Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wenn aus Bier Desinfektionsmittel wird
Der Fassbierabsatz ist durch Einschränkungen komplett eingebrochen – Mehr Nachfrage in Getränkemärkten
RIEDLINGEN - Die Zwiefalter Klosterbrauerei, die in diesem Jahr ihr 500-jähriges Bestehen feiern will, bereitet sich optimistisch schon mal darauf vor, dass in der Zeit nach Ostern der Bierabsatz infolge der erhofften Lockerungen die Fassbiernachfrage steigt und fährt die Produktion von derzeit einem Sud pro Woche allmählich wieder hoch. „Blanks Bräu“in Zwiefaltendorf konnte dank des gestiegenen Privatkonsums seinen Absatz an Flaschenbier stabil gestalten. Der Shutdown hat die Brauereien getroffen, aber ganz unterschiedlich.
„Wir können uns über Wasser halten“, versichert Thomas Blank, Chef von „Blanks Bräu“in Zwiefaltendorf. Zwar wartet er sehnlichst darauf, bald wieder die Brauereigaststätte zu öffnen und seine fünf Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholen zu können. Dafür ist er mit dem Bierabsatz ganz zufrieden: „Wir müssen kein Bier wegschütten.“Der jährliche Absatz von rund 100 000 Litern könne in etwa gehalten werden. Zwar entfalle der Absatz in der Gastronomie, dafür sei die Nachfrage in den Getränkemärkten gestiegen: „Wir haben einige Märkte dazubekommen.“Damit könne kompensiert werden, was nicht mehr in den Wirtschaften ausgeschenkt werden darf. Blank sieht sich selbst als „klassisches Beispiel“. Früher habe er kaum Bier zu Hause gehabt, er sei stattdessen lieber am Abend noch einkehren gegangen. Jetzt stehe eben eine Kiste zu Hause, um ein Feierabendbier privat zu konsumieren. „Aber meine Situation ist nicht die von allen Brauereien“, betont Blank. Schlimmer dran seien Brauereien, die ausschließlich Fassware für die Gastronomie produzieren: „Die verkaufen gar kein Bier mehr.“
Das bekommt auch die Zwiefalter Klosterbrauerei zu spüren. Der Fassbieranteil, den Geschäftsführer Peter Baader auf normalerweise 25 Prozent beziffert, sei durch die beiden Shutdowns auf Null gesunken. Nicht allein der Umsatz durch Hotellerie und Gastronomie fehle. In einer ländlich geprägten Umgebung, in der die Vereine eine nicht zu unterschätzende Kundschaft darstellen, wirken sich auch die Versammlungsverbote auf den Bierabsatz aus – vom „Kabinenbier“bis zum großen Festzeltbetrieb. Das treffe aber auch andere Branchen, vom Gemüsehändler bis zur Pommesindustrie: „Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran.“Die Umsatzeinbußen würden auch nicht durch derzeit höheren privaten Konsum ausgeglichen: „Da muss man im Einzelhandel schon viel Flaschenbier verkaufen.“Allerdings erfordert die Versorgung von Großveranstaltungen auch das entsprechende Equipment – ein Umstand, weshalb sich die kleinere Zwiefaltendorfer Brauerei hier nicht in dem Maße engagiert.
Nach der Fasnet 2020, zu Beginn der Einschränkungen, habe die Zwiefalter Brauerei gerade noch rechtzeitig die Bevorratung zurückfahren können, sagt Baader. Einen Großteil des Fassbiers musste die Brauerei dann aber zurücknehmen. Daraus wurde Industriealkohol als Desinfektionsmittel für heimische Apotheken hergestellt. Aber es musste auch Fassbier, das von den Wirten zurückgenommen und gutgeschrieben wurde, weggeschüttet werden. Von der negativen Entwicklung betroffen seien auch nicht handelslastige Sorten wie alkoholfreies Weizen oder Frischgetränke, die bei Veranstaltungen gerne konsumiert werden. Die Zwiefalter Brauerei gebe für ihre Bierspezialitäten eine Frischegarantie von fünf Monaten. Danach sei das Bier zwar nicht schlecht, verliere aber an Frische. Zu einem kleinen Teil stelle man aus aus bestimmten Chargen Bieressig, Bierbrand und Bierlikör für den BierhimmelHofladen her. Das meiste gehe aber in den „Haustrunk“für die Mitarbeiter.
Beide Brauereichefs hoffen, dass die Gastronomie bald wieder öffnen darf – sowohl aus der Position der Lieferanten wie auch der Betreiber. Allerdings befürchtet Baader, dass dann „die gleiche Zettelwirtschaft wie im letzten Mai“droht. Beiden ist es auch ein Anliegen, dass Brauereigaststätten als Gastronomiebetriebe anerkannt werden. Hier herrsche bezüglich der Anspruchsberechtigung bei den November- und Dezemberhilfen eine Ungleichbehandlung gegenüber Bäckereien oder Metzgereien mit angeschlossenem Café beziehungsweise Imbiss. Das ist auch ein Anliegen eines offenen Briefs des Brauereiverbands an Bund und Länder, den auch Peter Baader mitunterzeichnet hat.