Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Viele Pendler verlassen den Kreis
So ist die Lage in der Kreisgrenzregion auf der Schwäbischen Alb.
GAMMERTINGEN (sz/job) - Auch in Zeiten von Lockdown und Homeoffice bleibt die Zahl der Pendler im Kreis Sigmaringen auf einem hohen Level: 19 300 Menschen verließen auch 2020 auf dem Weg zur Arbeit den Kreis. Darauf macht die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) in einer Pressemitteilung aufmerksam.
Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Demnach stieg die Zahl der sogenannten Auspendler im Kreis Sigmaringen im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent.
Zu den Hauptursachen für die anhaltend großen Pendelströme zählt nach Einschätzung der IG BAU Südwürttemberg der teure Wohnraum in den Städten. Deshalb fordert die Gewerkschaft mehr Anstrengungen bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. „Deutlich mehr Wohnungen, die sich in den Städten auch Geringund Normalverdiener leisten können, sind ein entscheidender Beitrag, um die Pendler-Zahlen zu verringern“, sagt Harnack.
Dafür müsse die Politik klare Vorgaben machen, etwa indem kommunale Grundstücke nicht an den Meistbietenden verkauft würden, sondern an Bauherren, die sich zu bezahlbaren Mieten verpflichteten. Beim sozialen Wohnungsbau müssten die staatlichen Fördermittel massiv aufgestockt werden und einmal gebaute Sozialwohnungen dauerhaft preisgebunden bleiben.
Doch wie ist die Situation in dem zur Schwäbischen Alb gehörenden Teil des Kreises Sigmaringen, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zollernalbkreis und dem Kreis Reutlingen liegt?
In Gammertingen liegt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Informationen der Stadt bei 3441 (Stand 30. Juni 2020). Davon sind 620 im produzierenden
Gewerbe, 699 in Handel und Verkehr und 2122 im sozialen und Dienstleistungsbereich tätig. Wegen ihres Berufs pendeln 2249 Menschen nach Gammertingen und 1578 von Gammertingen nach außerhalb.
Laut Mike Hummel, Marketingleiter der Gammertinger Firma Reifen Göggel, wohnen zirka 70 Prozent seiner insgesamt 140 Mitarbeiter in Gammertingen und der näheren Umgebung. „Rund 20 Prozent kommen aus dem Zollernalbkreis und circa zehn Prozent aus dem Kreis Reutlingen“, schätzt Hummel. Er selbst wohne in Inzigkofen im Kreis Sigmaringen und habe dadurch eine aus seiner Sicht „erträgliche“Anfahrt
von rund 20 Kilometern zum Arbeitsplatz.
„Die Stadt Hettingen bietet im Vergleich zu ihrer Einwohnerzahl vielen Menschen einen Arbeitsplatz“, sagt Dagmar Kuster, die Bürgermeisterin von Hettingen. Bei 1790 Einwohnern (Stand 30. Juni 2020) habe die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bei 1039 gelegen. „Davon sind 779 Menschen im produzierenden Gewerbe tätig, die Mehrheit davon im Maschinenbau“, so die Bürgermeisterin. 758 Einwohner Hettingens haben ihren Arbeitsplatz vor Ort in der Stadt. Beim Pendlerverkehr sei die Stadt im Plus, auf 830 Einpendler kommen 549 Auspendler. Die Firma Trumpf in Hettingen konnte eine Anfrage der Redaktion zu den Pendlerbewegungen in ihrer Belegschaft nicht rechtzeitig bis Redaktionsschluss beantworten.
Von den 1048 Erwerbstätigen in Neufra pendeln nach Informationen des statistischen Landesamts 825 nach auswärts, und 269 von auswärts in die Gemeinde. 223 Einwohner haben ihren Arbeitsplatz im Ort. „Viele Berufstätige aus unserer Gemeinde pendeln nach Albstadt im Zollernalbkreis zu den großen dort ansässigen Betrieben wie Groz-Beckert, Gühring und Assa Abloy“, sagt Bürgermeister Reinhard Traub. Es gebe aber auch Pendler, die in Albstadt bei kleineren Betrieben und Firmen ihr Einkommen haben.
Nur vereinzelt pendelten Beschäftigte in den Landkreis Reutlingen. In wenigen Fällen fahren die Einwohner von Neufra weiter bis in den Landkreis Böblingen (Sindelfingen), nach Tübingen oder sogar in die Landeshauptstadt Stuttgart. „Ein wichtiger Arbeitgeber für Neufraer Arbeitnehmer innerhalb des Landkreises Sigmaringen ist die Firma Trumpf in Hettingen“, so Traub. Auch die Pflegeeinrichtung Mariaberg in Gammertingen sei für die Neufraer ein wichtiger Arbeitgeber in unmittelbarer Nähe.