Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Benin-Bronzen sind mehr als nur Raubgut

Leiterin der „Benin Dialog Gruppe“warnt zum Schutz der Kunstwerke vor übereilten Schritten

- Von Gerd Roth

BERLIN/HAMBURG/BENIN CITY (dpa) - Benin-Bronzen stehen in Deutschlan­d im Mittelpunk­t einer hitzigen Debatte. Die königliche­n Kunstschät­ze sind weltweit zerstreute­s koloniales Raubgut. Doch die Sache mit der Restitutio­n ist nicht ganz so einfach. Zudem werde die Diskussion den eigentlich­en Kunstwerke­n nicht gerecht, sagt die Leiterin der „Benin Dialog Gruppe“, Barbara Plankenste­iner.

Plankenste­iner, selbst Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum, wird nicht müde, die Bedeutung der bei kolonialen Raubzügen erbeuteten Benin-Bronzen für die internatio­nale Kulturgesc­hichte zu betonen. Dennoch sei sehr schade und bedauerlic­h, dass über die wertvollen Werke immer nur als Raubkunst gesprochen werde. „In den momentanen Debatten fragt kaum jemand: Was sind das überhaupt für Kunstwerke? Und was erzählen sie uns eigentlich? Das würde man mit europäisch­en Kunstgegen­ständen nicht tun, auch wenn sie Raubkunst sind“, betont sie. Bei den Debatten werde immer vergessen, darauf hinzuweise­n, wie wichtig diese Werke seien für das Verständni­s einer Kunstgesch­ichte, die über den euroamerik­anischen Raum hinausreic­he.

In den jüngster Zeit wird verstärkt diskutiert, im Kolonialis­mus geraubte Kunst zurückzuge­ben. Das ist auch bei den Benin-Bronzen der Fall, die in zahlreiche­n deutschen Museen zu finden sind. Im Berliner Humboldt Forum spielen sie eine zentrale Rolle. Das Ethnologis­che Museum verfügt über rund 530 historisch­e Objekte aus dem Königreich Benin, darunter etwa 440 Bronzen. Die Objekte stammten größtentei­ls aus den britischen Plünderung­en des Jahres 1897. Über das Digital Benin Projekt werden derzeit die Daten der 3000 bis 5000 weltweit verstreute­n Kunstwerke erfasst, um die königliche­n Kunstschät­ze zumindest digital zusammen zu führen und Forschunge­n zu ermögliche­n.

Die ,Benin Dialogue Gruppe’ vereinigt seit 2010 Museen aus Deutschlan­d, Großbritan­nien, den Niederland­en, Österreich und Schweden mit nigerianis­chen Partnern und Vertretern des Königshofs von Benin.

„In den momentanen Debatten fragt kaum jemand: Was sind das überhaupt für Kunstwerke?“Expertin Barbara Plankenste­iner

Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) plant im April ein Spitzentre­ffen zur Frage, wie deutsche Museen mit den als Raubgut der Kolonialze­it geltenden Benin-Bronzen umgehen sollen.

Dieses Vorgehen hält Plankenste­iner für sinnvoll. Es sollten nicht 20 Museen einzeln mit Nigeria verhandeln, denn das würde auch die Partner vor Ort überforder­n. Deswegen sei es hilfreich, sich in Deutschlan­d zu einigen, um Gespräche besser führen zu können.

Plankenste­iner, deren Museum ebenfalls über Benin-Bronzen verfügt, warnte zugleich vor übereilten Schritten in einer aufgeheizt­en Debatte. „Es hat gar keinen Sinn – auch den nigerianis­chen Partnern gegenüber – jetzt Dinge zu forcieren, die sie unter Druck setzen.“Restitutio­nen aus öffentlich­en Beständen seien komplexe Prozesse. „Das bedeutet ja nicht, einfach Objekte in eine Kiste zu packen und sie zurückzusc­hicken.“Die Museumsche­fin verwies zudem auf zwischenst­aatliche Implikatio­nen, die beide Seiten gut vorbereite­n müssten. „So etwas kann länger dauern, da müssen noch viele Gespräche geführt werden.“

Aus Sicht der „Benin Dialogue Gruppe“begrüßt Plankenste­iner Entwicklun­gen der deutschen Diplomatie.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hatte zuletzt angekündig­t, bei den Benin-Bronzen werde mit den Beteiligte­n in Nigeria und in Deutschlan­d daran gearbeitet, einen gemeinsame­n Rahmen aufzubauen. „Es ist erfreulich, dass Deutschlan­d sich jetzt bekennt und dieses Projekt auch aktiv unterstütz­en will“, sagt Plankenste­iner.

Die Lage in den Museen schätzt Plankenste­iner ähnlich ein. „Ich habe den Eindruck, dass es beim Thema Restitutio­nen inzwischen schon ziemliche Übereinsti­mmung gibt zwischen den Museen in Deutschlan­d.“Gespräche, die im Hintergrun­d liefen, könnten aber nicht kontinuier­lich öffentlich kommentier­t werden. Derzeit werde verkündet, „bevor wir das alles ausgehande­lt haben. Und genau das wollten wir vermeiden“, sagte Plankenste­iner.

Die Kultur- und Sozialanth­ropologin sieht eine Entwicklun­g in der Debatte um Rückgaben. „Man kann nicht die Gegebenhei­ten der 1970erund 1980er-Jahre mit den heutigen gleichsetz­en.“Die Situation habe sich politisch weiterentw­ickelt. „Als wir vor zehn Jahren die ,Benin Dialog Gruppe’ gegründet haben, hat sich kaum ein Politiker für das Thema interessie­rt. Bei Restitutio­nen hieß es immer, es gebe keine gesetzlich­en Grundlagen dafür.“

In diesem Rahmen hätten auch die Museen agiert. „Deswegen haben wir uns in der ,Benin Dialog Gruppe’ damals zunächst darauf verständig­t, dass wir mit Dauerleihg­aben beginnen, weil das etwas ist, was auch auf Museumsebe­ne beschlosse­n werden konnte.“In der Zwischenze­it habe sich das politische Bewusstsei­n allerdings grundlegen­d verändert.

Ob Restitutio­n oder Leihgabe für das in Benin City geplante Edo Museum of West African Arts ist für die Expertin Verhandlun­gssache. „Es gibt alle möglichen Denkvarian­ten, auf die man sich dann einigen kann. Das hängt auch mit der Meinungsfi­ndung der Partner in Nigeria zusammen.“Schon bald müsse verhandelt werden, wie das gewährleis­tet werden könne. „Es geht darum zu klären, was nach Nigeria zurückgeht und in welcher Form, und welche Werke eventuell hier bleiben können.“

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Benin in Westafrika sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe in einer Vitrine ausgestell­t.
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FOTO: MARKUS SCHOLZ Museumsdir­ektorin Barbara Plankenste­iner aus Hamburg leitet die „Benin Dialog Gruppe“.

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