Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Mit dieser Kolumne möchte ich mich von Ihnen verabschie­den“

- Von Rüdiger Sinn

Stress lass nach – während sich draußen der Frühling ankündigt, würde ich mich am Liebsten in den Winterschl­af begeben, mich einmummeln und faulenzen. Viele Baustellen warten da draußen auf mich, zu viele. Deshalb kann von Motivation keine Rede sein, eher von Überforder­ung. Der große Berg zwingt mich fast in die Knie. Das Selbige tut schon weh, und die Halswirbel schmerzen auch beim Aufstehen. Jünger wird man auch nicht, wenn man jeden Tag lebt, doch da der Schwob mit 40 gescheit wird, soll sich nun vieles ändern.

Bald (im Frühjahr) werde ich 50! Ich befürchte, dass mich bis dahin das Leben aber noch im Griff hat, nicht umgekehrt: Nach Renovierun­g einer altersgere­chten Wohnung ziehen meine Eltern vom Haus in die Vorstadt und ich muss Ihnen sicherlich nicht erklären, was es heißt, das Elternhaus aufzulösen und einen

Umzug mit den betagten Eltern zu organisier­en.

So fühle ich mich durch diverse Dinge fremdgeste­uert. Und beschäftig­t mich schon lange die Frage nach dem guten Leben im Alter, kommt die jetzt schneller auf mich zu, als mir lieb ist. Ich hatte immer die Vision, dass alte Menschen und mittelalte und junge Menschen und ganz kleine zusammen in Mehrgenera­tionen-Projekten (wie ich sie auch kenne), gut zusammenle­ben können. Gemäß dem Leitspruch, dass alle Menschen zu jeder Zeit und in jeder Lebensphas­e gut für andere sind, können alle füreinande­r da sein, „Synergien“– so heißt das – können entstehen. Es braucht natürlich Möglichkei­ten für Austausch, Begegnungs­cafés, einen Garten, Gemeinscha­ftsräume. Das beste Beispiel dafür ist, wie sehr meine Mutter auflebt, wenn die Enkel da sind, Alte brauchen eben Junge und umgekehrt. Kürzlich hat ein Leserbrief­schreiber

es für mich auf den Punkt gebracht, in dem er sinngemäß schrieb: Ein Baum ist ein Lebewesen wie ein Mensch auch. In jedem Lebensalte­r hat er einen Nutzen, auch wenn Teile von ihm alt und vielleicht schon krank sind.

Auch aus den genannten Gründen – den vielen Aufgaben – komme ich deshalb mit meiner Baustelle in der Jägerstraß­e nur sehr langsam voran. Zwar sieht man überall, dass gearbeitet wird – im Schlafzimm­er hängen die Leerrohre für die Elektroins­tallation aus der Decke, den Trockenbau im OG für das neue Bad habe ich diese Woche begonnen, im Dachgescho­ss gibt es schon Elektroarb­eiten, die Fassaden-PV-Anlage soll demnächst installier­t werden – aber mir fehlt einfach die Zeit, stringent dranzublei­ben. Den Anspruch, die Baustelle vorwiegend in Eigenleist­ung zu stemmen, habe ich allerdings immer noch. Und es wird weitergehe­n, versproche­n! Ich mache es kurz: Mit dieser heutigen Kolumne möchte ich mich von Ihnen verabschie­den. Wir hatten das Projekt „Häuslebaue­r-Kolumne“zunächst auf zwei Jahre vorgesehen und dann wollten wir schauen, in welchem Stadium des Baus ich mich befinde. Wäre ich fast fertig, dann spräche sicherlich nichts dagegen, die Kolumne bis zum Ende fortzusetz­en. Wie lange es aber noch dauern wird, ist allerdings unklar und ich will Sie nicht langweilen, mit Dingen, die nur am Rande erwähnensw­ert sind. Damit ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um erstmal einen Strich drunter zu machen, Schreibpau­se!

Für viele von Ihnen war meine beschriebe­ne Baustelle sicherlich unkonventi­onell und für andere vollkommen unvorstell­bar. Wieder andere haben mich angerufen und es gab einen wertvollen fachlichen Austausch über ökologisch­es Bauen und das Bauen an sich. Meine Nachbarn haben mir Socken gestrickt und Tee vorbei gebracht, damit ich es im Winter schön warm habe. Sie haben also mitgefiebe­rt. Oft war der noch nicht vorhandene Ofen ein Türöffner für ein Gespräch. „Hosch´s warm?“und viele werden womöglich meine Großmutter vermissen. „Was macht denn die Oma?“, hat mich kürzlich eine ältere Dame gefragt und auf die Kolumne angesproch­en. Ich glaube, es geht ihr gut, da, wo sie ist. Ich habe mich gefreut, diese viel zitierte „schwäbisch­e Hausfrau“immer wieder einzubauen. Ich bin mir sicher, auch ihr hätte es gefallen.

Falls Sie meine Baustelle weiterverf­olgen wollen, können Sie meine Facebookse­ite

liken oder meinen Blog verfolgen, dort berichte ich weiterhin regelmäßig unregelmäß­ig über die Baustelle. ●»

„Kopfüber auf der Baustelle“ruedigersi­nn.wordpress.com/ category/baustellen­blog/

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