Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gefährliche Wut am Lenkrad
Prozess um Fahrt in Menschengruppe – Angeklagter entschuldigt sich
MÜNCHEN/PÖCKING (dpa) - Er soll in eine Menschengruppe gefahren sein, um seine damalige Lebensgefährtin und deren ein Jahr alte Tochter umzubringen, die ihn „Papa“nannte. Seit Donnerstag steht der Mann, der im Mai vergangenen Jahres fünf Menschen im oberbayerischen Pöcking verletzte, in München vor Gericht. Es geht um den Vorwurf des fünffachen Mordversuches.
„Schatz, der Mittlere Ring ist frei. Ich liebe dich“, soll der 44-Jährige seiner Freundin morgens noch geschrieben haben. Das sagt die 23-Jährige vor dem Landgericht München II. Später am Tag dann, so sieht es die Staatsanwaltschaft, soll er mit seinem Auto zielgerichtet mit rund 50 Kilometern in der Stunde auf die junge Frau und deren Tochter losgefahren sein, die sich in der Menschengruppe befanden.
„Dann hat er auf mich geschaut“, sagt die 23-Jährige über die Tat. „Hat den Motor angelassen und ist dann auf mich zugefahren.“
Die fünf Verletzten kamen nach der Tat ins Krankenhaus. Die vier erwachsenen Opfer wurden leicht bis mittelschwer verletzt, das Kleinkind erlitt einen Schock.
Die 23-Jährige leidet seit der Tat nach eigenen Angaben unter zwanzigprozentigem Hörverlust auf einer Seite, ist in psychologischer Behandlung und bekommt noch Physiotherapie. Auch der Fahrer selbst musste in der Klinik behandelt werden, nachdem er auf der Flucht mit seinem Wagen gegen einen Baum geprallt war – „in suizidaler Absicht“, wie sein Anwalt zum Prozessbeginn sagt.
Der Deutsche ist nicht nur wegen versuchten Mordes, sondern auch wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung und Fahrerflucht angeklagt. Das mutmaßliche Motiv liegt zwischen dieser liebevoll klingenden WhatsApp-Nachricht am Morgen und der späteren Amokfahrt. In dieser Zeit ließ die junge Frau im Krankenhaus das gemeinsame Kind abtreiben. „Warum ???????? “schrieb er ihr kurz vor der Tat noch.
Sein Anwalt spricht in einer verlesenen Verteidigererklärung von „Hass, Wut, Zorn, Hilflosigkeit und Trauer über die vorgenommene Abtreibung“. Der Mann habe bis zu dem Zeitpunkt angenommen, seine Freundin freue sich genauso auf das gemeinsame Kind wie er. Als er sie dann auf dem Gehweg vor ihrer Wohnung in einer Gruppe gemeinsam mit Bekannten erblickte, „brachen die negativen Gefühlen in ihm durch“und er habe aufs Gas gedrückt – sich aber schnell danach umentschieden und auf die Bremse getreten.
Der Angeklagte entschuldigte sich beim Prozessauftakt. „Es tut mir wirklich leid“, sagte der 44-Jährige. „Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es tun.“