Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Unterstützung für härteren Lockdown steigt deutlich
Umfrage beweist Bedürfnis nach strengeren Maßnahmen – Bundespräsident fordert gemeinsamen Kraftakt
BERLIN (dpa) - Mit den steigenden Corona-Infektionszahlen wächst in der Bevölkerung das Bedürfnis nach härteren Maßnahmen gegen die Pandemie. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 47 Prozent dafür aus, den bestehenden Lockdown zu verschärfen. Dagegen sind nur 30 Prozent für eine Lockerung oder Abschaffung der Einschränkungen. 17 Prozent meinen, sie sollten so bleiben, wie sie sind. Vor zwei Wochen hatten sich in einer vergleichbaren YouGov-Umfrage nur 30 Prozent für Verschärfungen ausgesprochen.
Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hält konsequentere Maßnahmen für unausweichlich. Man werde um einen ernsthaften Lockdown nicht herumkommen. Man habe in Paris und London gesehen, dass ein Teillockdown gegen die aggressivere Virusvariante nicht durchgreife. Die Inzidenz sei dort immer weiter gestiegen wie auch die
Zahl der schweren und oft auch tödlichen Krankheitsverläufe. Noch bestehe die Chance, eine solche Entwicklung abzuwenden.
Derweil verlangt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verständliche und pragmatische Regelungen im Kampf gegen Corona und ruft die Bürgerinnen und Bürger zum gemeinsamen Kraftakt gegen die dritte Pandemiewelle auf. „Raufen wir uns alle zusammen, liebe Landsleute! Holen wir raus, was in uns steckt“, sagte er in einer Fernsehansprache, die am Samstag ausgestrahlt werden soll. Steinmeier räumte eine „Krise des Vertrauens“ein und Fehler beim Testen, Impfen und der Digitalisierung.
CDU-Chef Armin Laschet will eine bundesweit einheitliche Regelung erreichen, wie es für die Schulen in der Corona-Pandemie nach den Osterferien weitergeht. Diese sollten die Länder selbst treffen und nicht der Bund.
BERLIN - „Ich vertraue den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen“, sagte Bundespräsident FrankWalter Steinmeier, als er im Bundeswehr-Krankenhaus in Berlin die erste Impfung mit dem Vakzin von Astrazeneca erhalten hatte. „Das Impfen ist der entscheidende Schritt auf dem Weg aus der Pandemie. Nutzen Sie die Möglichkeiten“, appellierte Steinmeier an die Bürger. Der 65-Jährige hatte immer betont, sich erst impfen zu lassen, wenn er nach der Priorisierung an der Reihe sei. Dies trat nun ein, weil Bund und Länder der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gefolgt waren, das Präparat von Astrazeneca in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren einzusetzen. Aber wie geht es jetzt weiter? Fragen und Anworten dazu.
Was soll jetzt mit dem Astrazeneca-Impfstoff passieren?
Die Stiko hatte am Dienstag empfohlen, Astrazeneca nur noch Über-60-Jährigen zu verabreichen, nachdem 31 Verdachtsfälle einer Hirnvenenthrombose gemeldet worden waren. In neun Fällen endete sie tödlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Freitag zuvor von den Problemen erfahren, bestätigte eine Regierungssprecherin. Sie habe aber erst die Expertise des Ehtikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hinzuziehen wollen.
Allein über das Osterwochenende sollen 1,7 Millionen Dosen Astrazeneca geliefert werden. Im gesamten zweiten Quartal rechnet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit etwa 15 Millionen Dosen. Sie sollten schnellstmöglich verimpft werden. Es gebe mindestens 24 Millionen Menschen über 60 in Deutschland. Ausreichend viele nähmen das Angebot gerne an. „Denn der Schutz ist gut.“Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hätte als 58Jähriger keine Bedenken, sich mit Astrazeneka impfen zu lassen. „Die Nebenwirkungen sind selten.“Er verwies darauf, dass auf den Beipackzetteln etwa bestimmter Rheumamedikamente oder von Anti-Baby-Pillen „in deutlich höheren Größenordnungen gleich schwere Risiken“genannt würden. Auch in Großbritannien wurden rund 30 Fälle von seltenen Blutgerinnseln gemeldet. Angesichts von mehr als 18 Millionen Impfungen mit Astrazeneca hält die britische Arzneimittelbehörde das Risiko aber für „sehr klein“.
Womit sollen Hausärzte impfen?
Ab Mittwoch sollen zunächst 35 000 Hausärzte die bundesweit 430 Impfzentren ergänzen. Sie kommen zu jenen Praxen hinzu, die bereits auf Initaitve der Länder Patienten immunisieren: In Bayern wird seit vergangeme Mittwoch in mehr als 1630 Praxen geimpft, in Baden-Württemberg
laufen seit Anfang März in rund 40 Pilotpraxen Immunisierungen.
In den ersten beiden Wochen erhalten Ärzte über das Bundesprogramm den Biontec-Impfstoff, der über die Großhändler und die Apotheken ausgeliefert wird. Denn nur davon stehen ausreichende Mengen zur Verfügung. Er muss zwar bei unter minus 75 Grad transportiert werden, hält aber in den Arztpraxen bis zu fünf Tage bei Kühlschranktemperatur. Ziel ist, die Dosen innerhalb einer Woche zu verimpfen. Da zunächst im Schnitt nur 20 pro Praxis zur Verfügung stehen, sollte das zu schaffen sein. Für die erste Woche haben die Ärzte 1,4 Millionen Dosen bestellt. Wegen der knappen Mengen bekommen sie aber nur 940 000. Schon ab Ende April stünden mehr als drei Millionen Dosen pro Woche für die Praxen zur Verfügung, stellte Spahn in Aussicht. So viel sei „relativ problemlos“zu verimpfen, so Gassen, zumal auch die Fachärzte aktiv werden wollen. Die Terminvergabe sollen die Ärzte regeln. Ab der Woche vom 19. April soll auch Astrazeneca an die Praxen gehen, später zudem Johnson & Johnson. Die Priorisierung in der Impfverordnung – also welche Personengruppen zuerst an der Reihe sind – gilt auch für die Arztpraxen. Doch letztlich entscheiden die Mediziner, bei wem sie die Impfung für vorrangig halten.
Was machen Unter-60-Jährige, die nach der Impfung mit Astrazeneca auf die Zweitimpfung warten?
Die Stiko empfiehlt, dafür auf ein anderes Präparat umzusteigen. Zwölf Wochen nach der Erstimpfung solle eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs verabreicht werden, heißt es in einer Beschlussempfehlung der Stiko. Damit kämen derzeit die Präparate von Biontec und Moderna infrage. Nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts haben bisher 2,85 Millionen Personen eine Erstimpfung mit dem Astrazeneca-Vakzin erhalten, darunter allerdings auch Über-60-Jährige. Ein zweites Mal wurden demnach deutschlandweit erst knapp 2000 Menschen mit dem Präparat geimpft.
Viele Unternehmen kämpfen ums Überleben. Bekommen sie endlich mehr Hilfe?
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben sich am Donnerstag auf zwei weitere Maßnahmen geeinigt. Zum einen können Unternehmen einen Eigenkapitalzuschuss von mindestens 25 Prozent erhalten, wenn sie mehr als zwei Monate lang einen Umsatzeinbruch von 50 Prozent und mehr erlitten haben. Zum anderen wird die Überbrückungshilfe III aufgestockt: Unternehmen, die einen Umsatzeinbruch von mehr als 70 Prozent erleiden, können bis zu 100 Prozent ihrer Fixkosten bekommen. Bisher waren es maximal 90 Prozent. Zudem erhalten neben Einzelhändlern auch Hersteller und Großhändler Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Saisonware.