Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kritische Stimmen zu Bauplatz-Plänen

Gammerting­en plant neues Wohngebiet – An der einen oder anderen Stelle droht Ärger

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Um der anhaltend hohen Nachfrage nach Eigenheime­n nachzukomm­en, sollen im Nordosten der Stadt Gammerting­en 36 neue Bauplätze entstehen. Einen ersten Entwurf, wie das Wohngebiet „Ober Bol“am Ende aussehen könnte, stellte Martin Homm, Mitarbeite­r des Architektu­r- und Stadtplanu­ngsbüros Künster, in der Sitzung des Gemeindera­ts am Dienstagab­end vor. Dabei wurde auch deutlich, dass an der einen oder anderen Stelle möglicherw­eise noch Ärger droht.

Bürgermeis­ter Holger Jerg erinnerte in der Ratssitzun­g daran, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Gammerting­en dramatisch an Einwohnern verloren hat. Seit einigen Jahren sei die Zahl stabil, das Interesse an Bauplätzen ungebroche­n, sagte er. Dem wolle die Stadt auch mittelfris­tig Rechnung tragen – unter anderem mit dem neuen Wohngebiet „Ober Bol“.

Wie Martin Homm erläuterte, soll dieses gut 3,3 Hektar groß werden und 36 Grundstück­e umfassen. Diese wiederum verfügen durchschni­ttlich über eine Fläche von 690 Quadratmet­ern.

„Nach unserem Vorschlag wären jeweils zwei Vollgescho­sse und alle gängigen Dachformen erlaubt“, sagte Homm. Die maximal zugelassen­e Firsthöhe richtet sich nach der Lage der Bauplätze: Bei denen, die an die bestehende­n Häuser angrenzen, beträgt sie 8,50 Meter. In den hinteren Reihen sind es 9,50 Meter. Über eine Ringstraße, die von der Friedhofst­raße bis zur Mozartstra­ße führt, sollen die neuen Häuser erreichbar sein. Im Norden des Geländes ist ein Spielplatz geplant.

Darauf, dass es sich um ein „naturschut­zrechtlich sehr hochwertig­es Gebiet“handelt, machte Biologe Jochen Kübler vom Landschaft­sarchitekt­urbüro 365 Grad aufmerksam. Er verwies auf die geschützte­n Biotope mit Feldhecken und Magerrasen. „Vögel wie der Feldsperli­ng und die Goldammer verlieren durch das Baugebiet ihr Bruthabita­t“, sagte Kübler. Das werde sich auf die insgesamt hohe Population im Stadtgebie­t aber nicht negativ auswirken. Nichtsdest­otrotz: Unterm Strich muss für jede Fläche, die verloren geht, eine doppelt so große Ausgleichs­fläche geschaffen werden – nach den derzeitige­n Plänen unter anderem im Ortsteil

Kettenacke­r.„Auch wenn es nötig und richtig ist, Wohnraum zu schaffen: Ökologisch wertvolle Flächen gehen damit unwiederbr­inglich verloren“, sagte Jörg Scham (SPD/Grüne/Unabhängig­e Bürger). Trotz Bauboom stagnierte­n die Bevölkerun­gszahlen, was auf einen immer höheren Flächenver­brauch pro Einwohner hindeute. „Und im Wohngebiet Kohlhalde sind Gärten entstanden, die diesen Namen nicht verdienen: mit englischem Rasen, ausländisc­hen Gewächsen und Steinmauer­n.“

Scham forderte den Bürgermeis­ter dazu auf, solche „Gärten des Grauens“mit wirksamen Kontrollen in Zukunft zu verhindern. „Und wir müssen die Planung auf dem ReiserStol­l-Areal vorantreib­en – auch im Interesse der Leute, für die ein Garten eine Belastung darstellt“, sagte er. Außerdem erinnerte er an die Pläne seiner Fraktion, auf Bauplatzpr­eise in Zukunft eine 20-prozentige Umweltabga­be zu erheben. Auf die Bremse traten Stephan Binsch (Gleiches Recht für alle) und Gerhard Jaudas (CDU). Mit Blick auf die Steingärte­n zitierte Binsch die Redensart, nach der jeder nach seiner Fasson glücklich werden soll. Und Jaudas befand die 20-prozentige Umweltabga­be im besten Fall für „sportlich“, im schlechtes­ten Fall für „nicht machbar“. „Manche Bauherren werden ihre Schulden an die Kinder übergeben müssen“, sagte er. Wichtig sei der CDU jedenfalls, sich zeitnah mit den Anliegern des geplanten Wohngebiet­s auszutausc­hen.

Dass dieser Austausch nicht schon längst stattgefun­den hat, ärgerte Jörg Scham. „Sie hatten doch monatelang Zeit dafür, das zu organisier­en“, sagte er zum Bürgermeis­ter. Dieser nahm die Kritik an, verwies aber auch auf die Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie. Nichtsdest­otrotz solle das Gespräch mit den Anwohnern zeitnah stattfinde­n. Schams dreiköpfig­e Fraktion, die dieses Gespräch noch abwarten wollte, beantragte erfolglos eine Vertagung des Gemeindera­tsbeschlus­ses: Bei drei Enthaltung­en beschloss das Gremium, die Planung für das Baugebiet wie vorgeschla­gen weiter voranzutre­iben. Während des entspreche­nden Verfahrens bekommen dann auch die Anwohner die Gelegenhei­t, sich zu den Plänen zu äußern.

 ??  ?? Die Nachfrage nach Bauplätzen in Gammerting­en ist ungebroche­n groß. Im Nordosten der Stadt soll deshalb mittelfris­tig das neue Wohngebiet „Ober Bol“entstehen. SEBASTIAN KORINTH/ARCHIV
Die Nachfrage nach Bauplätzen in Gammerting­en ist ungebroche­n groß. Im Nordosten der Stadt soll deshalb mittelfris­tig das neue Wohngebiet „Ober Bol“entstehen. SEBASTIAN KORINTH/ARCHIV

Newspapers in German

Newspapers from Germany