Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mehr Schutz für Erntehelfer
Initiative fordert sicherere Unterbringung
RAVENSBURG - Angesichts der steigenden Infektionszahlen kritisiert die Initiative Faire Landarbeit die Arbeitsbedingungen von Erntehelfern aus dem Ausland. Dabei bemängelten sie vor allem die Unterbringung der Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen in Mehrbettzimmern und die undurchsichtige Versicherungssituation. Vertreter von Branchenverbänden halten dagegen: Die Sicherheitsmaßnahmen und Hygienekonzepte sind nicht nur ausreichend, sondern auch im Sinne der Saisonarbeiter.
53 000 Erntehelfer arbeiten laut Angaben des Bauernverbandes Baden-Württemberg auf den Feldern in der Region. Im vergangenen Jahr gab es auch in mehreren landwirtschaftlichen Betrieben in Baden-Württemberg Corona-Fälle. „Der Schutz der Erntehelfer aus dem Ausland sollte mit dem der einheimischen Arbeiter vergleichbar sein“, fordert Benjamin Luig, Koordinator der Initiative Faire Landarbeit. Konkret drängt die Initiative unter anderem auf eine Unterbringung in kleineren Gruppen. Derzeit seien bis zu acht Personen in einem Zimmer erlaubt. „Ideal wären eigentlich Einzelzimmer“, so Luig.
Jürgen Weishaupt, Geschäftsführer des Hopfenpflanzerverbands Tettnang, ärgert sich über diese Aussagen: „Bereits im letzten Jahr haben wir die Belegung der Zimmer halbiert. Seit dieser Woche gibt es außerdem ein detailliertes Hygienekonzept.“Die Einhaltung dieser Maßnahmen werde außerdem stichprobenartig vom Gesundheitsamt kontrolliert.
Einzelzimmer seien außerdem von den Erntehelfern nicht gewünscht, berichtet Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE). Je weniger Personen in einem Zimmer, desto höher wird die Pro-Kopf-Miete. Deshalb würden die meisten Erntehelfer laut einer
Studie des Netzwerks der Spargelund Beerenverbände eine gemeinsame Unterbringung bevorzugen. In diesem Jahr setzten die meisten Betriebe verstärkt auf Zimmer für zwei statt für drei Personen. Das kostet mehr: Die Corona-Auflagen führen insgesamt zu 880 Euro an zusätzlichen Kosten pro Saisonarbeitskraft, 500 Euro davon entfallen auf die Unterkunft.
Ein weiteres Problem stellt der Versicherungsschutz der Saisonkräfte dar. Aktuell dürfen sich Erntehelfer wie im Vorjahr bis zu fünf Monate ohne eine Sozialversicherung in Deutschland aufhalten – unter normalen Umständen sind nur drei Monate erlaubt. Der VSSE begrüßt die Verlängerung. „Das bedeutet, dass wir zumindest die Saison schaffen“, so Schumacher. Das sei laut VSSE auch im Sinne der Erntehelfer. Bei einer regulären Sozialversicherung fallen Abgaben an, daran hätten nur die wenigsten Saisonkräfte Interesse.
Für den Ernstfall schließen deshalb nach Angaben des VSSE 96 Prozent der Betriebe eine private Versicherung für ihre Saisonkräfte ab. Und auch der Hopfenpflanzerverband Tettnang empfiehlt eine private Absicherung. Darüber werden die Arbeiter in der Regel von ihren Arbeitgebern informiert, doch das klappt laut der Initiative Faire Landarbeit nicht immer. „Die Arbeiter wissen teilweise nicht, ob sie versichert sind. Wenn sie krank werden, gehen sie nicht zum Arzt und ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich“, erläutert Luig. Die Berater der Initiative seien nach eigenen Angaben bereits mehrfach mit solchen Fällen konfrontiert gewesen.
Trotz der schwierigen Lage für Saisonarbeiter und Landwirte könnte der Preis für Spargel und Erdbeeren stabil bleiben. Eine Steigerung komme durch Angebot und Nachfrage zustande. „Wenn der Preis so bleibt wie im letzten Jahr, können die Betriebe gut damit leben“, so Schumacher.