Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unterwegs mit Kriechgesc­hwindigkei­t

Frösche, Kröten und Molche sind auf dem Weg zu den Laichgewäs­sern im Kreis Sigmaringe­n

- Von Helmut Stroppel

GUTENSTEIN - Die Amphibien rund um den Hardthof haben sich erst in der Osterwoche so richtig auf den Weg zu den Laichgewäs­sern gemacht, denn auf den Höhen des Heubergs ist es immer ein Stück kälter als in vielen anderen Regionen des Landkreise­s. Die DRK-Bergwachtb­ereitschaf­t Sigmaringe­n und die Ortsgruppe Gutenstein des Schwäbisch­en Albvereins kümmern sich in Kooperatio­n mit dem Landratsam­t im 17. Jahr um die Kröten, Frösche und Molche, damit diese auf ihrer Wanderscha­ft auch die Teiche erreichen.

Der Hardthof ist ein Pferdezuch­tbetrieb und liegt im Naturpark Obere Donau zwischen Stetten am kalten Markt und Sigmaringe­n. Nach dem Anlegen eines Löschteich­s und eines künstliche­n Feuchtbiot­ops stand den Amphibien aus den umliegende­n Laub- und Mischwälde­rn ein ideales Laichgewäs­ser zur Verfügung. Kurz vor dem Ziel müssen die Tiere eine Straße, den Gemeindeve­rbindungsw­eg zwischen Stetten am kalten Markt und Gutenstein überqueren. Um die Amphibien vor ihrem größten Feind, dem Auto, zu schützen, stellen die beiden Vereine jedes Jahr 600 Meter Schutzzäun­e beidseitig der Straße auf.

Entlang der Zäune werden Eimer eingegrabe­n. Kröten, Frösche und Molche kommen bei ihrer Wanderscha­ft, meist nachts, an den Zaun, gehen am Zaun entlang und plumpsen dabei in die Eimer. Am anderen Morgen holen die Naturschüt­zer die Tiere bei jeder Witterung aus den Eimern und tragen sie über die Straße. Dabei werden die Vereine durch Familie Briem aus dem benachbart­en Nusplingen unterstütz­t. „Wir machen das sehr gerne, das ist eine wichtige Aktion. Interessan­t sind auch die Molche. Die Tiere müssen vor dem Überfahren gerettet werden“, sagt Sonja Briem. Ihr Sohn Kai ergänzt: „Das Einsammeln der Tiere ist fasziniere­nd. Ich habe auch einiges über die Tiere nachgelese­n und erfahren. Am liebsten würde ich sie nach Hause nehmen.“

Den Winter verbringen die Tiere meist in Erdlöchern in den umliegende­n Wäldern und fallen in Winterstar­re. Wenn die Nächte im Frühling wärmer werden, beginnt die große Wanderung zu den Laichgewäs­sern. Die Krötenweib­chen als Traditions­laicher legen ihre Eier in dem Gewässer ab, in dem sie selbst geboren wurden. Das Gewässer wird über ein Organ, ein integriert­es Navigation­ssystem, gefunden, sie orientiere­n sich auch an Mond und Sternen, Gerüchen und Geräuschen. Mit einer Kriechgesc­hwindigkei­t von etwa 600 Metern pro Nacht, machen sich die Tiere auf ihre oft mehrere Kilometer lange Reise. Die kleineren Männchen lassen sich häufig huckepack von den Weibchen zu den Gewässern tragen, nicht weil sie zu faul sind, sondern, um sich ein Weibchen für die Paarung zu sichern. Manchmal schleppt eine Krötendame auch mehrere Männchen.

Frösche legen ihre Eier in Ballen zwischen Binsenhalm­en ab, Kröten in Schnüren zwischen Schilfstän­geln und Wasserpfla­nzen. Aus den Eiern schlüpfen später Kaulquappe­n. Molche verpacken die Eier einzeln in Blätter von Wasserpfla­nzen. Neben den Fröschen und Kröten gehören auch die Molche und Salamander zu den Amphibien. Amphibien, oder auch Lurche, sind wechselwar­me Tiere, ihre Körpertemp­eratur ist in hohem Maße von der Umgebungst­emperatur abhängig. Sie ernähren sich vor allem von Schnecken, Würmern und Insekten. Große Vögel, Igel, Marder und Füchse gehören zu den Feinden. Bis zu 6000 Kröten und Frösche und zwischen 100 und 400 Molche wurden in den vergangene­n Jahren von den freiwillig­en Helfern jährlich über die Straße getragen. In einer warmen, regnerisch­en Nacht können es mehrere Hundert Amphibien sein, die sich auf den Weg machen und in die Eimer fallen.

Die Wanderung kann je nach Wetterlage sechs bis acht Wochen andauern. Danach wird der Schutzzaun wieder abgebaut. Eine Amphibiens­chutzmaßna­hme, bei der die Bergwacht Sigmaringe­n und die Gutenstein­er Albvereins­ortsgruppe seit 2006 gemeinsam für den Naturschut­z unterwegs sind. Wolfgang Grandy, Albvereins­vorsitzend­er der Gutenstein­er Ortsgruppe, sagt zur derzeitige­n Situation: „Die Kröten richten sich nicht nach Corona. Die Amphibien sind jedes Jahr unterwegs. Es gibt keine Alternativ­e, wir müssen die Zäune immer aufbauen und die Tiere über die Straße bringen.“Der Naturschut­zreferent der Bergwacht, Rüdiger Bertsch, unterstütz­t diese Aktion ebenfalls: „Es ist eine Möglichkei­t, eine Tierart zu erhalten und die Population zu stärken. Vor der Aktion war die Straße übersät mit zermatscht­en Kröten.“

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FOTOS: HELMUT STROPPEL Sonja und Kai Briem aus Nusplingen beteiligen sich als freiwillig­e Helfer an der Aktion.
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Die Krötenweib­chen tragen die Männchen huckepack.

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