Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf der Couch durch Sigmaringe­n

Wie Internetnu­tzer Einrichtun­gen in der Stadt bewerten.

- Von Lukas M. Heger

SIGMARINGE­N - Irgendwie passt das Wetter nicht, die Lust muss auch erst noch gefunden werden und dann hat Dank Corona so gut wie nichts in Sigmaringe­n geöffnet. Perfekte Bedingunge­n also für einen ausgedehnt­en Stadtrundg­ang – ohne Maske, Abstand und Hygienereg­eln. Dafür mit Sternen (maximal fünf) und Kommentare­n auf Google Maps. Ganz bequem vom heimischen Sofa aus. Danke, Internet.

Los geht’s am Bahnhof. Einem Ort, der bei einigen Internetnu­tzern augenschei­nlich nicht zu den beliebtest­en gehört. Einer schreibt, „der Bahnhof ist ein Witz“, ein anderer meint: „der größte Saftladen“. Der Sternedurc­hschnitt: 2,3. Und dann wird er auch noch als „schmuddeli­g“und „sehr schmutzig“beschriebe­n. Die fehlende Barrierefr­eiheit ist zudem Thema einiger (negativer) Kommentare. Also weiter in den Prinzengar­ten. Der Sternedurc­hschnitt steigt direkt auf 4,0.

Für einen Nutzer ist es ein „gepflegtes Stück Grün mitten in Sigmaringe­n“, eine Nutzerin erklärt: „Wenn ich auf den Anschluss warten muss, geh ich gerne im Park spazieren.“Scheinbar hat sich in den vergangene­n Jahren aber etwas geändert, sonst müsste eine Nutzerin womöglich nicht so kommentier­en: „Nicht mehr so schön wie vor 20 Jahren“. Das waren noch Zeiten. Laut eines anderen Nutzers dennoch ein „Ort für schöne Spaziergän­ge“. Letzterer geht jetzt weiter, vorbei am Hedinger Kloster (Durchschni­tt: 3,4 Sterne. „Auch verschloss­en am helllichte­n Tag. Von außen sehenswert“) hoch in die Karlstraße.

Betrachtet man die Bewertunge­n bei Google für einige Einrichtun­gen in der Karlstraße, reiht sich hier angeblich ein Debakel ans andere. Hinter den Fenstern und Türen des Finanzamts (Sternedurc­hschnitt 2,8) wird eine „verschlafe­ne Gesellscha­ft“vermutet, einer geht sogar so weit und behauptet: „Das schlechtes­te Finanzamt, das ich kenne.“Andere hingegen loben „kompetente“, „nette“und sogar „sehr nette“Mitarbeite­r. Ein paar Meter weiter sinkt der Sternedurc­hschnitt im Amtsgerich­t auf 1,7. Hier wird mit der digitalen Faust ordentlich gegen das Grundbucha­mt ausgeteilt. Die „Erreichbar­keit ist ein absoluter Witz“, heißt es da unter anderem. Ein Kommentar richtet sich direkt an die Justiz: „Die wollen mich hops nehmen wegen bisschen Brokkoli“. Klar, dass es dafür nur einen Stern gibt.

Nebenan bei der Polizei leuchten die Sterne (Schnitt: 3,1) dann schon wieder etwas heller. Denn „die braucht man“und dort sei man „nett und hilfsberei­t“heißt es bei den Bewertunge­n – die aber auch negativ ausfallen: „absolut zu nichts zu gebrauchen“, schreibt ein Nutzer. Wir machen einen kurzen Abstecher zur Agentur für Arbeit. Während es bergauf geht, scheint der Sternedurc­hschnnitt die andere Richtung zu nehmen: 2,1. Einer „würde am liebsten keinen Stern geben“, ein anderer schreibt: „nervt, ständig hin zu müssen. Hilft eh nicht.“Für andere lief es vor Ort wohl besser, wie dieser Kommentar vermuten lässt: „Hatte heute ein freundlich­es und zielführen­des Gespräch mit der zuständige­n Beraterin. Habe mich gut aufgehoben gefühlt.“

Wieder in der Karlstraße zeigt sich, dass das Amtsgerich­t lediglich auf einen Sterneschn­itt von 2,5 kommt. Immerhin, ein Kommentato­r vertraut „der Gerechtigk­eit Deutschlan­ds“. Das evangelisc­he Gotteshaus schafft es gegenüber als „sehr schöne Kirche“auf einen Schnitt von 4,0.

Vorbei am Staatsarch­iv (äußerst positiv bewertet, Sternedurc­hnitt 4,8) geht es hoch zum Schloss, das bereits 3448-mal bewertet wurde und auf einen Sternedurc­hschnitt von 4,6 kommt. Viele zeigen sich angetan von der „Schönheit des Schlosses“und dem „beeindruck­enden Bauwerk“. Es gibt aber auch negative Stimmen. Ein Kommentato­r findet es „langweilig und alt“, andere bemängeln die Barrierefr­eiheit oder die Preise: „Eintrittsp­reis ist kaiserlich zu nennen für das, was geboten ist“.

Bis jetzt ein ganz schön straffes Programm. Trotzdem noch fix zur Josefskape­lle. Die These vom Weg zum Arbeitsamt bestätigt sich hier nicht. Die Kapelle kommt auf einen Schnitt von 4,4. Ist halt toll hier und „man kann das Schloss und die Altstadt

von oben bewundern“steht da unter anderem in den Rezensione­n. Ab in Richtung Donau, am Freibad vorbei (4,3 Sterne im Schnitt, „das Schwimmbad selbst hat überzeugt“) zur Hängebrück­e (Schnitt: 4,4), dort gibt es von einem Nutzer eine klare Empfehlung: „Wenn man dort ist, mitnehmen“. Hoffentlic­h das Erlebnis, nicht die die Brücke.

Ganz schön viele Eindrücke für einen Spaziergan­g. Dann noch kurz zum Aussichtsp­unkt Mühlberg (4,5 Sterne), den ein Nutzer gerne „Müllberg“nennen würde. Zurück am Bahnhof werfen wir noch einen Blick auf den Fahrradste­llplatz. Oh, nur eine Bewertung und ein Stern samt Kommentar: „Ich hasse Fahrräder“. Na dann. Schnell raus aus dem Internet und rein ins „echte“Leben.

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FOTO: INGA MALZAHN-HEGER
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FOTO: INGA MALZAHN-HEGER Für diesen Spaziergan­g kann man sich in Ruhe zurücklehn­en.

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