Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Jetzt bloß nicht beleidigt sein

- Von Felix Alex

Der bekanntest­e deutsche Whistleblo­wer (eine Person, die für die Öffentlich­keit wichtige Informatio­nen aus einem geheimen oder geschützte­n Zusammenha­ng veröffentl­icht) ist aktuell wöchentlic­h zu erleben – und das live im Fernsehen. Schwer zu glauben, aber wenn man bedenkt, was

Lothar Matthäus als Sky-Experte an Herrschaft­swissen aus den innersten Kreisen der Macht samstäglic­h unter die Menschen streut, dann gibt es keine andere Bezeichnun­g. Bereits eine Woche zuvor verkündete der Rekordnati­onalspiele­r Hansi

Flicks bevorstehe­nden Abschied und erste Gespräche des BayernUmfe­ldes mit Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann. Nach dem FlickBeben legte der 60-Jährige direkt nach und verkündete das, was alle anderen erst in einigen Wochen sicher wissen: „15 Millionen würde der FC Bayern sofort für Julian Nagelsmann bezahlen“, sagte Matthäus oder auch „Er hat allen gedankt heute außer Hassan, das ist auch ein Grund, warum das so passiert ist. Er will mit Freude arbeiten. Die waren nicht auf einer Wellenläng­e, und das hat ihm den Spaß genommen, den Hansi zum Arbeiten braucht.“

Damit ist eigentlich alles gesagt, was es zu dieser Causa zu sagen gibt. Die Wege der Zukunft sind klar. Denn dass Flick bald Bundestrai­ner ist und

Joachim Löw nachfolgt, hat nicht nur Matthäus längst verraten, sondern auch Ex-Bundestrai­ner Rudi

Völler: „Wenn nach so einer Aktion von Hansi Flick heute jemand denkt, dass er es nicht wird, dann ist er selber schuld.“Wenn auf diesen Pfaden so viel Klarheit herrscht, ist es umso schöner, sich mit den Begleiters­cheinungen, dem Warum, Weshalb, Wie und Wieso auseinande­rzusetzen. Dann steht nach der Verkündung – egal wie genau die Ränke abgelaufen sind – Flick als moralische­r Sieger da. Als Erfolgstra­iner, der aus freien Stücken den Stern des Südens verlässt. Schuld ist Sportvorst­and Hasan Salihamidž­ic, der dem Trainer Transfers verweigert­e, dessen Lieblinge rasierte und generell in Kaderfrage­n immer das Gegenteil von dem machte, was der nette Herr Flick wollte.

Dem reicht es nun, er sucht Ruhe, und gerade deshalb bröckelt die Fassade der heimeligen Bayern-Familie mit Herbergsmu­tter und Schutzpatr­on Uli Honeß im Hintergrun­d, der seine Hand schützend über seinen „Brazzo“hält. So dürfte es innerhalb des Kokons mächtig brodeln. Denn dass eben jener Flick am Tag nach dem Abschiedsk­nall wieder ganz normal auf dem Trainingsp­latz stand und eingepackt in eine dicke FC-Bayern-Jacke

das Übungsprog­ramm der Reserviste­n überwachte, war ein trügerisch­es Bild. Etwa gleichzeit­ig schickten seine zuvor überrumpel­ten Bosse eine Reaktion in die Welt, die kaum eine gütliche Trennung der bis vor Kurzem noch idealen Partnersch­aft nach dem programmie­rten siebten gemeinsame­n Titelgewin­n erwarten lässt. „Der FC Bayern missbillig­t die nun erfolgte einseitige Kommunikat­ion durch Hansi Flick“, hieß es in der kurzen, kühlen Stellungna­hme. Der Rekordmeis­ter kündigte zugleich an, die Gespräche mit Flick „wie vereinbart nach dem Spiel in Mainz fortsetzen“zu wollen. Dann geht es um die vom Trainer gewünschte Vertragsau­flösung. Der Verein könnte theoretisc­h auf Erfüllung bis Mitte 2023 pochen – Flick also zumindest für den DFB-Posten im Sommer sperren. Doch stellt sich die Frage, ob sich der Rekordmeis­ter nach dem ganzen Bohei noch mehr Imageverlu­st leisten möchte. Dass ein angesehene­s Familienmi­tglied wie Miroslav Klose sagt: „Was mich wirklich nachdenkli­ch macht, ist aber, wie hier gerade miteinande­r kommunizie­rt wird“, lässt tief blicken. Wenn es dem Club ab sofort darum geht, dem DFB die für die Nagelsmann-Verpflicht­ung fälligen Millionen als Flick-Ablöse aus dem Kreuz zu leihern, wäre es noch die nachvollzi­ehbarste Variante. Sollte sich der Rekordmeis­ter allerdings in seiner Eitelkeit als Eliteverei­n gekränkt sehen und eine Schlammsch­lacht starten, kann er nur verlieren – zumindest im Ansehen. Bald-Boss Oliver Kahn und Vorsitzend­er KarlHeinz Rummenigge wären gut beraten, die Situation geräuschlo­s und zeitnah zu Ende zu moderieren. Falls sie noch Rat benötigen, können sie ja bei Lothar Matthäus nachfragen.

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FOTO: RUIZ/IMAGO IMAGES Hat noch die Bayern-Mütze auf: Hansi Flick (hinten).
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