Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Mit dieser Kolumne möchte ich mich von Ihnen verabschieden“
Stress lass nach – während sich draußen der Frühling ankündigt, würde ich mich am Liebsten in den Winterschlaf begeben, mich einmummeln und faulenzen. Viele Baustellen warten da draußen auf mich, zu viele. Deshalb kann von Motivation keine Rede sein, eher von Überforderung. Der große Berg zwingt mich fast in die Knie. Das Selbige tut schon weh, und die Halswirbel schmerzen auch beim Aufstehen. Jünger wird man auch nicht, wenn man jeden Tag lebt, doch da der Schwob mit 40 gescheit wird, soll sich nun vieles ändern.
Bald (im Frühjahr) werde ich 50! Ich befürchte, dass mich bis dahin das Leben aber noch im Griff hat, nicht umgekehrt: Nach Renovierung einer altersgerechten Wohnung ziehen meine Eltern vom Haus in die Vorstadt und ich muss Ihnen sicherlich nicht erklären, was es heißt, das Elternhaus aufzulösen und einen
Umzug mit den betagten Eltern zu organisieren.
So fühle ich mich durch diverse Dinge fremdgesteuert. Und beschäftigt mich schon lange die Frage nach dem guten Leben im Alter, kommt die jetzt schneller auf mich zu, als mir lieb ist. Ich hatte immer die Vision, dass alte Menschen und mittelalte und junge Menschen und ganz kleine zusammen in Mehrgenerationen-Projekten (wie ich sie auch kenne), gut zusammenleben können. Gemäß dem Leitspruch, dass alle Menschen zu jeder Zeit und in jeder Lebensphase gut für andere sind, können alle füreinander da sein, „Synergien“– so heißt das – können entstehen. Es braucht natürlich Möglichkeiten für Austausch, Begegnungscafés, einen Garten, Gemeinschaftsräume. Das beste Beispiel dafür ist, wie sehr meine Mutter auflebt, wenn die Enkel da sind, Alte brauchen eben Junge und umgekehrt. Kürzlich hat ein Leserbriefschreiber
es für mich auf den Punkt gebracht, in dem er sinngemäß schrieb: Ein Baum ist ein Lebewesen wie ein Mensch auch. In jedem Lebensalter hat er einen Nutzen, auch wenn Teile von ihm alt und vielleicht schon krank sind.
Auch aus den genannten Gründen – den vielen Aufgaben – komme ich deshalb mit meiner Baustelle in der Jägerstraße nur sehr langsam voran. Zwar sieht man überall, dass gearbeitet wird – im Schlafzimmer hängen die Leerrohre für die Elektroinstallation aus der Decke, den Trockenbau im OG für das neue Bad habe ich diese Woche begonnen, im Dachgeschoss gibt es schon Elektroarbeiten, die Fassaden-PV-Anlage soll demnächst installiert werden – aber mir fehlt einfach die Zeit, stringent dranzubleiben. Den Anspruch, die Baustelle vorwiegend in Eigenleistung zu stemmen, habe ich allerdings immer noch. Und es wird weitergehen, versprochen! Ich mache es kurz: Mit dieser heutigen Kolumne möchte ich mich von Ihnen verabschieden. Wir hatten das Projekt „Häuslebauer-Kolumne“zunächst auf zwei Jahre vorgesehen und dann wollten wir schauen, in welchem Stadium des Baus ich mich befinde. Wäre ich fast fertig, dann spräche sicherlich nichts dagegen, die Kolumne bis zum Ende fortzusetzen. Wie lange es aber noch dauern wird, ist allerdings unklar und ich will Sie nicht langweilen, mit Dingen, die nur am Rande erwähnenswert sind. Damit ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um erstmal einen Strich drunter zu machen, Schreibpause!
Für viele von Ihnen war meine beschriebene Baustelle sicherlich unkonventionell und für andere vollkommen unvorstellbar. Wieder andere haben mich angerufen und es gab einen wertvollen fachlichen Austausch über ökologisches Bauen und das Bauen an sich. Meine Nachbarn haben mir Socken gestrickt und Tee vorbei gebracht, damit ich es im Winter schön warm habe. Sie haben also mitgefiebert. Oft war der noch nicht vorhandene Ofen ein Türöffner für ein Gespräch. „Hosch´s warm?“und viele werden womöglich meine Großmutter vermissen. „Was macht denn die Oma?“, hat mich kürzlich eine ältere Dame gefragt und auf die Kolumne angesprochen. Ich glaube, es geht ihr gut, da, wo sie ist. Ich habe mich gefreut, diese viel zitierte „schwäbische Hausfrau“immer wieder einzubauen. Ich bin mir sicher, auch ihr hätte es gefallen.
Falls Sie meine Baustelle weiterverfolgen wollen, können Sie meine Facebookseite
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„Kopfüber auf der Baustelle“ruedigersinn.wordpress.com/ category/baustellenblog/