Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Lockerungen im Heim bleiben erst einmal Theorie
Land erlaubt mehr Freiheiten bei Besuchen – Gammertingen will mit der Umsetzung aber noch warten
GAMMERTINGEN - Seit dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland vor gut einem Jahr hat es im Gammertinger Pflegeheim nicht einen einzigen Corona-Fall gegeben. Jetzt könnte die Einrichtung die Regeln für Besucher lockern, doch der Heimleiter zögert. „Aus meiner Sicht wäre das in der jetzigen Situation unverantwortlich“, sagt er. „Auch wenn wir Bewohnern und Besuchern natürlich so weit wie möglich entgegenkommen wollen.“
Die am Montag in Kraft getretene Corona-Verordnung für BadenWürttemberg sieht unter anderem Lockerungen bei Besuchen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vor – wenn dort mindestens 90 Prozent der Bewohner gegen das Coronavirus geimpft beziehungsweise von einer Covid-19-Erkrankung genesen sind. So kann in diesem Fall etwa die Beschränkung auf zwei Besucher pro Tag aufgehoben werden.
In den Zimmern von geimpften beziehungsweise genesenen Bewohnern müssen Besucher auch keine FFP2-Maske mehr tragen. Bestehen bleibt die Maskenpflicht in Gemeinschaftsbereichen. Außerdem müssen Besucher auch weiterhin einen negativen Schnelltest vorweisen.
Eigentlich würde sich Heinrich Dietmann, Leiter des Gammertinger Pflegeheims, über die Möglichkeit solcher Lockerungen freuen. Eigentlich. Denn seit etwa einer Woche hat sich die Stadt zum Corona-Hotspot entwickelt. Am Dienstag meldete das zuständige Sigmaringer Landratsamt zehn weitere Neuinfektionen. Damit steigt die Zahl der positiv getesteten Gammertinger auf 76 – so viele wie seit einem Jahr nicht mehr.
„Angesichts dieser Lage werden wir unsere aktuellen Regeln erst einmal beibehalten“, sagt Heinrich Dietmann. Damit könnten aber nicht nur er selbst, sondern vermutlich auch Mitarbeiter, Bewohner und Besucher ganz gut leben. Denn sowohl das Sicherheitskonzept der Einrichtung als auch ihre Besucherregelung hätten sich bewährt. „Wir haben ein gut funktionierendes Testangebot und es gibt viele Bewohner, die regelmäßig Besuch bekommen. Insofern sehe ich keinen Anlass, unter diesen Bedingungen ein gut funktionierendes System aufzugeben.“
Die geforderte Impfquote von 90 Prozent hat das Pflegeheim St. Elisabeth laut Dietmann so gerade eben erreicht. Nahezu alle Bewohner hätten sich beim Besuch des mobilen Impfteams aus Tübingen im Februar impfen lassen, sagt der Heimleiter. „Aber: Nach der Impfung ist vor der Impfung.“So seien seit Ende März etwa zehn neue Heimbewohner hinzugekommen, die alle erst nach ihrem Einzug geimpft werden konnten. „Wenn jetzt ein Bewohner stirbt und zwei neue, nicht geimpfte hinzukommen, sind wir wieder unter den 90 Prozent“, sagt Dietmann.
Auch wenn das Alter der neuen Heimbewohner in der Regel für eine Coronavirus-Impfung ausreichen würde: Bislang kam keiner von ihnen bereits geimpft in die Einrichtung. „Es gibt eben viele Menschen, die einer Fahrt ins Impfzentrum nach Hohentengen gesundheitlich kaum gewachsen sind“, sagt Heinrich Dietmann. Darüber hinaus kämen neue Bewohner oft direkt aus dem Krankenhaus
– und dort werde kein Patient geimpft. „Vor diesem Hintergrund sind Impfungen bei uns im Heim durch die Hausärzte eine große Erleichterung.“
Von den Angestellten des Gammertinger Pflegeheims sind inzwischen weit mehr als 70 Prozent geimpft worden. Trotz allem werden nicht nur die Besucher, sondern auch die Mitarbeiter und die Bewohner weiterhin regelmäßig auf eine mögliche Covid-19-Infektion getestet. Dadurch soll ein größerer Ausbruch auch in Zukunft verhindert werden.
Alles in allem blickt Heinrich Dietmann nach gut einem Jahr Corona-Pandemie
auf eine schwierige Zeit zurück – aus der aber alle Beteiligten das Beste gemacht hätten, wie er sagt. Unter den Einschränkungen hätten vor allem die Bewohner gelitten, die regelmäßig andere Menschen gesehen hätten. Manche bekämen täglich Besuch, manche eine Woche lang auch gar keinen. „Wir haben versucht, das so gut wie möglich aufzufangen“, sagt Dietmann. Zum Beispiel durch die Ermöglichung von Videotelefonie und von Aktivitäten im Freien. „Durch unseren geschützten Garten haben wir dort schon relativ früh relativ viel machen können.“