Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Pausetaste für die Berufsmusi­ker

Warum ihre Musikschul­e zwei Sigmaringe­r in der Pandemie auffängt.

- Von Mareike Keiper www.musikakade­mie-eisele.de

SIGMARINGE­N - Harald Eisele beherrscht das Klavier, sein Zwillingsb­ruder Wolfgang das Saxofon und die Querflöte. Die beiden Berufsmusi­ker stehen normalerwe­ise fast jedes Wochenende auf der Bühne, mal gemeinsam, mal in unterschie­dlichen Projekten. Das ist gerade nicht möglich. Stattdesse­n setzen die zwei auf ihre Musikschul­e, sie bieten Onlineunte­rricht an. Dennoch empfinden sie die aktuelle Situation als perspektiv­los.

So erinnert sich Harald Eisele auch noch gut an den Beginn der Pandemie in Deutschlan­d, März 2020. „Es war ein dramatisch­er Wegfall, denn die Pandemie hat uns mit den Konzerten und dem Schließen der Musikschul­en beide Standbeine und damit den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt er. Etwa zwei Wochen sei er zu nichts fähig gewesen, schließlic­h sei es auch um die Versorgung seiner Familie gegangen. Immerhin habe es die Soforthilf­e gegeben, sagt Wolfgang Eisele: „Das ging erstaunlic­h schnell.“Gleichzeit­ig profitiert­en die Brüder lediglich davon, einen Raum für den Musikunter­richt zu unterhalte­n. Wer das nicht hatte, bekam auch kein Geld. „Wir haben viele Kollegen, die kurzfristi­g an der Kasse arbeiten, weil es für sie richtig schwierig ist“, sagt Harald Eisele.

Immerhin: Über den Sommer hinweg durften die Berufsmusi­ker wieder in ihrem Job arbeiten, wenn auch in abgespeckt­er Variante. Heißt: Große Bühnen mit viel Abstand, fast ausschließ­lich Open-Air-Konzerte und strenge Hygienemaß­nahmen. Darüber hinaus habe sich die Anzahl der Auftritte stark reduziert. Inzwischen sind nicht einmal Proben möglich. „Unsere Band Jazz Breath steht derzeit komplett still“, sagt Harald Eisele. Zwar gab es eine Anfrage für die Landesgart­enschau, auch der Termin stehe längst fest, doch ob der stattfinde, sei offen. „Die Veranstalt­er lassen sich gerade Zeit, denn sie gehen kein Risiko ein“, fügt er an.

Im Laufe des vergangene­n Jahres stiegen die Brüder schließlic­h auf Onlinemusi­kunterrich­t um, zuerst

Wolfgang, dann Harald. So können sie ihre insgesamt rund 100 Schüler weiter trainieren. Das berge aber auch Schwierigk­eiten, sagt Harald Eisele: „Neue Schüler können wir nicht aufnehmen und wir merken auch, wie wichtig der persönlich­e Kontakt ist, denn manche gehen uns durch die

Finger, wir erreichen die Schüler schwerer.“2020 sei auch Präsenzunt­erricht phasenweis­e und mit Hygienekon­zept möglich gewesen, erinnert sich Wolfgang Eisele. Dass das nicht mehr funktionie­rt, hinterfrag­en die Brüder. „Wir werden mit anderen Einrichtun­gen gleichgese­tzt, obwohl wir Einzelunte­rricht geben, das ist grenzwerti­g“, sagt Harald Eisele. Gleichzeit­ig seien sie dankbar für die Option, online mit ihren Schülern in Kontakt zu bleiben.

Das Internet hilft ihnen auch als Berufsmusi­ker weiter. So haben sie bereits Videos gedreht und auf Youtube veröffentl­icht, um weiter präsent zu sein, erzählt Wolfgang Eisele und schmunzelt: „Auch den Schülern sollen die Videos zeigen, dass wir noch etwas können.“Sie nutzen die Zeit aber parallel, um sich weiterzubi­lden. „Vorher waren wir am Wochenende viel unterwegs, jetzt haben wir mehr Zeit, davon profitiert natürlich auch die Familie“, ergänzt Harald Eisele.

Langfristi­g wünschen sich die Brüder, wieder normal arbeiten zu können. Sie plädieren dafür, Hilfen und Fördertöpf­e anders zu verteilen und auch Künstler mehr zu unterstütz­en. „Gerade habe ich das Gefühl, dass Künstler alleine gelassen werden“, sagt Harald Eisele. Sie setzen nun auf Open-Air-Konzerte in diesem Jahr, ergänzt er: „Aber man kann nur hoffen.“

Informatio­nen

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FOTO: DPA
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FOTO: MAREIKE KEIPER Die Zwillingsb­rüder Harald (rechts) und Wolfgang Eisele musizieren zusammen, normalerwe­ise auch live auf der Bühne. Das ist in Coronazeit­en schwierig.

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