Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Tanz um den Inzidenzwert
Kreisverwaltung sieht keine Alternative zur Notbremse – 775 Mal Virusvariante nachgewiesen
FRIEDRICHSHAFEN - Notbremse raus, Notbremse rein: Noch bis Montag war im Bodenseekreis Einkaufen mit Termin erlaubt, am Dienstag nicht mehr. Abhängig ist das gemäß der Coronaverordnung des Landes vom 29. März davon, ob die SiebenTages-Inzidenz über oder unter der Marke von 100 liegt. Dass die Corona-Infektionen zuletzt wieder zunehmen, liegt laut Kreisverwaltung vor allem an der Ausbreitung der Virus-Varianten.
Auch eine größere Zahl an Jugendlichen und Kindern sei jetzt betroffen.
„Es gibt zeitlich keinen Spielraum, wir müssen das unverzüglich feststellen“, sagt Robert Schwarz, der Pressesprecher des Bodenseekreises zum jeweils geltenden Inzidenz-Status. Die Situation ist für das Gesundheitsamt klar: Etwa um 18 Uhr kommt der neue Wert der Sieben-Tages-Inzidenz vom Landesgesundheitsamt (LGA). Ist er dreimal in Folge über 100, wird mit einem Werktag Informationsvorlauf die Notbremse gezogen. Im konkreten Fall war die Feststellung am Samstag, der Montag war der erste Werktag danach und ab Dienstag greift wieder die Notbremse. Sollte der Wert wieder fünfmal unter 100 liegen, wird die Notbremse sofort für den folgenden Tag wieder gelockert.
Der einzige Grund, warum der Bodenseekreis die Notbremse bei einer drei Tage hintereinander über 100 liegenden Sieben-Tages-Inzidenz nicht ziehen müsste, wäre ein „nicht diffuses Infektionsgeschehen“, sagt Schwarz. Das wäre zum Beispiel gegeben, wenn nachweislich viele neue Corona-Infektionen auf einen eingrenzbaren Ausbruch (zum Beispiel in einer Einrichtung) zurückgehen.
Das LGA müsste so einen Fall aber anerkennen. Von nicht diffusem Geschehen könne derzeit im Kreis aber nicht die Rede sein, sagt Schwarz: Mehrere Einrichtungen und Kindergärten seien von Neuinfektionen betroffen, es gebe zudem viele Einzelfälle. „Die Grundidee ist, dass man Lockerungen und Verschärfungen vom Infektionsgeschehen vor Ort abhängig macht“, sagt Schwarz zum Inzidenz-Status. Im Bodenseekreis sei man nun in der Situation, „dass wir um den Inzidenzwert 100 herumtanzen“. Dennoch gebe es für den Kreis keinen Grund, von der Vorgehensweise abzuweichen. Was von vielen als Schlingerkurs wahrgenommen werde, sei einfach die regionale Reaktion auf die Infektionslage. Die Inzidenz liegt im Kreis seit dem 24. Januar (98,2) und dem 12. April (107,6) immer um 100, der tiefste Wert war 28,6 (20. Februar), der höchste 110,4 (28. März).
Vor allem die Ausbreitung von Virus-Varianten macht auch im Bodenseekreis Sorgen. Das Gros der Neuinfektionen sei auf Mutationen zurückzuführen, „sie spielen im Infektionsgeschehen eine wesentliche Rolle“, sagt Schwarz. Auch im Bodenseekreis erkenne man, dass diese deutlich ansteckender seien. Die Betroffenheit
bei jüngeren Menschen, auch bei Kindern, sei höher als beim ursprünglichen Corona-Virus. Die Quote von betroffenen Kontaktpersonen sei jetzt höher als früher. Auch die zunehmende Zahl der stationär im Krankenhaus behandelten Personen sei bedenklich. 28 Menschen wurden laut dem Corona-Wochenrückblick des Gesundheitsamtes am Montagnachmittag im Zusammenhang mit Covid-19 stationär in den Kliniken im Landkreis behandelt. Die Gesamtzahl der registrierten Corona-Fälle seit Beginn der Pandemie lag bei 6008. Als akute Infektionsfälle galten demnach zu Wochenbeginn 608 Personen.
In der zurückliegenden Woche vom Montag, 5. April, bis einschließlich Sonntag, 11. April, sind dem Gesundheitsamt Bodenseekreis demnach 246 neue Corona-Infektionsfälle gemeldet worden. In dieser Zeit wurde 157 Mal eine Virusvariante (Mutation) labordiagnostisch nachgewiesen, insgesamt sind es Stand Montagnachmittag 775 bekannte Fälle. Der höchste Sieben-Tages-Wert je 100 000 Einwohner lag in der zurückliegenden Woche bei 107,6 am Sonntag. Es wurden zwei Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet.