Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Abiturienten wollen ihre Prüfungen schreiben
Darüber, ob sie gut vorbereitet sind, gehen die Meinungen allerdings auseinander
KREIS SIGMARINGEN - Die Abiturienten im Landkreis Sigmaringen sollen nach einem Beschluss des Kultusministeriums ihre Prüfungen trotz Corona-Pandemie ablegen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte Tage zuvor gefordert, die Prüfungen aufgrund des Infektionsgeschehens notfalls ausfallen zu lassen. Die schriftlichen Prüfungen beginnen am 4. Mai mit dem Fach Deutsch.
„Unsere Abschlussklasse ist gut vorbereitet“, sagt Stefan Oßwald, Leiter des Störck-Gymnasiums in Bad Saulgau. Den Vorstoß der GEW will er indes nicht kommentieren. Die 42 Abiturienten der Jahrgangsstufe 2, in der es bislang keinen Corona-Fall gab, haben ihren Stoff bereits gelernt. „Bis zu den Prüfungen geht es um das Vertiefen, Üben und Wiederholen des Stoffes“, so Oßwald.
Ab Montag, 12. April, nehmen die Abiturienten für eine Woche am Präsenzunterricht teil, denn es werden noch Klausuren geschrieben. Die beiden darauffolgenden Wochen sind die Abiturienten im Homeschooling, „um sich dadurch wie in Quarantäne zu begeben“. Obwohl sie von September bis Dezember im Präsenzunterricht waren, „haben sie viel mehr Fernunterricht gehabt als der Jahrgang 2020“, sagt Oßwald. Für den Fernunterricht sei das StörckGymnasium technisch aber gut aufgestellt. Zudem sei der Beginn der Prüfungen vom Kultusministerium verschoben worden, „um mehr Zeit für das Lernen zu lassen“.
Das Ministerium hat zudem festgelegt, dass die Abiturienten für ihre schriftlichen Prüfungen 30 Minuten mehr Zeit erhalten. Die Lehrer bekommen eine größere Auswahl an Aufgaben, die sie den Abiturienten zur Prüfung vorlegen. „Sie können zum Beispiel in Physik ein Thema X aussuchen, mit dem die Abiturienten besser vertraut sind als mit Thema Y“, ergänzt Oßwald. Unklar ist noch, wo die Schüler ihre Prüfungen ablegen werden – im Gymnasium oder in der Stadthalle. Wo auch immer – „wir werden es schaffen, dass der Abstand eingehalten werden kann“, sagt Oßwald, der davon ausgeht, dass die Abiturienten bei den Prüfungen ihre Maske ablegen können.
Eine Abiturientin der 13. Klasse der Ludwig-Erhard-Schule in Sigmaringen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, fühlt sich auf das Abitur in diesem Jahr hingegen nicht gut vorbereitet. „Ich war eigentlich immer eine sehr gute Schülerin, aber die aktuelle Situation macht es allen, nicht nur den Schülern, auch den Lehrern, sehr schwer“, sagt sie. Viele ihrer Mitschüler seien überfordert und kämen im Unterricht nicht mehr mit. In ihrer Klasse hätten im vergangenen Halbjahr bereits drei Schüler komplett aufgehört. Die Sigmaringerin will das Abitur aber auf jeden Fall schreiben. „Nur wenn es bedeutet, dass ich ein Jahr wiederholen müsste, weil ich durch den Online-Unterricht nicht mehr mitkomme, würde ich auch darauf verzichten“, sagt sie.
Zwar sei der Stoff in Mathe, Deutsch und BWL – so viel sie wisse – etwas ausgedünnt worden, trotzdem müssten für das Abi Inhalte gelernt werden, die zuvor nur eine Stunde online besprochen wurden. „Es wäre schön, wenn sich die Regierung da etwas einfallen lassen würde“, sagt die Schülerin. „Allgemein ist die Motivation bei uns längst nicht mehr vorhanden.“
Frank Steinhart, Leiter der Ludwig-Erhard-Schule, hält es derweil ebenfalls für richtig, die Abiturprüfungen stattfinden zu lassen. „Ich glaube nicht, dass meine Schüler dabei einen Nachteil haben werden“, sagt er. Natürlich seien der Unterricht und auch die Prüfungsvorbereitung für alle Beteiligten eine große Herausforderung gewesen. Die Schüler seien unterschiedlich mit dem Fernunterricht umgegangen. Bei den drei Schulabgängern müsse man sich immer auch die Einzelfälle anschauen. „Ich denke nicht, dass wir pauschal sagen können, dass sie allein wegen der Pandemie aufgehört haben“, sagt Steinhart. Auch gebe es keine gute Alternative, wenn das Abitur nicht stattfinden könnte.
„Dem Ganzen haftet später doch auch etwas an, wenn die Schüler immer zu hören bekommen, sie hätten das Abitur einfach so bekommen“, sagt Steinhart. Er selbst sei mit seiner Klasse bereits früh mit dem Stoff fertig geworden. „Durch die Turbulenzen haben die Schüler vielleicht nicht den Eindruck, dass sie gut vorbereitet sind“, sagt Steinhart. „Aber meiner Meinung nach sind sie es.“
Auch Christoph Ocker, Leiter des Gymnasiums in Gammertingen, befürwortet die Entscheidung des Kultusministeriums, die Abiturprüfungen schreiben zu lassen. „Schon letztes Jahr haben sich die Schüler dafür ausgesprochen, dass die Prüfungen stattfinden – weil sie nicht möchten, dass ihnen für den Rest des Lebens das ,Corona-Abi’ anhaftet“, sagt er. In diesem Jahr sei die Stimmung bei den gut 70 Abiturienten ähnlich. Und auch Ocker selbst hält nichts davon, die Prüfungen abzusagen. „Im Interesse der Schüler sollten wir stattdessen mögliche Hindernisse aus dem Weg räumen.“Das Abitur habe an den Gymnasien derzeit absolute Priorität. „Das ist auch richtig so“, sagt Ocker. „Zur Not müssen wir dafür noch einmal an anderer Stelle Abstriche machen.“