Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Auf der Couch durch Sigmaringen
Wie Internetnutzer Einrichtungen in der Stadt bewerten.
SIGMARINGEN - Irgendwie passt das Wetter nicht, die Lust muss auch erst noch gefunden werden und dann hat Dank Corona so gut wie nichts in Sigmaringen geöffnet. Perfekte Bedingungen also für einen ausgedehnten Stadtrundgang – ohne Maske, Abstand und Hygieneregeln. Dafür mit Sternen (maximal fünf) und Kommentaren auf Google Maps. Ganz bequem vom heimischen Sofa aus. Danke, Internet.
Los geht’s am Bahnhof. Einem Ort, der bei einigen Internetnutzern augenscheinlich nicht zu den beliebtesten gehört. Einer schreibt, „der Bahnhof ist ein Witz“, ein anderer meint: „der größte Saftladen“. Der Sternedurchschnitt: 2,3. Und dann wird er auch noch als „schmuddelig“und „sehr schmutzig“beschrieben. Die fehlende Barrierefreiheit ist zudem Thema einiger (negativer) Kommentare. Also weiter in den Prinzengarten. Der Sternedurchschnitt steigt direkt auf 4,0.
Für einen Nutzer ist es ein „gepflegtes Stück Grün mitten in Sigmaringen“, eine Nutzerin erklärt: „Wenn ich auf den Anschluss warten muss, geh ich gerne im Park spazieren.“Scheinbar hat sich in den vergangenen Jahren aber etwas geändert, sonst müsste eine Nutzerin womöglich nicht so kommentieren: „Nicht mehr so schön wie vor 20 Jahren“. Das waren noch Zeiten. Laut eines anderen Nutzers dennoch ein „Ort für schöne Spaziergänge“. Letzterer geht jetzt weiter, vorbei am Hedinger Kloster (Durchschnitt: 3,4 Sterne. „Auch verschlossen am helllichten Tag. Von außen sehenswert“) hoch in die Karlstraße.
Betrachtet man die Bewertungen bei Google für einige Einrichtungen in der Karlstraße, reiht sich hier angeblich ein Debakel ans andere. Hinter den Fenstern und Türen des Finanzamts (Sternedurchschnitt 2,8) wird eine „verschlafene Gesellschaft“vermutet, einer geht sogar so weit und behauptet: „Das schlechteste Finanzamt, das ich kenne.“Andere hingegen loben „kompetente“, „nette“und sogar „sehr nette“Mitarbeiter. Ein paar Meter weiter sinkt der Sternedurchschnitt im Amtsgericht auf 1,7. Hier wird mit der digitalen Faust ordentlich gegen das Grundbuchamt ausgeteilt. Die „Erreichbarkeit ist ein absoluter Witz“, heißt es da unter anderem. Ein Kommentar richtet sich direkt an die Justiz: „Die wollen mich hops nehmen wegen bisschen Brokkoli“. Klar, dass es dafür nur einen Stern gibt.
Nebenan bei der Polizei leuchten die Sterne (Schnitt: 3,1) dann schon wieder etwas heller. Denn „die braucht man“und dort sei man „nett und hilfsbereit“heißt es bei den Bewertungen – die aber auch negativ ausfallen: „absolut zu nichts zu gebrauchen“, schreibt ein Nutzer. Wir machen einen kurzen Abstecher zur Agentur für Arbeit. Während es bergauf geht, scheint der Sternedurchschnnitt die andere Richtung zu nehmen: 2,1. Einer „würde am liebsten keinen Stern geben“, ein anderer schreibt: „nervt, ständig hin zu müssen. Hilft eh nicht.“Für andere lief es vor Ort wohl besser, wie dieser Kommentar vermuten lässt: „Hatte heute ein freundliches und zielführendes Gespräch mit der zuständigen Beraterin. Habe mich gut aufgehoben gefühlt.“
Wieder in der Karlstraße zeigt sich, dass das Amtsgericht lediglich auf einen Sterneschnitt von 2,5 kommt. Immerhin, ein Kommentator vertraut „der Gerechtigkeit Deutschlands“. Das evangelische Gotteshaus schafft es gegenüber als „sehr schöne Kirche“auf einen Schnitt von 4,0.
Vorbei am Staatsarchiv (äußerst positiv bewertet, Sternedurchnitt 4,8) geht es hoch zum Schloss, das bereits 3448-mal bewertet wurde und auf einen Sternedurchschnitt von 4,6 kommt. Viele zeigen sich angetan von der „Schönheit des Schlosses“und dem „beeindruckenden Bauwerk“. Es gibt aber auch negative Stimmen. Ein Kommentator findet es „langweilig und alt“, andere bemängeln die Barrierefreiheit oder die Preise: „Eintrittspreis ist kaiserlich zu nennen für das, was geboten ist“.
Bis jetzt ein ganz schön straffes Programm. Trotzdem noch fix zur Josefskapelle. Die These vom Weg zum Arbeitsamt bestätigt sich hier nicht. Die Kapelle kommt auf einen Schnitt von 4,4. Ist halt toll hier und „man kann das Schloss und die Altstadt
von oben bewundern“steht da unter anderem in den Rezensionen. Ab in Richtung Donau, am Freibad vorbei (4,3 Sterne im Schnitt, „das Schwimmbad selbst hat überzeugt“) zur Hängebrücke (Schnitt: 4,4), dort gibt es von einem Nutzer eine klare Empfehlung: „Wenn man dort ist, mitnehmen“. Hoffentlich das Erlebnis, nicht die die Brücke.
Ganz schön viele Eindrücke für einen Spaziergang. Dann noch kurz zum Aussichtspunkt Mühlberg (4,5 Sterne), den ein Nutzer gerne „Müllberg“nennen würde. Zurück am Bahnhof werfen wir noch einen Blick auf den Fahrradstellplatz. Oh, nur eine Bewertung und ein Stern samt Kommentar: „Ich hasse Fahrräder“. Na dann. Schnell raus aus dem Internet und rein ins „echte“Leben.