinter den Grünen.