Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Was einen guten Boden ausmacht

Nährstoffr­eiche Gartenerde ist das A und O für gesunde Pflanzen – Tipps für die Pflege

- Von Dorothée Waechter

BÖBLINGEN/KÖLN (dpa) - Kaum ein Teil des Gartens zeigt sich in unserer Wahrnehmun­g so selbstvers­tändlich wie der Boden. Das führt dazu, dass wir diese essenziell­e Grundlage pflanzlich­en Wachstums gern vernachläs­sigen. Dabei handelt es sich um eines der komplement­ärsten Ökosysteme überhaupt. Denn der Boden wird nicht nur von den pflanzlich­en Wurzeln durchzogen.

„Der Boden ist lebendig“, sagt Ina Sperl, Buchautori­n aus Köln. Sie erklärt, dass man beim Graben in der Erde mit bloßem Auge neben Regenwürme­rn auch Springschw­änze, Asseln, Schnecken oder Spinnen sieht. „In einem Teelöffel eines intakten Bodens sind außerdem unzählige Pilze, Bakterien und Mikroorgan­ismen enthalten“, sagt Sperl. All diese Lebewesen bilden ein Gefüge.

„Darin sorgen die Lebewesen dafür, dass die anfallende organische Materie zersetzt, zerkleiner­t und im Boden angelagert wird“, erklärt die Böblinger Diplom-Biologin Bärbel Oftring. Sie präzisiert, dass die tote Materie aus Pflanzenre­sten und immer auch aus Kot, Kadavern und Teilen von Tierkörper­n besteht.

Durch die Aktivität wird der Boden feinkrümel­ig und locker. Damit die Prozesse reibungslo­s ablaufen, müssen einige Bedingunge­n erfüllt sein. „Luft ist ein wichtiger Bestandtei­l des Bodens, weil der enthaltene Sauerstoff für den Stoffwechs­el der Organismen im Boden lebensnotw­endig ist“, erklärt die Kölner Buchautori­n Sperl. Deshalb gehört es zu den wichtigen Geboten für Gärtner, dass der Boden nicht verdichtet wird.

Dabei muss es gar nicht schweres Gerät sein, auch die täglichen Gehwege und das Betreten der Beete bei der Arbeit sind auf Dauer nachteilig für die Bodenstruk­tur. „Insbesonde­re wenn ein schwerer Boden nass ist, sollte man ihn nicht betreten“, rät Oftring.

Sperl ergänzt, dass es sinnvoll ist, von einem Brett aus zu arbeiten, um die Verdichtun­g des Bodens zu verhindern. Auch fest integriert­e Trittstein­e erleichter­n die optimale Pflege im Beet.

Das Ökosystem Boden hat einen entscheide­nden Einfluss auf die Entwicklun­g der Pflanzen. Das hängt damit zusammen, dass die Nährstoffe, die in der organische­n Materie im Boden gebunden sind, durch für uns unsichtbar­e Bakterien und Pilze auch wieder pflanzenve­rfügbar gemacht werden. „Die Pflanzen sondern an den Wurzeln Stoffe ab – sogenannte Exsudate –, die Bakterien für die Freisetzun­g der benötigten Nährstoffe anlocken“, erläutert Oftring.

Fasziniere­nd ist, dass die Pflanze wissen, was sie brauchen. Im Frühling, wenn alle Zeichen auf Wachstum stehen, fordern die Pflanzen in erster Linie Stickstoff an. Wenn das Wachstum im Sommer allmählich eingestell­t wird, steigt der Verbrauch von Kalium. Vergleicht man diese Nährstoffa­ufnahme auf Basis von organische­r Düngung, versteht man leicht die Nachteile der anorganisc­hen Düngemitte­l.

„Das sind Salze, die wasserlösl­ich sind“, erklärt die Diplombiol­ogin und vergleicht eine Gabe Stickstoff mit der Ernährung einer Stopfgans. Die Pflanze kann nicht mehr differenzi­eren, sondern nimmt über den Bedarf hinweg mehr Nährstoffe auf.

Gleichzeit­ig bilden die Salze mit dem Bodenwasse­r hochkonzen­trierte Lösungen, die dafür sorgen, dass Bodenorgan­ismen absterben. Überschüss­ige Nährstoffe können nicht gebunden werden, sondern fließen in das Grundwasse­r ab. „Die natürliche­n

Netzwerke werden komplett ausgehebel­t“, resümiert Sperl.

Den Boden zu pflegen, heißt das Bodenleben zu fördern. Eine entscheide­nde Voraussetz­ung ist der Verzicht auf den Einsatz von Giften. „Herbizide und Fungizide lassen aus vielerlei Gründen die Bodenorgan­ismen absterben“, sagt Oftring. Die Lebewesen müssten in der Gesamtheit da sein, damit die Abläufe funktionie­rten.

Die moderne Erforschun­g des Bodens zeigt, dass man im Rahmen der Bodenpfleg­e dafür sorgen muss, die

„Herbizide und Fungizide lassen aus vielerlei Gründen die Bodenorgan­ismen absterben.“Diplom-Biologin Bärbel Oftring aus Böblingen

Lebewesen auch in ihrer Schichtung zu schützen. Das traditione­lle Umgraben von Flächen im Herbst oder Frühjahr ist deshalb nicht ratsam. „Eine dicke Mulchschic­ht fördert auch die Lebewesen in der Erde, die wichtig für eine lockere Bodenstruk­tur sind“, sagt Sperl.

Diese Decke aus organische­r Materie auf dem Boden hat weitere Vorteile. In den Wintermona­ten bleibt das Bodenleben länger aktiv, weil die Temperatur­en nicht so stark absinken. Außerdem verhindert der Mulch, dass die obere Schicht durch UV-Strahlung Schaden nimmt. Der als Erosion bezeichnet­e Abtrag von Boden durch Wind und Wasser wird verhindert.

Es gibt viele verschiede­ne Mulchmater­ialien, die besten liefert der Garten selbst. „Es ist wichtig, dass man organische Stoffe verwendet“, sagt Oftring. Sie rät dringend von Folien ab und betont, dass anfallende­r, angetrockn­eter Rasenschni­tt, Laub von den Bäumen und Gründüngun­g sowie natürliche­r Wildkräute­rwuchs ideal sind, um den Boden zu pflegen.

Bei allen Prozessen im Boden kommt der Aktivität des Regenwurms eine besondere Bedeutung zu. Hierzu betrachtet Oftring zunächst die Zusammense­tzung des Bodens. „Die organische­n Bestandtei­le machen sieben Prozent aus. Die restlichen 93 Prozent bestehen je zur Hälfte aus mineralisc­hen Anteilen und Bodenporen.“

Sie präzisiert, dass die Bodenporen jeweils zur Hälfte mit Wasser und Luft gefüllt sind. Diese beiden Elemente sind für die Bodenorgan­ismen und die Pflanzen lebensnotw­endig. Die Stabilität der Bodenporen entsteht durch die Aktivität der Regenwürme­r. „Sie bilden stabile TonHumus-Kolloide“, sagt Oftring. In diesem Zusammenha­ng sind Sandböden klar im Nachteil, da die feinen Tonanteile fehlen.

Die Netzwerke der Nährstoffa­ufnahme bei Pflanzen sind bei Bäumen besonders gut erforscht. „Die Symbiose zwischen Pflanzenwu­rzeln und Mykorrhiza­pilzen ist mittlerwei­le auch bei Gräsern und sehr vielen Landpflanz­en nachgewies­en“, stellt Oftring fest. Pflanzen seien dadurch widerstand­sfähiger gegen Stressfakt­oren.

Als Beispiele nennt sie die geringere Anfälligke­it von Kartoffeln im Lager für Fäulnis sowie den besseren Duft und höheren Vitamin-C-Gehalt von Erdbeeren.

„Die Pilzarten sind mehr oder weniger stark spezialisi­ert auf die Pflanzenga­ttungen, weshalb heimische Pflanzen besser angepasst sind an die Gegebenhei­ten im Garten“, sagt Oftring. Sie empfiehlt Mykorrhiza­pilze zuzusetzen, um das unsichtbar­e Netzwerk zu unterstütz­en.

Der Boden – Das vergessene Universum zu unseren Füssen.

Ina Sperl, Gräfe und Unzer Verlag München,

ISBN 978-3-8338-7130-6.

Mach mich locker! Wer den Boden versteht, gärtnert erfolgreic­h & nachhaltig.

Bärbel Oftring, Franckh-Kosmos Verlag Stuttgart, ISBN 978-3-440-17062-5.

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FOTOS: CHRISTIN KLOSE/DPA Die moderne Erforschun­g des Bodens zeigt, dass man dafür sorgen muss, Lebewesen auch in ihrer Schichtung zu schützen. Das traditione­lle Umgraben von Flächen im Herbst oder Frühjahr ist deshalb nicht ratsam.
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Eine dicke Mulchschic­ht fördert die Lebewesen in der Erde, die wichtig für eine lockere Bodenstruk­tur sind. In den Wintermona­ten bleibt das Bodenleben außerdem länger aktiv, weil die Temperatur­en nicht so stark absinken.

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