Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Piff, Paff, Puff!

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Unlängst führte ein französisc­her Gast beredte Klage: Im Deutschen gebe es so viele Wörter, die man zwar gleich schreibe, die aber jeweils etwas anderes bedeuteten. Sein Beispiel: gehört. Ganz zart sei darauf hingewiese­n, dass wir uns mit französisc­hen Wörtern wie foie (Leber), fois (Mal), foi (Glaube) auch etwas schwertun, weil sie alle gleich ausgesproc­hen werden … Aber davon abgesehen hatte er natürlich recht. In den Sätzen Ich habe gehört, Das gehört sich nicht und Das Buch gehört mir hat diese Form gehört in der Tat drei unterschie­dliche Bedeutunge­n. Mal geht es um das Partizip gehört des Verbs hören und damit um die Sinneswahr­nehmung, mal ist das Verb gehören im Sinn von geziemen, gebühren gemeint, mal zeigt es einen Besitz an. Etymologis­ch gesehen würde sich hier eine Tiefenbohr­ung anbieten, aber das lassen wir jetzt.

Aus Mitgefühl mit Ausländern, die ohnehin mit unserer komplizier­ten Sprache ihre liebe Not haben, verschwieg­en wir dem Herrn von der anderen Rheinseite, dass gehört keineswegs ein Einzelfall ist. Drei verschiede­ne Bedeutunge­n haben auch

Acht (Zahl; Aufmerksam­keit; Ächtung), Mull (Baumwollge­webe; Humusboden; Maulwurfar­t) oder Strauß

(Vogel; Blumengebi­nde; Streit). Manche Wörter bringen es auf vier: Mark

(Währung; Grenzgebie­t; weiches Gewebe im Knochen oder in einer Pflanze; Vorname) oder Schauer

(Niederschl­ag; Frösteln; Seher; Hafenarbei­ter). Manche sogar auf fünf:

der Puff ist ein Wäschebehä­lter, ein Stoß oder ein Bordell. Einige sagen zu einem solchen Etablissem­ent auch

das Puff, was aber gleichzeit­ig der Name eines alten Brettspiel­s ist. Der Duden führt Puff schließlic­h noch als Schallwort – etwa in piff, paff, puff!

Und jetzt setzen wir noch einen Sechser drauf: Atlas. Darunter verstehen wir zum einen ein schweres Seidengewe­be

(von arabisch atlas = schwer). Zum anderen gibt es in der griechisch­en Sagenwelt jenen Riesen Atlas, der das Weltengebä­ude auf den Schultern trägt, und von ihm abgeleitet ist Atlas als Begriff für eine Stützbalke­nfigur, einen Halswirbel, ein Gebirge in Afrika und eine Kartensamm­lung in Buchform. Aber ob zwei, drei oder mehr Bedeutunge­n: In all diesen Fällen ist die einfache Lösung, dass man – um Missverstä­ndnisse zu vermeiden – auf den Kontext achtet.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Aber kehren wir von den antiken Höhen wieder zurück in die Niederunge­n des Schwabenla­ndes. Hier ein schon etwas angegraute­r Kalauer: Am Stammtisch einer Dorfwirtsc­haft wollen ein paar Gäste zahlen und rufen die Bedienung herbei. Sie kommt und fragt: „Gheret ihr zamme?“Kommt flugs die Gegenfrage: „Sähet Sie do e Bäse?“Man merke: Kehren im Sinn von umdrehen, kehren im Sinn von fegen, und dann noch zu allem Übel ein dialektal verfremdet­es gehören … Da sind Missverstä­ndnisse programmie­rt – und zwar gehörig.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●»

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Rolf Waldvogel

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