Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Susanne Eisenmann kehrt der Politik den Rücken
Gescheiterte CDU-Spitzenkandidatin im Südwesten zieht Konsequenzen aus Landtagswahl – Sondierung beginnt
STUTTGART (kab) - Susanne Eisenmann zieht sich aus der Politik zurück. Einen entsprechenden Bericht der „Stuttgarter Zeitung“bestätigte ihr Sprecher auf Nachfrage. Überraschend kommt die Entscheidung der Kultusministerin nicht. Bereits am Wahlsonntag hatte die Spitzenkandidatin der Union (Foto: imago images) erklärt: „Für die CDU ist es ein enttäuschendes und desaströses Ergebnis, für das ich als Spitzenkandidatin Verantwortung übernehme.“
Sie strebe auch keine führende Rolle in der Partei mehr an.
Die CDU hatte am Sonntag mit 24,1 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Landespartei eingefahren. Den Einzug in den Landtag hat Eisenmann ebenfalls verpasst. Sie hatte sich in einem Stuttgarter Wahlkreis um ein Mandat beworben.
Wie es für sie persönlich weitergeht, wenn sie wohl im Mai nach der Bildung einer neuen Regierung auch ihr Ministeramt abgibt, ist völlig offen, erklärte Eisenmanns Sprecher – und bestätigte damit ihr früheres Mantra: Die 56-Jährige hatte bis zuletzt im Wahlkampf erklärt, dass sie sich ausschließlich auf die Wahl konzentriere und sich nicht mit einem Plan B beschäftige.
Ohne Eisenmanns Beteiligung wird sich am Mittwoch als Erstes die CDU mit den Grünen zu Gesprächen in Stuttgart treffen. Die Grünen haben die Parteien in der Reihe ihrer Wahlergebnisse zu Sondierungen eingeladen. Am Nachmittag folgen dann SPD und anschließend FDP. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Grünen haben für eine Regierungsbildung die Wahl zwischen erneut Grün-Schwarz und einer Ampelkoalition.
RAVENSBURG - Seit Montag lernen Hunderttausende Schülerinnen und Schüler der Stufen 1 bis 6 wieder in ihren Klassenzimmern. Nach wochenlangem Lockdown und heftigem Streit hatte sich Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hierbei durchgesetzt – trotz grassierender Corona-Mutationen und hoher Infektionszahlen etwa im Landkreis Schwäbisch Hall und in Crailsheim.
Kretschmann hatte bis zuletzt gefordert, dass die Unterstufe nur zurückkehren könne, wenn überall Abstand eingehalten werde. Andernfalls müsse man auch Wechselunterricht in Betracht ziehen – wie er in den Grundschulen bislang angeboten wurde. Eisenmann war gegen eine Kombination aus Präsenz- und Fernunterricht, weil dieser aus ihrer Sicht noch aufwendiger zu organisieren sei und einer Notbetreuung bedürfe, die zu einer Durchmischung der Klassen führe. Nun sind weiterführende Schulen wieder unter der Prämisse geöffnet, dass sie – wenn möglich – den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einhalten sollen, etwa durch eine Aufteilung der Klassen in mehrere Räume. Die Fünft- und Sechstklässler müssen Masken tragen, Grundschüler nicht.
In einigen Schulen hat dieses Konzept am Montag funktioniert. Die kompletten fünften und sechsten Klassen des Albert-Einstein-, Welfenund Spohn-Gymnasiums in Ravensburg etwa seien auf mehrere Räume verteilt worden, berichtet Susanne Lutz, Direktorin des Spohn-Gymnasiums. „Da hat es dann gut geklappt mit den Abständen.“Ausreichend Lehrkräfte seien organisiert, die die Schüler beaufsichtigten. Auch die Pausen habe man so organisieren können, dass die Schülerinnen und Schüler getrennte Räume nutzten, sagt Lutz. Zudem gebe es in allen drei Schulen Antigen-Schnelltests, die die Kinder in Gruppen unter der Aufsicht geschulter Lehrkräfte und mit dem Einverständnis der Eltern selbst durchführen können. Probleme gibt es laut Lutz lediglich bei Fächern wie Biologie und Musik. „Die in Klassenzimmern zu unterrichten, ist nicht ideal, weil die Ausstattung fehlt“, sagt sie. Zudem komme man im Unterricht in getrennten Gruppen nicht so schnell voran wie sonst. Trotzdem hätten sich die Schülerinnen und Schüler darüber gefreut, wieder zum Unterricht zu kommen, resümiert die Schulleiterin.
Doch nicht überall hat die Wiedereröffnung so gut funktioniert wie in Ravensburg. „Das ist schulabhängig“, erklärt Michael Mittelstaedt, Vorsitzender des Landeselternbeirats. Manche Schulen hätten die Infrastruktur, um ihre Klassen aufzuteilen, andere nicht. Auch Elisabeth Schilli vom Landesschülerbeirat sagt, dass die Resonanz seitens der Schulen auf die Wiedereröffnung „sehr unterschiedlich“ausgefallen sei. „Es hängt von vielen Faktoren ab, wie gut das mit dem Abstandhalten geklappt hat“, berichtet sie. Nicht alle Lehrer hätten etwa die Abstandsregeln gleichermaßen umgesetzt. Zudem sei auch die Kursgröße entscheidend gewesen. „Bei kleineren Kursen war das Abstandhalten natürlich eher möglich als bei großen“, sagt Schilli und spricht von verbreiteter Verunsicherung. „Viele haben sich von der Regierung schlecht informiert gefühlt und nicht gewusst, ob die Abstandsregeln nun Vorschrift oder bloß eine Empfehlung seien.“Unklarheit besteht bei vielen Schulen auch in puncto Schnell- und Selbsttests. Ein einheitliches landesweites Konzept vonseiten des Kultusministeriums fehlt bislang. Zuletzt hatte es geheißen, dass Kinder und deren Eltern wie auch die Lehrerinnen und Lehrer zweimal die Woche kostenlos getestet werden können.
Bis zu den Osterferien sollen sich die Eltern nun selbst darum kümmern, dass ihre Kinder sich bei Apotheken, Hausärzten oder kommunalen Anlaufstellen und mobilen Testzentren an Schulen auf das Coronavirus testen lassen. Erst nach den Ferien solle es dann in allen Städten und Gemeinden kommunale Angebote an Schulen oder in der Nähe geben.
„Wir haben bereits im Vorfeld von vielen Grund- und weiterführenden Schulen die Rückmeldung bekommen, dass das Konzept der Landesregierung nicht klappen wird“, sagt derweil Matthias Schneider, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). An Grundschulen gebe es nicht genügend Ausweichräume, an den weiterführenden Schulen fehle indes Personal, weil Lehrer zeitgleich Schüler beaufsichtigen und Fernunterricht halten müssen. „Wir halten das Konzept der Landesregierung – auch in Anbetracht der derzeitigen VirusMutationen – deshalb für fahrlässig.“Schneider plädiert für Wechselunterricht und dafür, dass eine neu gebildete Landesregierung wieder „zur Vernunft kommt“, um die Sicherheit im Schulbetrieb zu gewährleisten.
Zurzeit befinden sich nur die Abschlussklassen im Wechselunterricht. Schülerinnen und Schüler ab Klasse 7 werden weiterhin zu Hause unterrichtet, alle jüngeren dürfen in die Schule. Die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit den Förderschwerpunkten körperliche und geistige Entwicklung, die schon seit dem 11. Januar im Regelbetrieb geöffnet sind, bleiben das auch weiterhin. Für die Grundstufen der SBBZ gelten die Regelungen für die Grundschulen analog.
Wer sein Kind nicht zur Schule schicken will, muss das nicht tun, lautet Eisenmanns Gegenargument – das Kind bekomme alternativ Fernunterricht. Die Präsenzpflicht ist seit Sommer ausgesetzt im Land. Dennoch wünschen sich Eltern- und Schülervertreter wie auch die GEW eine Kursänderung. „Mit der aktuellen Regelung fehlt den Schulen die Gestaltungsfreiheit für ihren Unterricht“, sagt Michael Mittelstaedt. Auch Gerhard Brand, Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung, plädiert angesichts steigender Infektionszahlen für mehr Flexibilität – etliche Kreise gelten als Hotspots, der Kreis Schwäbisch Hall hat den Präzenzunterricht bereits untersagt. „Die Schulen sollten vor Ort in Absprache mit dem Staatlichen Schulamt und Gesundheitsamt selbst über die Art und Weise des Unterrichts entscheiden können“, fordert Brand. Auch der Schülerbeirat tritt für eine regionale Strategie ein. „Denkbar wäre es zum Beispiel, nach Landkreisen mit hohen Infektionszahlen oder einer starken Verbreitung der Corona-Mutationen zu schauen und Schulen dort zu schließen“, sagt Schilli. Denn eine sogenannte Notbremse bei hohem Infektionsgeschehen auf Landkreisebene, wie es sie in anderen Bereichen wie Handel und Kultur gibt, ist in der Bildung nicht vorgesehen.