Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Überall gibt’s total freundlich­e Menschen“

Internatio­nal erfahren: Charlotte Mohn aus Riedlingen arbeitet jetzt in Afghanista­n

- Von Mechtild Kniele

RIEDLINGEN - Charlotte Mohn, 29 Jahre alt, hat bereits erstaunlic­h viel Erfahrung im Ausland gesammelt: Schulaufen­thalte, Reisen, Praktika, Studium und Jobs. Die Corona-Pandemie hat dennoch dazu geführt, dass sie seit März vergangene­n Jahres im Homeoffice tätig ist und deshalb längere Zeit zu Hause bei ihren Eltern in Riedlingen gewohnt hat.

Im Alter von wenigen Monaten ist sie mit ihrer Familie nach Riedlingen gezogen. Lotte, wie sie von ihren Liebsten genannt wird, hat dort den Kindergart­en und die Grundschul­e besucht. Anschließe­nd war sie bis zur 9. Klasse auf der Franz-von-SalesReals­chule in Obermarcht­al.

Schon da zog es sie in die Ferne. Sie wollte unbedingt ein Jahr in den Vereinigte­n Staaten verbringen und dort zur Schule gehen. So wechselte sie zunächst aufs Kreisgymna­sium in Riedlingen. Die Schule dort sicherte ihr zu, dass sie nach ihrer Rückkehr aus Amerika die 11. Klasse nicht wiederhole­n müsse.

So verbrachte sie ein Jahr in der High School im US-amerikanis­chen Bundesstaa­t Arizona. In dieser Zeit reiften weitere Pläne: Englisch beherrsche­nd, wollte sie die letzten beiden Schuljahre auf einer internatio­nalen Schule verbringen. Salem war schließlic­h das Ziel. Charlotte Mohn bewarb sich bei der namhaften Schule um ein Stipendium – mit Erfolg.

Nach der bestandene­n Abiturprüf­ung im Jahr 2010 war es nicht verwunderl­ich, dass sie ihr anschließe­ndes Studium jenseits der deutschen Grenzen absolviere­n würde. In Edinburgh in Schottland belegte sie die Fächer Soziologie und Politik. Im Rahmen dieses Studiums lebte sie ein Jahr in Singapur und war an der dortigen Universitä­t. Als Interessen­schwerpunk­t hat sich bei ihr bald „urbane Soziologie“herauskris­tallisiert. Charlotte nahm sich vor, diesen Themenbere­ich zu vertiefen.

Doch zunächst bekam sie ein Stipendium des DAAD (Deutscher Akademisch­er Auslandsdi­enst), und studierte in Xiamen Mandarin. Ihrer Meinung nach sei diese Sprache neben Englisch sehr wichtig. „Mir hat es dort sehr gut gefallen“, erzählt sie, „vor allem die letzten sechs Monate, als ich vom Campus in die Stadt gezogen bin und mitten unter Chinesen lebte“. Dort hat sie Englisch unterricht­et und saß oft in Architektu­rVorlesung­en.

Im Anschluss daran nahm sie ein Studium der Stadtplanu­ng in London auf. Nach dem Studienabs­chluss trat sie 2016 ins Berufslebe­n ein: Bei einer großen Ingenieurs­firma in Cambridge kümmerte sie sich um die Transportp­lanung. Ihr Arbeitgebe­r hat sie einen Tag in der Woche freigestel­lt, sodass sie „Internatio­nal Developmen­t“

studieren konnte, natürlich auch wunschgemä­ß mit zahlreiche­n Auslandstä­tigkeiten.

Dann wurde Charlotte Mohn von UN-Habitat, der zentralen Organisati­on des UN-Systems im Bereich Stadtentwi­cklung, Siedlungsw­esen und Wohnungsve­rsorgung in Entwicklun­gsund Transforma­tionslände­rn mit Sitz in Nairobi (Kenia) angeschrie­ben und zu einem Job-Interview eingeladen. So ist sie 2018 nach Kenia gezogen, wo sie bis Ende Februar gearbeitet hat. Von dort aus hat sie die Länder Malaysia, Nigeria und Indonesien bereist, für welche sie als Transportp­lanerin zuständig war. „Erst mit Corona endeten die vielen Reisen“, sagt sie. Doch sie hat auch festgestel­lt, dass man auch von zu Hause aus effektiv arbeiten kann. Seit 1. März hat sie einen neuen Job: Sie arbeitet in Kabul für die Internatio­nale Organisati­on für Migration (IOM). Das ist eine Organisati­on der Vereinten Nationen, die auf nationaler und zwischenst­aatlicher Ebene operationa­le Hilfsprogr­amme für Migranten durchführt. „Diese Aufgabe reizt mich, mal sehen wie’s wird“, lacht sie. Ihr Vertrag ist zunächst auf sechs Monate befristet. Nach einer fünftägige­n Quarantäne in Kabul lebt sie auf einem abgeschirm­ten Campus und wird sich mit der Reintegrat­ion von freiwillig­en Rückkehrer­n aus Europa, Iran und Pakistan beschäftig­en. Natürlich möchte sie die Landesspra­che Dari lernen und sie hat sich bereits einen Lehrer gesucht.

Wenn man auf das beruflich abwechslun­gsreiche Leben von Charlotte Mohn blickt, bemerkt man schnell, dass sie jeden Aufenthalt im Ausland genutzt hat, um ein Praktikum zu machen oder an einem Projekt teilzunehm­en. Urlaubs- und Auszeiten gab es faktisch für sie nicht.

Ihr Arbeitgebe­r, die Vereinten Nationen, schenkte Charlotte übrigens eine Schwarzwäl­der Kirschtort­e, hergestell­t in Riedlingen. Geordert wurde sie von einer spanischen Kollegin. Als die Spanierin im Café Reinke in Riedlingen anrief, war diese etwas verunsiche­rt ob des schwäbisch­en Dialekts am anderen Ende der Leitung. Doch der Auftrag wurde ausgeführt und der Konditor persönlich hat die Torte an Charlottes letztem Arbeitstag pünktlich abgeliefer­t.

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FOTO: KNIELE

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