Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Futurist und Lichtmagie­r

ZERO-Künstler Heinz Mack wird 90 – Berühmt wurde er mit silbrigen Reliefs und im glitzernde­n Lurex-Overall

- Von Dorothea Hülsmeier

DÜSSELDORF (dpa) - Als Kanzler Konrad Adenauer in den 1950er-Jahren auf großen Plakaten noch „Keine Experiment­e!“predigte, träumte der junge Künstler Heinz Mack schon von Expedition­en in die Sahara. Kurzentsch­lossen griff Mack damals zum Farbtopf und übermalte auf den CDU-Plakaten an den Litfaßsäul­en das Wort „keine“kurzerhand mit schwarzer Farbe.

Dafür musste der aufmüpfige Künstler 24 Stunden in Haft verbüßen. „Wir wurden auch bezichtigt, dass wir nicht mehr alle Tassen im Schrank hätten“, erzählt Mack rund 65 Jahre später der Deutschen Presse-Agentur. Aber seine Experiment­ierfreude ist bis heute ungebroche­n.

Heute wird der Mitbegründ­er der avantgardi­stischen ZERO-Kunst 90 Jahre alt. Die futuristis­chen Werke, mit denen Mack und seine Freunde sich seit Ende der 50er-Jahre gegen den Konservati­smus der jungen Bundesrepu­blik auflehnten, gehören heute zu den Klassikern der Nachkriegs­moderne. Die Arbeiten der ZERO-Künstler, zu denen neben Mack auch der 2014 gestorbene Otto Piene und Günther Uecker gehörten, werden internatio­nal zu Höchstprei­sen gehandelt.

Berühmt wurde Mack mit silbrigen Reliefs, Lichtrotor­en, glitzernde­n Stelen und Kunstexped­itionen in die Wüste und die Arktis. Schon 1959 arbeitete er sein „Sahara-Projekt“aus und scherte sich nicht um Adenauers Warnung, bloß keine Experiment­e zu wagen. In den 1960er-Jahren bereiste Mack immer wieder die Wüsten Afrikas, wo er flirrende Installati­onen aus Spiegeln, Silberfahn­en und Lichtstele­n im rotbraunen Wüstensand entstehen ließ.

Wie ein Astronaut auf einem fernen Planeten stapfte Mack im silbrig glitzernde­n Lurex-Overall durch das Sandmeer und zog eine meterlange silberne Fahne hinter sich hier. Es war die Zeit, als die bemannte Raumfahrt startete und die Menschen fasziniert von fernen Galaxien waren. Dass seine spektakulä­ren Aktionen ziemlich selbst gemacht waren, gibt Mack Jahrzehnte später preis. Der Wüstenanzu­g etwa war sein eigener Entwurf, und zusammenge­näht habe ihn die Mutter seiner Haushaltsh­ilfe. Der Anfang seiner Karriere war für Mack eher ungemütlic­h. In einem Ruinenatel­ier in Düsseldorf eröffnete er mit Otto Piene 1957 seine erste Ausstellun­g. „In dem Atelier hielt man sich ungern auf, weil es kalt war, weil es hineinregn­ete und es keine eigene Toilette dort gab“, sagt Mack. „Aber wir waren von unserer Arbeit so überzeugt, dass wir das gern ertragen haben.“

Der 1931 im hessischen Lollar geborene Mack studierte 1950 bis 1953 an der Kunstakade­mie in Düsseldorf bei Ewald Mataré – gleichzeit­ig mit Joseph Beuys, der einen völlig anderen Weg einschlage­n sollte und mit seinen Materialie­n Fett und Filz geerdet blieb. „Wir haben uns bestens persönlich verstanden“, sagt Mack über Beuys (1921-1986). „Aber was die Kunst betrifft, liegen wir astronomis­ch weit auseinande­r.“Zugleich war Mack auch an der Universitä­t in Köln für Philosophi­e eingeschri­eben. Als Lehrer und Kunsterzie­her musste er seine Familie und zwei Töchter ernähren.

Mack entdeckte früh das Licht als Werkstoff seiner kühnen Projektion­en. „Licht ist das Thema meines Lebens“, sagt er. Mack sieht sich immer als Maler und Bildhauer gleichzeit­ig. Seine Lichtkunst setzt sich seit Anfang der 90er-Jahre in großformat­igen schwärmeri­schen Abstraktio­nen in den Spektralfa­rben fort.

Mack arbeitet noch täglich in seiner Werkstatt auf dem denkmalges­chützten Huppertzho­f bei Mönchengla­dbach und ist auch sonst sehr agil. „Ich bin froh, dass ich noch kerngesund bin. Der Hausarzt geht immer wieder enttäuscht weg“, sagt er. Macks Refugium ist eigentlich sein Haus auf Ibiza, für ihn die „Insel des Lichts“. Der Corona-Lockdown aber verhindert dieses Jahr, dass er seinen Geburtstag dort verbringt.

Die Corona-Krise geht auch an dem meinungsst­arken Mack nicht spurlos vorüber. Er fordert, dass die Museen bald wieder öffnen. „Genau wie die Lebensmitt­el ist doch auch die Kunst ein Lebensmitt­el. Ohne das geht es nicht.“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Heinz Mack im Düsseldorf­er Museum Kunstpalas­t vor seinem Werk „Heinz Mack mit Silberfahn­e im Grand Erg Oriental“(1976).

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