Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Polizei beobachtet „Lichtspazi­ergänger“

Warum der bisherige Veranstalt­er keine Demo mehr anmelden will.

- Von Johannes Böhler

SIGMARINGE­N - Für Aufsehen hat am Montagaben­d ein größeres Polizeiauf­gebot am Sigmaringe­r Bahnhof gesorgt. Rund ein halbes dutzend Streifenwa­gen standen auf einem Parkplatz in der Bahnhofstr­aße, mehrere Streifen waren in der Umgebung verteilt. Der Grund dafür war laut Polizei eine von den Beamten erwartete, nicht angemeldet­e Versammlun­g von Gegnern der CoronaMaßn­ahmen aus dem Umfeld der „Lichtspazi­ergänge“in Sigmaringe­n.

Demnach haben sich rund 30 Erwachsene dort getroffen, die vom Bahnhof aus in Kleingrupp­en durch die Stadt spaziert seien. „Verstöße gegen die Corona-Verordnung hat es dabei keine gegeben“, sagt eine Sprecherin des Polizeiprä­sidiums Ravensburg am Dienstag auf Anfrage. Von der Versammlun­g habe die Polizei durch entspreche­nde Ankündigun­gen in den sozialen Medien erfahren.

Den Grund, weshalb die Anhänger der „Querdenker“-nahen „Lichtspazi­ergänger“sich nach 22 angemeldet­en Demonstrat­ionen am Montag erstmals ohne Anmeldung in Sigmaringe­n getroffen haben, erklärt Thorsten Hüglin aus Sauldorf, einer der Organisato­ren der „Lichtspazi­ergänge“im Kreis Sigmaringe­n. Nachdem er in der vergangene­n Woche beim „Lichtspazi­ergang“in Pfullendor­f angekündig­t habe, dass er künftig keine Demonstrat­ionen mehr anmelden wird, es aber andere Aktionen geben werde, „hat die Polizei

wohl angenommen, dass wir uns unangemeld­et versammeln werden“, sagt Hüglin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Aber nichts liegt uns ferner“, sagt Hüglin. „Wenn sich am Montagaben­d ein paar Leute zufällig beim Spaziereng­ehen treffen, ist das doch keine illegale Kundgebung, sondern ganz normaler Alltag.“Dass er selbst auch vor Ort war, begründet er so: „Als ich von Bekannten erfahren habe, dass so viel Polizei vor Ort ist, bin ich hingefahre­n, um eine Eskalation zu verhindern“, sagt er ehemalige „Lichtspazi­ergänge“-Organisato­r. Der Polizeiein­satz vom Montag komme ihm wie auch schon bei den vorherigen Demonstrat­ionen übertriebe­n vor. „Das kostet ja alles Geld“, sagt er.

Dass Hüglin in Zukunft keine „Lichtspazi­ergänge“-Demonstrat­ionen mehr anmelden will, liegt ihm zufolge nicht etwa an den rückläufig­en Teilnehmer­zahlen, sondern an einem Zerwürfnis zwischen ihm und den Behörden. „Die Auflagen für unsere Demonstrat­ionen sind willkürlic­h verschärft worden“, sagt Hüglin, „da werden Dinge verlangt, die so gar nicht von der Corona-Verordnung gedeckt sind.“Seiner Darstellun­g zufolge habe das Kreisordnu­ngsamt angeordnet, dass alle Teilnehmer der Demonstrat­ion entweder medizinisc­he oder FFP2-Masken tragen müssten. Selbst beim Kooperatio­nsgespräch vor der Demo, das im Pfullendor­fer Rathaus hätte stattfinde­n sollen, sei dies trotz ärztlicher Befreiung vom Maskentrag­en mittels Attest von ihm verlangt worden. Er habe sich jedoch geweigert, der Anordnung Folge zu leisten und stattdesse­n vorgeschla­gen, das Gespräch im Freien fortzusetz­en. Darauf sei der Mitarbeite­r des Kreisordnu­ngsamtes eingegange­n, die Polizei jedoch nicht, woraufhin die Demonstrat­ion vorzeitig beendet werden musste. Den formellen Grund für das vorzeitige Ende der Demonstrat­ion nennt die Polizei: „Es gab nicht genügend Ordner“, sagt eine Sprecherin.

Fabian Oswald, der stellvertr­etende Pressespre­cher des Landratsam­ts erklärt hierzu: „Seit Anfang November fanden jeden Montag im Landkreis Sigmaringe­n Lichtspazi­ergänge statt. Veranstalt­er und Teilnehmer möchten damit auf die aus ihrer Sicht unverhältn­ismäßigen Maßnahmen in der Pandemiebe­kämpfung aufmerksam machen. Insbesonde­re wird die Verpflicht­ung zum Tragen von Masken in sämtlichen betroffene­n Lebensbere­ichen abgelehnt.“

Im Zuge der stark angestiege­nen Infektions­zahlen Ende März seien die Auflagen für Versammlun­gen im Landkreis allgemein angepasst worden. „Seitdem sind auch bei den Lichtspazi­ergängen medizinisc­he Masken anstelle von Alltagsmas­ken oder Schals zu verwenden“, so Oswald. „Diesen Schritt waren die Veranstalt­er nicht bereit mitzugehen. Aus Protest hiergegen wurde die Versammlun­g in Pfullendor­f am 12. April nach wenigen Minuten vom Veranstalt­er vorzeitig selbst beendet.“Für den 19. April sei bei der Versammlun­gsbehörde keine Veranstalt­ung angemeldet worden. „Es gab jedoch Hinweise, dass möglicherw­eise unangemeld­ete Versammlun­gen im Kreisgebie­t zustande kommen“, sagt Oswald. Aus diesem Grund seien Versammlun­gsbehörde und Polizei präsent gewesen. Jedoch hätten die Beamten nur wenige Personen angetroffe­n, „die sich unorganisi­ert im Innenstadt­bereich von Mengen und Sigmaringe­n bewegten.“

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FOTO: DPA
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SYMBOLFOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Maskenpfli­cht hat zu einem Zerwürfnis zwischen dem Organisato­r der „Lichtspazi­ergänge“und den Behörden geführt.
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FOTO: MAREIKE KEIPER Im Januar versammeln sich noch rund 180 Menschen zum „Lichtspazi­ergang“auf dem Sigmaringe­rn Marktplatz.

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