Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Modehaus öffnet mit Klopapier und Wein
Ordnungsamt gibt dank Eintrag im Handelsregister grünes Licht.
SIGMARINGEN - Der Einzelhandel bleibt weiterhin geschlossen: Seit der Notbremse, die seit rund einer Woche greift, ist nicht einmal das sogenannte Click and Meet erlaubt. Trotzdem stehen beim Sigmaringer Modehaus Robben an der Schwabstraße seit Samstag die Türen wieder offen. Inhaberin Ursula Robben begründet das mit einem umgestellten Sortiment: Nur noch 40 Prozent der für Kunden geöffneten Verkaufsfläche besteht aus Bekleidung, der Rest umfasst Produkte für Babys, Lebensmittel und Hygieneartikel. Es ist das erste Geschäft in Sigmaringen, das auf diese Weise wieder öffnet. Doch das ist laut Wirtschaftsministerium nur unter bestimmten Umständen erlaubt.
Die Idee dafür hat Robben aus Emmendingen, wo ein Kollege ein ähnliches Konzept in die Wege geleitet hat. „Ich dachte, das ist eine geniale Idee und wir wollten ohnehin eine Babyfläche eröffnen“, sagt sie. Also habe sie mit ihrem Team vergangene Woche die Sortimentserweiterung umgesetzt. Da sie ohnehin häufig Aktionsware und Geschenkartikel im Geschäft hätten, sei es naheliegend gewesen, dieses Sortiment auszubauen. 40 Prozent der Fläche bleiben für Textilien, die auch gekauft werden können. Dadurch umgeht das Modehaus den Lockdown. Das Sigmaringer Ordnungsamt hat am Freitag grünes Licht gegeben.
Die Begründung: In einer Teilfläche werde in Anlehnung an das Verkaufssortiment von Babyfachmärkten – welche zum geöffneten Fachhandel gehören – Produkte für Babys und Kleinkinder angeboten, die teilweise bereits im Sortiment gewesen seien, so Petra Kasper von der Stadt. In der Restfläche werde ein Mischsortiment angeboten, was das Modehaus im Handelsregister vermerkt hat „Das aktuelle Mischangebot mit Waren aller Art und Bekleidung steht nach vorliegendem Konzept in einem Verhältnis, das die Öffnung rechtfertigt“, so Kasper.
Etwas anders argumentiert das Landeswirtschaftsministerium. Hat ein Geschäft bereits ein Mischsortiment, darf es weiter öffnen, sofern der erlaubte Sortimentsanteil mindestens 60 Prozent des Umsatzes beträgt. Dieser Sortimentsanteil musste aber bereits vor dem Lockdown angeboten worden sein. „Die Regelung soll künstliche Sortimentsverschiebungen verhindern“, so Marius Ritter, Sprecher des Ministeriums. Die Begründung: Drogerien beispielsweise werden zur Versorgung mit Lebensmitteln oder Hygieneartikeln aufgesucht, Bekleidung werde dort bei dieser Gelegenheit mitgekauft, sagt Ritter. Bei Bekleidungsgeschäften wiederum solle durch das erweiterte Sortiment ein Anreiz geschaffen werden, den Laden zu betreten. Somit ist die Erweiterung des Sortiments, um öffnen zu können, verboten.
Ein ungutes Gefühl, bei dem aktuell hohen Inzidenzwert zu öffnen, hat Martin Robben, Bruder der Inhaberin, nicht. Dafür gebe es ein Hygienekonzept im Geschäft, das Desinfektionsmittel, Abstandshinweise und eine begrenzte Kundenzahl beinhaltet. Er ist sich sicher: „Der klassische Einzelhandel hat wenig Einfluss auf die Inzidenz.“Die Gefahr, sich anzustecken, sieht er eher in Supermärkten und privaten Treffen.
Der Grund für den Schritt Ursula Robbens scheint ernst. „Wir öffnen, um zu überleben“, sagt sie. Dadurch wolle sie auch das Bestehenbleiben der Innenstadt sichern, denn diese mache auch der Einzelhandel aus. Ihr sei es wichtig, einen guten und gesunden Umgang mit der Pandemie zu finden, ohne die Geschäfte sterben zu lassen.
Auch der Bad Saulgauer Herrenmodehändler Baykal Ünal hat seit einigen Tagen mit erweitertem Sortiment geöffnet. Noch mindestens vier weitere Einzelhändler hätten ihre Geschäfte seinem Beispiel folgend nachgezogen, so Ünal. Dagegen hat das Bad Saulgauer Ordnungsamt aber etwas einzuwenden: „Das Ordnungsamt entscheidet hier nicht“, erklärt Stadtsprecher Thomas Schäfers auf Nachfrage. „Das Wirtschaftsministerium hat eine präzise Ansage gemacht, was gilt. Wer dagegen verstößt, muss mit Kontrollen und Konsequenzen rechnen.“
Geschäftsleute aus Pfullendorf und Mengen hätten Ünal wegen seiner Idee ebenfalls angerufen.
Auch die Kunden im Sigmaringer Modehaus Robben seien aufgeschlossen, so Ursula Robben. Sie wünscht sich nun viele Nachahmer in der Innenstadt.