Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schranken schützen Frösche, Kröten und Molche
Amphibien sind auf dem Weg in ihre Laichgewässer – Ehrenamtliche kümmern sich um Straßensperrungen
HAGNAU - Fortpflanzung kann lebensgefährlich sein. Vor allem für Frösche, Kröten und Molche. Wenn sie sich auf den Weg zum Laichen machen, laufen sie Gefahr, überfahren zu werden. Um die kleinen Tiere zu schützen, lässt das Landratsamt Straßen sperren. Zum Beispiel die Ittendorfer Straße, die von Hagnau durch den Weingartner Wald auf die B 33 führt. Die Schranke ist in Zeiten der Amphibienwanderung im Frühjahr für knapp zwei Monate zwischen 19 und 7 Uhr zu.
Patrick Müller kümmert sich darum, dass die Schranke geschlossen und geöffnet wird. Der Markdorfer betreibt sein Bauunternehmen im Hagnauer Gewerbegebiet und fährt morgens die Strecke sowieso entlang, zumindest unter der Woche. Die Aufgabe hat er von seinem Vater geerbt. „Der Schlüssel ist sicher schon seit 15 Jahren bei uns“, sagt er. Nach dem Tod seines Vaters kümmerte er sich einige Jahre meistens allein um die Schranke. Damals war der Aufwand vor allem abends groß, weil er dann ein zweites Mal nach Hagnau fahren musste, um abzusperren – sieben Tage in der Woche. Inzwischen hat er eine Handvoll Helfer gefunden, die meisten aus Ittendorf, die viele Dienste am Abend übernehmen.
Wann die Amphibien beginnen, in ihre Laichgewässer zu wandern, hängt vom Wetter ab. Sobald im Frühjahr die Temperatur um die fünf Grad Celsius beträgt, ziehen sie wie auf Kommando los. Sie sind nachtaktiv und machen sich bei Einbruch der Dämmerung auf den Weg. Wenn die Böden feucht sind, sind besonders viele der kleinen Tiere unterwegs. „Der Asphalt ist oft wärmer als der Waldboden und dann bleiben sie dort sitzen, um sich aufzuwärmen“, sagt Müller. „Sobald ich die ersten Kröten auf der Straße sehe, mache ich die Schranke zu und spreche es mit dem Landratsamt ab.“Die Straßenmeisterei drehe die Schilder um, sodass sie sichtbar sind, und montiere Lampen auf die Schilder und die beiden Schranken.
Dieses Jahr seien die Amphibien sehr früh dran gewesen, berichtet Wolf Mannes, der Patrick Müller unterstützt. Die ersten seien bereits Anfang Februar in Richtung ihres Laichgewässers gezogen. Das ist ein Tümpel, der sich in Fahrtrichtung Ittendorf auf der rechten Seite befindet und von der Straße aus kaum zu sehen ist. Von einem erneuten Wintereinbruch und verhältnismäßig kräftigen Schneefällen wurde die Wanderung allerdings nochmal unterbrochen. „Wir machen die Beobachtung, dass die Amphibienwanderung immer früher beginnt“, sagt Mannes.
Damit die Amphibien weitgehend ungestört in ihr Laichgewässer wandern können, müssen die Autofahrer, die von der B 33 nach Hagnau fahren wollen, einen Umweg in Kauf nehmen. Doch die Schranke sei akzeptiert, sagt Müller. „Ab und zu wird ein bisschen gemeckert, aber im Großen und Ganzen gibt es keine Diskussionen“, sagt er. Er sei konsequent und lasse niemanden mehr durch, wenn er gerade dabei sei, die Schranken zu schließen. „Das bringt nichts, da kommt sonst immer noch einer.“Ab und zu passiert es, dass noch jemand im Wald ist, während die Schranken geschlossen werden. Wolf Mannes hat zum Beispiel einmal ein Liebespärchen angetroffen. „Ich habe sie gefragt, ob sie im Wald übernachten wollen. Dann haben die sich auf einmal ganz schön beeilt“, sagt er. Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand unbemerkt im Wald zurückgeblieben ist. „Wir haben aus Versehen mal Touristen eingeschlossen, die ihr Auto auf dem Parkplatz abgestellt hatten“, berichtet Müller. Die seien dann zu Fuß weitergegangen und am nächsten Morgen schon an der Schranke gestanden, als er sie öffnen wollte. „An sich passiert das aber nicht“, sagt Müller.
Insgesamt dauert die Amphibienwanderung eineinhalb bis zwei Monate. Mitte April, etwa um Ostern herum, sollten alle Kröten, Frösche und Molche am Tümpel angekommen sein, um dort ihre Eier abzulegen. Die Rückwanderung dürfte für die Amphibien aus dem Weingartner
Wald deutlich gefährlicher sein: Über das restliche Jahr bleibt die Schranke geöffnet.
Dass in dem Wald, der eigentlich wirtschaftlich stark genutzt wird, viel Leben ist, zeigten die Erhebungen bei der Trassensuche für die B 31-neu. Dabei stellten die Experten unter anderem fest, dass im Wald die streng geschützten Gelbbauchunken leben. Sie stuften den Weingartner Wald als überregional bedeutsamen Lebensraum ein.