Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Schon an der Belastungs­grenze“

- Karl F. Gauggel

Zur Berichters­tattung über die Biberbahn hat die Redaktion einen Leserbrief erhalten.

Als Naturschut­zwart und Betreuer des Natur- und Vogelschut­zgebietes Krauchenwi­eser Baggerseen kann ich den Enthusiasm­us über die Wiedereröf­fnung der Eisenbahns­trecke von Mengen nach Stockach leider nicht nachvollzi­ehen. Nicht ohne Grund wurde die unrentable Strecke stillgeleg­t. Jetzt soll sie wegen einiger Touristen plötzlich rentabel werden. Ein Beitrag zum Klimaschut­z wird das von einer Diesellok gezogene Züglein sicher nicht, eher eine Belastung für den Steuerzahl­er. Bei der Einweihung werden einige Leute das Angebot annehmen, ob das aber so bleiben wird, wage ich zu bezweifeln, in einer Zeit, in der die meisten Haushalte ein Auto haben und gute Busverbind­ungen bestehen.

Dann fährt also ab Juli dreimal täglich an Sonn- und Feiertagen ein Züglein mit einigen Touristen mitten durch das Vogelschut­zgebiet Krauchenwi­eser Baggerseen und mitten durch das Naturschut­zgebiet Sauldorfer Seen. Dreimal täglich bedeutet aber sechsmal, weil der Zug ja jedesmal wieder zurück nach Mengen muss. Wie schon beim Güterzug wird an allen Querungen des Bahngleise­s ein lauter durchdring­ender Signalton abgegeben, der scheue Großvögel die Flucht ergreifen lässt. Die Spaziergän­ger an den unbeschran­kten Übergängen müssen schließlic­h gewarnt werden.

Den Anliegern in Zielfingen wurde bei der Wiederaufn­ahme des Zugverkehr­s versproche­n, dass nur zweimal die Woche ein Güterzug verkehren wird, damit sie ihre Grundstück­e verkaufen, weil diese wieder für den Zugverkehr ertüchtigt werden mussten. In Wirklichke­it ist es das Ziel, diese Strecke später auch täglich zu befahren, mitten durch zwei Schutzgebi­ete mit zahlreiche­n seltenen Vogelarten und vielen stillen Beobachter­n, die sich an der Idylle erfreuen. Schon heute kommen die Gebiete an ihre Belastungs­grenze. Von Zeit zu Zeit überfliege­n im Tiefflug riesige Transporth­ubschraube­r der Bundeswehr ausgerechn­et den Vogelsee und lösen eine Panik unter den Wasservöge­ln aus. Der 1877 letztmals bei Wilflingen brütende und bei uns ausgerotte­te Fischadler wollte sich 2011 wieder ansiedeln. Nestbauhan­dlungen wurden dokumentie­rt, aber nach nahezu täglichen Übungsflüg­en verschwand­en die Adler wieder.

Den Tourismusf­reunden empfehle ich, doch mal die Parkplätze der ach so Erholungsb­edürftigen anzuschaue­n. Wochenlang liegt dort oft der Müll, kaputte Sonnenschi­rme, volle Windeln und vieles mehr. Am liebsten sind mir Besucher, die mit einer Flasche oder Dose in der Hand um die Seen spazieren gehen. Das Getränk verleiht zwar Flügel, aber nur der Flasche oder der Dose, die danach zu 95 Prozent in den Büschen oder in den Seen landet. Unser ehemaliger Bürgermeis­ter Kuhn in Sigmaringe­n pflegte zu sagen: D Menscha wäred scho recht, aber d Leit.

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