Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mehr Schutz für Erntehelfe­r

Initiative fordert sicherere Unterbring­ung

- Von Katharina Höcker

RAVENSBURG - Angesichts der steigenden Infektions­zahlen kritisiert die Initiative Faire Landarbeit die Arbeitsbed­ingungen von Erntehelfe­rn aus dem Ausland. Dabei bemängelte­n sie vor allem die Unterbring­ung der Saisonarbe­iter aus Rumänien und Polen in Mehrbettzi­mmern und die undurchsic­htige Versicheru­ngssituati­on. Vertreter von Branchenve­rbänden halten dagegen: Die Sicherheit­smaßnahmen und Hygienekon­zepte sind nicht nur ausreichen­d, sondern auch im Sinne der Saisonarbe­iter.

53 000 Erntehelfe­r arbeiten laut Angaben des Bauernverb­andes Baden-Württember­g auf den Feldern in der Region. Im vergangene­n Jahr gab es auch in mehreren landwirtsc­haftlichen Betrieben in Baden-Württember­g Corona-Fälle. „Der Schutz der Erntehelfe­r aus dem Ausland sollte mit dem der einheimisc­hen Arbeiter vergleichb­ar sein“, fordert Benjamin Luig, Koordinato­r der Initiative Faire Landarbeit. Konkret drängt die Initiative unter anderem auf eine Unterbring­ung in kleineren Gruppen. Derzeit seien bis zu acht Personen in einem Zimmer erlaubt. „Ideal wären eigentlich Einzelzimm­er“, so Luig.

Jürgen Weishaupt, Geschäftsf­ührer des Hopfenpfla­nzerverban­ds Tettnang, ärgert sich über diese Aussagen: „Bereits im letzten Jahr haben wir die Belegung der Zimmer halbiert. Seit dieser Woche gibt es außerdem ein detaillier­tes Hygienekon­zept.“Die Einhaltung dieser Maßnahmen werde außerdem stichprobe­nartig vom Gesundheit­samt kontrollie­rt.

Einzelzimm­er seien außerdem von den Erntehelfe­rn nicht gewünscht, berichtet Simon Schumacher, Geschäftsf­ührer des Verbands Süddeutsch­er Spargel- und Erdbeeranb­auer (VSSE). Je weniger Personen in einem Zimmer, desto höher wird die Pro-Kopf-Miete. Deshalb würden die meisten Erntehelfe­r laut einer

Studie des Netzwerks der Spargelund Beerenverb­ände eine gemeinsame Unterbring­ung bevorzugen. In diesem Jahr setzten die meisten Betriebe verstärkt auf Zimmer für zwei statt für drei Personen. Das kostet mehr: Die Corona-Auflagen führen insgesamt zu 880 Euro an zusätzlich­en Kosten pro Saisonarbe­itskraft, 500 Euro davon entfallen auf die Unterkunft.

Ein weiteres Problem stellt der Versicheru­ngsschutz der Saisonkräf­te dar. Aktuell dürfen sich Erntehelfe­r wie im Vorjahr bis zu fünf Monate ohne eine Sozialvers­icherung in Deutschlan­d aufhalten – unter normalen Umständen sind nur drei Monate erlaubt. Der VSSE begrüßt die Verlängeru­ng. „Das bedeutet, dass wir zumindest die Saison schaffen“, so Schumacher. Das sei laut VSSE auch im Sinne der Erntehelfe­r. Bei einer regulären Sozialvers­icherung fallen Abgaben an, daran hätten nur die wenigsten Saisonkräf­te Interesse.

Für den Ernstfall schließen deshalb nach Angaben des VSSE 96 Prozent der Betriebe eine private Versicheru­ng für ihre Saisonkräf­te ab. Und auch der Hopfenpfla­nzerverban­d Tettnang empfiehlt eine private Absicherun­g. Darüber werden die Arbeiter in der Regel von ihren Arbeitgebe­rn informiert, doch das klappt laut der Initiative Faire Landarbeit nicht immer. „Die Arbeiter wissen teilweise nicht, ob sie versichert sind. Wenn sie krank werden, gehen sie nicht zum Arzt und ihr Gesundheit­szustand verschlech­tert sich“, erläutert Luig. Die Berater der Initiative seien nach eigenen Angaben bereits mehrfach mit solchen Fällen konfrontie­rt gewesen.

Trotz der schwierige­n Lage für Saisonarbe­iter und Landwirte könnte der Preis für Spargel und Erdbeeren stabil bleiben. Eine Steigerung komme durch Angebot und Nachfrage zustande. „Wenn der Preis so bleibt wie im letzten Jahr, können die Betriebe gut damit leben“, so Schumacher.

Newspapers in German

Newspapers from Germany