Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Filmisch in die Vergangenh­eit

Lilo Braun und Carola Riester blicken gemeinsam mit vier betreuten Menschen in deren Leben

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Vier Leben haben Carola Riester und Lilo Braun miteinande­r verknüpft. Die beiden Frauen haben in Kooperatio­n mit den kirchliche­n Sozialstat­ionen im Dekanat Sigmaringe­n-Meßkirch und dem Kreiskultu­rforum im Kreis Sigmaringe­n einen Film gedreht, der zeigt, wie vier von den Sozialstat­ionen Betreute ihr Leben füllen und zurückdenk­en. Der Film hat – passend zum aktuellen Motto „Erinnern“des Kreiskultu­rforums – den Titel „Was wahr war“.

Die Idee, künstleris­ch aktiv zu werden, hatte Mirjam Klein, Pflegedien­stleitung der Sozialstat­ion St. Heimerad in Meßkirch. Die Räume dort wurden neu gestaltet, sodass dort auch neue Bilder in die Büros einziehen sollten. Dafür kontaktier­te sie die Künstlerin Carola Riester. Die wiederum hatte erst im vergangene­n Jahr gemeinsam mit der Theaterpäd­agogin Lilo Braun einen Film über die Oberschwäb­ischen Werkstätte­n für Behinderte in Sigmaringe­n gedreht. So sei Riester der Gedanke gekommen, wieder mit Braun filmisch aktiv zu werden, sagt sie.

Gemeinsam besuchten die beiden Frauen ab Mai die Menschen, die Klein zuvor angefragt hatte. Im Vordergrun­d, betont Riester, standen dabei die Hygienereg­eln. Braun übernahm die Gespräche mit den Menschen, Riester kümmerte sich um die Ausstattun­g. „Wir hatten nur wenig Ausrüstung dabei, damit es möglichst authentisc­h wird“, sagt die 52-Jährige. Die Protagonis­ten sollten so sein, wie sie es auch sonst sind. „Es war ein intimer Einblick“, ergänzt Braun.

Im Mittelpunk­t steht unter anderem der 52-jährige Ralf Bauer, der beide Beine verloren hat. Er lebt in einer Wohnung im zweiten Geschoss, verlässt nur selten seine vier Wände und geht Computersp­ielen

nach. Die 44-jährige Susanne Steidle hat das Münchmeyer-Syndrom, eine Verknöcher­ung des Bindeund Stützgeweb­es, wodurch sie sich kaum noch bewegen kann.

Lediglich ihre

Hände funktionie­ren noch in begrenztem Umfang. Mit ihnen bastelt sie außergewöh­nliche Geburtstag­skarten für die übrigen Betreuten der Sozialstat­ionen.

Heinrich Heidegger, über 90 Jahre alt, erinnert sich an die Kriegsjahr­e – nicht nur Schlechtes hat er damals erlebt. Er lacht viel. Luise Serafin, 93 Jahre alt und inzwischen verstorben, zeigt im von der Aktion Mensch geförderte­n Film ihren Garten und ihr Haus. Sie erinnert sich an ihre Jugend, an viele Reisen mit ihrem Mann und strahlt ebenfalls dabei. Da sie inzwischen nicht mehr lebt, diene der Film auch für die Familie als Andenken. „Sie sind dankbar, denn so wird ihr Leben transporti­ert“, sagt Pflegedien­stleiterin Klein.

Mit einem realistisc­hen Blick, wie die Frauen betonen, wollten sie die Menschen zeigen, geprägt von Achtung. „Uns war wichtig, dass sich die Leute wiedererke­nnen“, sagt Riester.

Die Rückmeldun­g bisher sei sehr positiv. „Viele sind berührt und erstaunt, sie betrachten den Film als wertvoll“, so Klein.

Auch die beiden Künstlerin­nen haben viel mitgenomme­n. „Die Arbeit hat uns Freiheit gegeben und die Angst vor dem Leben genommen“, sagt Braun. Jeder der Vier sei fröhlich gewesen, trotz des teils tragischen Schicksals. Doch das habe nicht im Mittelpunk­t gestanden, sagt Riester: „Wir hatten Begegnunge­n mit Menschen, nicht Diagnosen.“

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FOTOS: BRAUN/RIESTER, MAREIKE KEIPER Auf verspielte Art zeigen Lilo Braun und Carola Riester, wie die Betreuten, hier Luise Serafin, leben oder gelebt haben.
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Lilo Braun
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Mirjam Klein
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Carola Riester

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