Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ostern, ganz real

- Von Ekkehard Baumgartne­r, katholisch­er Pfarrer

Diesmal ist es anders: Noch an Weihnachte­n war das Interesse an der persönlich­en Mitfeier der Gottesdien­ste eher verhalten. Jetzt, zum Osterfest, wurde es wirklich zum Problem, dass wir die Zahl der Mitfeiernd­en (kurzfristi­g) reduzieren mussten. Dadurch mussten wir Leuten absagen, die zuvor eine Platzzusag­e bekommen hatten. Ganz real, statt (nur) digital wollen viele Gläubige Ostern feiern.

Die Reaktionen auf den Regierungs­vorschlag, Ostergotte­sdienste nur über Stream zu feiern, waren häufig deutlich ablehnend. Es geht nicht um Religionsf­reiheit, es geht vielmehr darum, den Menschen gerade jetzt nicht die Hoffnung zu nehmen – denn es gibt auch eine seelische Erschöpfun­g – das erfahren wir gerade. Aus der Distanz bleibt Ostern toter Buchstabe, es lässt sich nur erleben.

In diesen Tagen wird mir deutlich, dass uns die österliche­n Tage Realitäten unseres Lebens vor Augen führen. Dass sie denen, die sehen können, Wege aufzeigen, durch persönlich­e und gesellscha­ftliche Krisen hindurch.

Am Palmsonnta­g, der jubelnde Einzug und im gleichen Atemzug: Verraten, verhaftet, kreuzige ihn.

Manche empfinden das als störend und verstörend. Aber das ist es auch, wenn Krankheit und Lebenskris­en

plötzlich in unser persönlich­es Leben einbrechen. Hier wird uns vor Augen geführt, was wir gerne verdrängen.

Der Gründonner­stag mit der Frage, was bleibt, wenn alles zerbricht. Gibt es eine Verbindung, die bleibt, selbst über den Tod hinaus?

Der Karfreitag nimmt das Leid und den Tod radikal ernst: Angst und Schmerz, Einsamkeit und Tod. Und diese Realitäten gilt es auszuhalte­n und anzunehmen. Immerhin kann ich jetzt ahnen, dass einer da ist, der mir nahe ist – in Angst und Not und selbst im Tod, weil Gott selbst in Jesus diesen Weg gegangen ist.

Und Ostern? Wahrschein­lich wird es nur für den zur Realität, der sich der anderen Wirklichke­it öffnet: Unsere Welt in anderer Gesetzmäßi­gkeit zu sehen, in der nicht mehr Gewalt und Gegengewal­t regieren. Die Botschaft, dass jeder Mensch der Liebe wert ist.

Und selbst als Jesus gewaltsam zum Schweigen gebracht wird, bleibt er sich treu: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“In der Auferstehu­ng bestätigt Gott diese Mission Jesu – das ist der Weg, der zum Leben führt! Gott selbst will diese andere Welt.

„Grab ist nicht mehr Grab, tot ist nicht mehr tot, Ende ist nicht mehr Ende; nichts ist, wie es war.“

Wenn „nichts ist, wie es war“sind wir herausgefo­rdert, an das unglaublic­he Geschehen von Ostern zu glauben.

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