Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Rolls-Royce-Verluste steigen auf 3,7 Milliarden Euro
Konzernchef lässt Zukunft des mit Liebherr entwickelten Ultrafan-Projekts offen – Friedrichshafener Tochter stellt Bilanz 2020 am Freitag vor
LONDON/RAVENSBURG - Die Corona-Pandemie hat den britischen Triebwerkshersteller Rolls-Royce im vergangenen Jahr noch tiefer in die roten Zahlen gedrückt. Weil das Virus die Luftfahrtbranche in eine Krise stürzte, stand unter dem Strich ein Verlust von fast 3,2 Milliarden britischen Pfund (3,7 Milliarden Euro), wie der Konzern am Donnerstag in London mitteilte. Im Vorjahr hatte sich das Defizit bereits auf 1,3 Milliarden Pfund belaufen. Der Umsatz des Konzerns brach um 29 Prozent auf 11,8 Milliarden Pfund ein.
Das Management hatte mit einem radikalen Sparprogramm auf die Folgen der Pandemie reagiert. RollsRoyce-Chef Warren East sprach nun vom größten Umbau der jüngeren Unternehmensgeschichte. 2020 hat der Konzern bereits insgesamt 7000 Stellen abgebaut, bis Ende kommenden Jahres sollen weitere 2000 folgen. Mit Blick auf die Zukunft machen dem Management Impfungen gegen das Virus und neue Teststrategien Mut. Die Rolls-Royce-Führung geht deshalb von einer Erholung des Geschäfts aus, wenn die Reisebeschränkungen wieder aufgehoben werden.
Der Einbruch des weltweiten Luftverkehrs und die Notlage vieler Airlines trifft Rolls-Royce noch stärker als andere Triebwerkshersteller. Anders als General Electric aus den USA, Safran aus Frankreich, das USUnternehmen Pratt & Whitney und die deutsche MTU haben sich die Briten ganz auf Antriebe für Großraumflugzeuge von Boeing und Airbus verlegt, die auf Langstreckenverbindungen zum Einsatz kommen. AirlineManager und Flugzeughersteller erwarten, dass sich das Geschäft mit
Fernflügen als Letztes von der Krise erholt. Unklar ist allerdings, in welchem Umfang das Kurzstreckengeschäft nach der Krise überhaupt wieder zurückkommt. Das Geschäft mit diesen Motoren hatte Rolls-Royce vor Jahren zugunsten von Triebwerken für Langstrecken-Jets aufgegeben. Das Ultrafan-Triebwerk, das das Unternehmen unter anderem in einem Joint Venture mit dem Allgäuer Luftfahrtzulieferer Liebherr Aerospace in Friedrichshafen am Bodensee entwickelt, sollte Rolls-Royce den Weg zurück in den Markt für Kurzstreckenjets ebnen. „Die Entwicklung ist gut gelaufen, bald soll es eine Demonstration geben“, sagte Warren East am Donnerstag über das ehrgeizige Projekt, das den Treibstoffverbrauch um 25 Prozent senken könnte. „Ob wir dann weitermachen oder eine Pause einlegen, wird von den Plänen der Flugzeugbauer abhängen. Jedenfalls können wir Ultrafan ausdehnen – von Kurzstreckenjets auch auf größere Maschinen.“
Für Aerospace Transmission Technology (ATT) ändert die von East in Erwägung gezogene Neuausrichtung des Ultrafan-Projekts nach eigenen Angaben nichts. „Wir befinden uns zusammen mit Rolls-Royce in einer sehr intensiven Entwicklungsphase. Unsere Aufgabe und das Ziel sind unverändert“, erklärte die ATT-Geschäftsführung auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Der Friedrichshafener Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems mit seiner Kernmarke MTU, eine hundertprozentige Tochter des englischen Konzerns, stellt seine Jahresbilanz 2020 am Freitag vor.