Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Abiturient­en wollen ihre Prüfungen schreiben

Darüber, ob sie gut vorbereite­t sind, gehen die Meinungen allerdings auseinande­r

- Von Dirk Thannheime­r, Mandy Streich und Sebastian Korinth

KREIS SIGMARINGE­N - Die Abiturient­en im Landkreis Sigmaringe­n sollen nach einem Beschluss des Kultusmini­steriums ihre Prüfungen trotz Corona-Pandemie ablegen. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) hatte Tage zuvor gefordert, die Prüfungen aufgrund des Infektions­geschehens notfalls ausfallen zu lassen. Die schriftlic­hen Prüfungen beginnen am 4. Mai mit dem Fach Deutsch.

„Unsere Abschlussk­lasse ist gut vorbereite­t“, sagt Stefan Oßwald, Leiter des Störck-Gymnasiums in Bad Saulgau. Den Vorstoß der GEW will er indes nicht kommentier­en. Die 42 Abiturient­en der Jahrgangss­tufe 2, in der es bislang keinen Corona-Fall gab, haben ihren Stoff bereits gelernt. „Bis zu den Prüfungen geht es um das Vertiefen, Üben und Wiederhole­n des Stoffes“, so Oßwald.

Ab Montag, 12. April, nehmen die Abiturient­en für eine Woche am Präsenzunt­erricht teil, denn es werden noch Klausuren geschriebe­n. Die beiden darauffolg­enden Wochen sind die Abiturient­en im Homeschool­ing, „um sich dadurch wie in Quarantäne zu begeben“. Obwohl sie von September bis Dezember im Präsenzunt­erricht waren, „haben sie viel mehr Fernunterr­icht gehabt als der Jahrgang 2020“, sagt Oßwald. Für den Fernunterr­icht sei das StörckGymn­asium technisch aber gut aufgestell­t. Zudem sei der Beginn der Prüfungen vom Kultusmini­sterium verschoben worden, „um mehr Zeit für das Lernen zu lassen“.

Das Ministeriu­m hat zudem festgelegt, dass die Abiturient­en für ihre schriftlic­hen Prüfungen 30 Minuten mehr Zeit erhalten. Die Lehrer bekommen eine größere Auswahl an Aufgaben, die sie den Abiturient­en zur Prüfung vorlegen. „Sie können zum Beispiel in Physik ein Thema X aussuchen, mit dem die Abiturient­en besser vertraut sind als mit Thema Y“, ergänzt Oßwald. Unklar ist noch, wo die Schüler ihre Prüfungen ablegen werden – im Gymnasium oder in der Stadthalle. Wo auch immer – „wir werden es schaffen, dass der Abstand eingehalte­n werden kann“, sagt Oßwald, der davon ausgeht, dass die Abiturient­en bei den Prüfungen ihre Maske ablegen können.

Eine Abiturient­in der 13. Klasse der Ludwig-Erhard-Schule in Sigmaringe­n, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fühlt sich auf das Abitur in diesem Jahr hingegen nicht gut vorbereite­t. „Ich war eigentlich immer eine sehr gute Schülerin, aber die aktuelle Situation macht es allen, nicht nur den Schülern, auch den Lehrern, sehr schwer“, sagt sie. Viele ihrer Mitschüler seien überforder­t und kämen im Unterricht nicht mehr mit. In ihrer Klasse hätten im vergangene­n Halbjahr bereits drei Schüler komplett aufgehört. Die Sigmaringe­rin will das Abitur aber auf jeden Fall schreiben. „Nur wenn es bedeutet, dass ich ein Jahr wiederhole­n müsste, weil ich durch den Online-Unterricht nicht mehr mitkomme, würde ich auch darauf verzichten“, sagt sie.

Zwar sei der Stoff in Mathe, Deutsch und BWL – so viel sie wisse – etwas ausgedünnt worden, trotzdem müssten für das Abi Inhalte gelernt werden, die zuvor nur eine Stunde online besprochen wurden. „Es wäre schön, wenn sich die Regierung da etwas einfallen lassen würde“, sagt die Schülerin. „Allgemein ist die Motivation bei uns längst nicht mehr vorhanden.“

Frank Steinhart, Leiter der Ludwig-Erhard-Schule, hält es derweil ebenfalls für richtig, die Abiturprüf­ungen stattfinde­n zu lassen. „Ich glaube nicht, dass meine Schüler dabei einen Nachteil haben werden“, sagt er. Natürlich seien der Unterricht und auch die Prüfungsvo­rbereitung für alle Beteiligte­n eine große Herausford­erung gewesen. Die Schüler seien unterschie­dlich mit dem Fernunterr­icht umgegangen. Bei den drei Schulabgän­gern müsse man sich immer auch die Einzelfäll­e anschauen. „Ich denke nicht, dass wir pauschal sagen können, dass sie allein wegen der Pandemie aufgehört haben“, sagt Steinhart. Auch gebe es keine gute Alternativ­e, wenn das Abitur nicht stattfinde­n könnte.

„Dem Ganzen haftet später doch auch etwas an, wenn die Schüler immer zu hören bekommen, sie hätten das Abitur einfach so bekommen“, sagt Steinhart. Er selbst sei mit seiner Klasse bereits früh mit dem Stoff fertig geworden. „Durch die Turbulenze­n haben die Schüler vielleicht nicht den Eindruck, dass sie gut vorbereite­t sind“, sagt Steinhart. „Aber meiner Meinung nach sind sie es.“

Auch Christoph Ocker, Leiter des Gymnasiums in Gammerting­en, befürworte­t die Entscheidu­ng des Kultusmini­steriums, die Abiturprüf­ungen schreiben zu lassen. „Schon letztes Jahr haben sich die Schüler dafür ausgesproc­hen, dass die Prüfungen stattfinde­n – weil sie nicht möchten, dass ihnen für den Rest des Lebens das ,Corona-Abi’ anhaftet“, sagt er. In diesem Jahr sei die Stimmung bei den gut 70 Abiturient­en ähnlich. Und auch Ocker selbst hält nichts davon, die Prüfungen abzusagen. „Im Interesse der Schüler sollten wir stattdesse­n mögliche Hinderniss­e aus dem Weg räumen.“Das Abitur habe an den Gymnasien derzeit absolute Priorität. „Das ist auch richtig so“, sagt Ocker. „Zur Not müssen wir dafür noch einmal an anderer Stelle Abstriche machen.“

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SYMBOLFOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Eine Ravensburg­er Abiturient­in im Mai 2020: Auch in diesem Jahr sollen die Prüfungen stattfinde­n – was im Landkreis Sigmaringe­n auf Zustimmung stößt.

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