Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Getrennte Wege

TV-Sender RTL verzichtet künftig auf Dieter Bohlen

- Von Jonas-Erik Schmidt

KÖLN (dpa) - Die Welt hat sich seit 2002 sehr verändert, eines aber war stets Gewissheit: Jahr für Jahr sitzt Dieter Bohlen in einem Sessel, um mit flotten Sprüchen über einen schief singenden Kandidaten von „Deutschlan­d sucht den Superstar“zu richten. Seit fast 20 Jahren führt der Musikprodu­zent nunmehr die Jury der RTL-Castingsho­w an, mit der er im Grunde verschmolz­en ist. „DSDS“, das ist Bohlen und umgekehrt – dachte man. Doch nun steht fest: Noch im April ist damit Schluss. Eine Ära geht zu Ende.

Wie RTL am Donnerstag mitteilte, wird Bohlen nach der aktuellen Staffel keinen Jury-Platz mehr bei „DSDS“einnehmen. Sie endet am 3. April 2021. In der kommenden Ausgabe, die 2022 zu sehen sein wird, werde es erstmals eine komplett neu besetzte Jury geben, um auf die Suche nach talentiert­en Sängern zu gehen. Bohlen übergebe „das Kommando“an „starke Nachfolger“, so der Kölner Sender. Ähnliches gelte auch für die Show „Das Supertalen­t“, in der Bohlen sein Urteil etwa über besonders talentiert­e Mundharmon­ikaspieler oder pfiffige Hunde abgab.

Der Sender habe sich so entschiede­n, um seine beiden Hitshows „grundlegen­d weiterzuen­twickeln“, erklärte RTL. „Um frische Impulse zu setzen, gehen wir in der kommenden Staffel auch mit komplett neuer Jury an den Start“, hieß es. RTL-Unterhaltu­ngschef Kai Sturm erklärte, nach fast zwei Jahrzehnte­n sei „jetzt der richtige Zeitpunkt für Veränderun­g und Weiterentw­icklung“.

Sturm bedankte sich bei der aktuellen Jury – zu der auch Sängerin Maite Kelly und Popstar Mike Singer gehören – und „insbesonde­re bei Dieter Bohlen“. Die Frage, ob der 67-Jährige in anderen Formaten zu sehen sein wird, blieb gleichwohl offen. RTL erklärte auf Nachfrage: „Für gute neue Programmid­een sind wir jederzeit offen.“

Um die Tragweite zu beurteilen, muss man bedenken, wie wichtig „DSDS“für RTL ist – und auch für Bohlen. Die Show ist zwar nicht mehr der Straßenfeg­er, der sie nach einem phänomenal­en Start 2002 gewesen ist, aber immer noch ein Pfeiler im Programm. 2007 führte der Sender das Format in die Schlacht um den Samstagabe­nd und griff mit Bohlen als Speerspitz­e Thomas Gottschalk (70) und „Wetten, dass..?“an, das damals noch ein Mythos war.

Der heute 67-Jährige gehörte schon der ersten Jury an, unter deren Ägide Alexander Klaws (37) zum ersten „Superstar“gekürt wurde. Damals musste er sich die erste JuryReihe noch mit dem Musikprodu­zenten Thomas M. Stein teilen, der aber irgendwann die Show verließ. Auch ansonsten gab es ein munteres Kommen und Gehen bei „DSDS“– von Heino über Bill Kaulitz bis Xavier Naidoo oder H.P. Baxxter. Nur einer blieb immer da: Dieter Bohlen.

Bohlen prägte zudem den Geist der Show, die bis heute davon lebt, dass wagemutige Möchtegern-Sänger mangelndes Talent durch Selbstüber­schätzung zu kompensier­en versuchen. Von Bohlen wurden sie dann mit boshaften Sprüchen (siehe Zitate-Leiste rechts) flugs wieder nach Hause geschickt. Wer am Ende doch übrig blieb und gewann, dem verhalf er in die Charts. Bohlen war Produzent der meisten „DSDS“-Gewinner.

Er war nicht mehr Popstar wie zu Zeiten von „Modern Talking“– sondern Pop-Titan. So wie Oliver Kahn (51), den man Torwart-Titan nannte.

Bohlens Einfluss ging so weit, dass man sich manchmal fragen konnte, wer genau über die „DSDS“Jury entscheide­t – RTL oder der Chefjuror mit den charakteri­stisch weißen Zähnen. Als etwa entschiede­n war, dass der Jury-Platz des skandalumw­itterten Schlagersä­ngers Michael Wendler (48) nach dessen Eklat nicht nachbesetz­t wird, verkündete das Bohlen selbst über seinen eigenen Instagram-Kanal.

Diesmal wird nach Lage der Dinge RTL selbst verkünden, wer den Platz des Pop-Titans einnimmt. Die Nachfolger in der Jury sollen „rechtzeiti­g“bekannt gegeben werden, so der Sender.

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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: FREDERIC KERN/IMAGO IMAGES Pop-Titan Dieter Bohlen verabschie­det sich.

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