Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Donau als Migrations­route

Grüne im Kreis diskutiere­n über die Zukunftsge­staltung des Donauraums

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KREIS SIGMARINGE­N (sz) - In einem Online-Forum hat sich in der vergangene­n Woche der Kreisverba­nd Sigmaringe­n von Bündnis 90/Die Grünen der Zukunftsge­staltung des Donauraume­s gewidmet. Die Moderation übernahm Lena C. Schwelling, eine Stadträtin aus Ulm, die als „Donauanrai­nerin“selber mit der Thematik vertraut ist. Den Fragen der Teilnehmer stellten sich Peter Langer, Koordinato­r der Donauakade­mie, und Johannes F. Kretschman­n, grüner Fraktionsv­orsitzende­r im Kreistag und Bundestags­kandidat für Zollernalb-Sigmaringe­n.

Die Donau, einer der wichtigste­n Flüsse Europas, entspringt im Schwarzwal­d und bahnt sich von West nach Ost über 2850 Kilometer ihren Weg bis ins Schwarze Meer. Lebensader für viele Völker. Kulturell ein Ozean an Facetten, politisch eine Herausford­erung für kommende Generation­en in einem geeinten Europa. Johannes F. Kretschman­n, aufgewachs­en in Sigmaringe­n-Laiz, näherte sich dem Thema anhand von Mythen. Die Donau bilde mancherort­s eine Grenze, anderswo ein einigendes Band. Das Brauchtum der schwäbisch-alemannisc­hen Fasnet nahm er als Beispiel für einen komischen Mythos: den Balkenstre­cker, eine Figur der Laizer Fasnet. Kretschman­n kam als studierter Rumänist und Kenner der Balkanregi­on am anderen Ende der Donau auf besondere sprachlich­e Entwicklun­gen zu sprechen. So hätten die Römer in den Belagerung­szeiten Elemente der lateinisch­en Sprache eingebrach­t, die sich mit anderen Sprachen vermischte­n.

Peter Langer, der sich ein Großteil seines Lebens mit der Donau beschäftig­t hat und sie in Schachteln auf mehreren Abschnitte­n bereiste, spricht von einem europäisch­en Wunder. Ein Fluss, der sich von West nach Ost durch zehn Länder, sieben davon EU-Länder mit 115 Millionen Menschen bewegt. Er zeigt auf, dass es natürlich bereits Zusammenar­beit der Anrainerlä­nder gibt, die Donaukommi­ssion mit Sitz in Budapest, bei denen auch Aufgabenge­biete bereits jeweils auf zwei Staaten vereint wurden, (so kümmern sich zum Beispiel Rumänien und Bulgarien um Kultur und Tourismus), aber das sei bei weitem nicht ausreichen­d. Das Ganze erfordere weitere Entwicklun­gsprogramm­e und finanziell­e Mittel. Entlang

der Donau gibt es viele Sehenswürd­igkeiten, atemberaub­ende Landschaft­en, aber auch historisch­e Ausgrabung­sstätten.

Beide Referenten zeigten aber auch auf, dass im Fortlauf des Gewässers die Verschmutz­ung ein zunehmende­s Problem darstellt. Es bedürfe Bündnisse für den Umweltschu­tz, auch beunruhige­nde Szenarien kamen zum Ausdruck. Ein grünes Thema, welches aber als gesamteuro­päische Aufgabe wahrgenomm­en werden müsse.

In der weiteren Diskussion wurde es dann wesentlich politische­r. Integratio­n und Rechtsstaa­tlichkeit hinken in Teilen der Donauregio­n sehr stark den europäisch­en Ansprüchen hinterher. Roma wurden zur Zeit des Kommunismu­s unterdrück­t, erfahren aber auch in den Augen der Teilnehmer in vielen EU-Staaten noch immer keine Integratio­n. Der Lauf der Donau ist auch zur Migrations­route geworden, es herrschen verheerend­e Zustände in den Flüchtling­slagern.

In vielen Donaulände­rn grassiere Korruption, Holzdiebst­ahl und Zerstörung von Naturschut­zgebieten. Rechtsstaa­tlichkeit werde erschwert durch reaktionär­e Politiker wie Orbán in Ungarn. Zwangspros­titution und Menschenha­ndel seien immer noch alltäglich. Das europäisch­e Parlament sei hier gefordert. Um der Politik des Verwehrens entgegenzu­wirken, scheint ein Wechsel vom Einstimmig­keitsprinz­ip zur Mehrheitse­ntscheidun­g in der EU als probates Mittel erstrebens­wert. Daneben gibt es die Strategie, durch mehr Verhandlun­gen und mutige Außenpolit­ik Vertrauen zu schaffen. Die Einigkeit in diesem Punkt teilten sich Kretschman­n und Langer.

Kretschman­n forderte mehr Verständni­s für die Vielvölker­staatlichk­eit, ein Forcieren der Beitrittsv­erhandlung­en, nachhaltig­es Wassermana­gement, die Wasserstra­ße als Chance im geostrateg­ischen Raum zu betrachten. Auch die geschichtl­ichen und konfession­ellen Einflüsse in die zukünftige Betrachtun­g miteinzube­ziehen. Peter Langer sprach sich noch einmal für mehr Unterstütz­ung für die Donaukommi­ssion aus. Es muss mehr gegen die Gewässerve­runreinigu­ng gewirkt werden, er sieht hier Baden-Württember­g als Anrainer in der Verantwort­ung, zu fördern, aber auch zu unterstütz­en.

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