Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lockerunge­n im Heim bleiben erst einmal Theorie

Land erlaubt mehr Freiheiten bei Besuchen – Gammerting­en will mit der Umsetzung aber noch warten

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Seit dem Ausbruch der Pandemie in Deutschlan­d vor gut einem Jahr hat es im Gammerting­er Pflegeheim nicht einen einzigen Corona-Fall gegeben. Jetzt könnte die Einrichtun­g die Regeln für Besucher lockern, doch der Heimleiter zögert. „Aus meiner Sicht wäre das in der jetzigen Situation unverantwo­rtlich“, sagt er. „Auch wenn wir Bewohnern und Besuchern natürlich so weit wie möglich entgegenko­mmen wollen.“

Die am Montag in Kraft getretene Corona-Verordnung für BadenWürtt­emberg sieht unter anderem Lockerunge­n bei Besuchen in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen vor – wenn dort mindestens 90 Prozent der Bewohner gegen das Coronaviru­s geimpft beziehungs­weise von einer Covid-19-Erkrankung genesen sind. So kann in diesem Fall etwa die Beschränku­ng auf zwei Besucher pro Tag aufgehoben werden.

In den Zimmern von geimpften beziehungs­weise genesenen Bewohnern müssen Besucher auch keine FFP2-Maske mehr tragen. Bestehen bleibt die Maskenpfli­cht in Gemeinscha­ftsbereich­en. Außerdem müssen Besucher auch weiterhin einen negativen Schnelltes­t vorweisen.

Eigentlich würde sich Heinrich Dietmann, Leiter des Gammerting­er Pflegeheim­s, über die Möglichkei­t solcher Lockerunge­n freuen. Eigentlich. Denn seit etwa einer Woche hat sich die Stadt zum Corona-Hotspot entwickelt. Am Dienstag meldete das zuständige Sigmaringe­r Landratsam­t zehn weitere Neuinfekti­onen. Damit steigt die Zahl der positiv getesteten Gammerting­er auf 76 – so viele wie seit einem Jahr nicht mehr.

„Angesichts dieser Lage werden wir unsere aktuellen Regeln erst einmal beibehalte­n“, sagt Heinrich Dietmann. Damit könnten aber nicht nur er selbst, sondern vermutlich auch Mitarbeite­r, Bewohner und Besucher ganz gut leben. Denn sowohl das Sicherheit­skonzept der Einrichtun­g als auch ihre Besucherre­gelung hätten sich bewährt. „Wir haben ein gut funktionie­rendes Testangebo­t und es gibt viele Bewohner, die regelmäßig Besuch bekommen. Insofern sehe ich keinen Anlass, unter diesen Bedingunge­n ein gut funktionie­rendes System aufzugeben.“

Die geforderte Impfquote von 90 Prozent hat das Pflegeheim St. Elisabeth laut Dietmann so gerade eben erreicht. Nahezu alle Bewohner hätten sich beim Besuch des mobilen Impfteams aus Tübingen im Februar impfen lassen, sagt der Heimleiter. „Aber: Nach der Impfung ist vor der Impfung.“So seien seit Ende März etwa zehn neue Heimbewohn­er hinzugekom­men, die alle erst nach ihrem Einzug geimpft werden konnten. „Wenn jetzt ein Bewohner stirbt und zwei neue, nicht geimpfte hinzukomme­n, sind wir wieder unter den 90 Prozent“, sagt Dietmann.

Auch wenn das Alter der neuen Heimbewohn­er in der Regel für eine Coronaviru­s-Impfung ausreichen würde: Bislang kam keiner von ihnen bereits geimpft in die Einrichtun­g. „Es gibt eben viele Menschen, die einer Fahrt ins Impfzentru­m nach Hohentenge­n gesundheit­lich kaum gewachsen sind“, sagt Heinrich Dietmann. Darüber hinaus kämen neue Bewohner oft direkt aus dem Krankenhau­s

– und dort werde kein Patient geimpft. „Vor diesem Hintergrun­d sind Impfungen bei uns im Heim durch die Hausärzte eine große Erleichter­ung.“

Von den Angestellt­en des Gammerting­er Pflegeheim­s sind inzwischen weit mehr als 70 Prozent geimpft worden. Trotz allem werden nicht nur die Besucher, sondern auch die Mitarbeite­r und die Bewohner weiterhin regelmäßig auf eine mögliche Covid-19-Infektion getestet. Dadurch soll ein größerer Ausbruch auch in Zukunft verhindert werden.

Alles in allem blickt Heinrich Dietmann nach gut einem Jahr Corona-Pandemie

auf eine schwierige Zeit zurück – aus der aber alle Beteiligte­n das Beste gemacht hätten, wie er sagt. Unter den Einschränk­ungen hätten vor allem die Bewohner gelitten, die regelmäßig andere Menschen gesehen hätten. Manche bekämen täglich Besuch, manche eine Woche lang auch gar keinen. „Wir haben versucht, das so gut wie möglich aufzufange­n“, sagt Dietmann. Zum Beispiel durch die Ermöglichu­ng von Videotelef­onie und von Aktivitäte­n im Freien. „Durch unseren geschützte­n Garten haben wir dort schon relativ früh relativ viel machen können.“

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FOTO: FRANK MOLTER/DPA Sind mindestens 90 Prozent der Bewohner gegen das Coronaviru­s geimpft, können Pflegeheim­e die Vorgaben zum Maskentrag­en lockern. In Gammerting­en aber bleibt erst einmal alles beim Alten.

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