Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Oberschwab­en soll Schutzgebi­et werden

Welche Rolle die Region bei den grün-schwarzen Koalitions­verhandlun­gen spielt

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - In Oberschwab­en und im Allgäu könnte es ein Biosphären­gebiet geben. Das ist Gegenstand der grün-schwarzen Koalitions­verhandlun­gen in Stuttgart. Offensicht­lich können sich sowohl Grüne als auch die CDU ein solches Gebiet im Landkreis Ravensburg und darüber hinaus vorstellen. Dies könnte sogar Teile in den angrenzend­en bayerische­n Landkreise­n umfassen. Sollte ein solches Gebiet in der Region kommen, wäre es das dritte seiner Art im Land Baden-Württember­g.

Wie aus einer gemeinsame­n Pressemitt­eilung der grünen Landtagsab­geordneten Petra Krebs aus Wangen und Manfred Lucha aus Ravensburg hervorgeht, sehen sie bei den Koalitions­verhandlun­gen für eine grünschwar­ze Landesregi­erung in Stuttgart eine Chance für ein Biosphären­gebiet in der Region. Es solle gar zu einem „zentralen Vorhaben“der neuen Landesregi­erung werden.

Das Gebiet des beabsichti­gten Biosphären­gebiets solle Oberschwab­en und das Württember­gische Allgäu umfassen. Konkret soll dieses Gebiet ihrer Meinung nach das Westallgäu mit dem Wurzacher Ried und die Adelegg bei Isny sowie den Altdorfer Wald umfassen, der wegen des umstritten­en Kiesabbaus bei Vogt mittlerwei­le seit vier Jahren in den Schlagzeil­en ist.

„Ein Biosphären­schutzgebi­et eröffnet hervorrage­nde Entwicklun­gsmöglichk­eiten für die betroffene­n Regionen und fördert gleichzeit­ig Natur-, Klima- und Artenschut­z auf großen zusammenhä­ngenden Flächen“, so Krebs und Lucha. „Dass wir in unserer Region und in unserem Landkreis Ravensburg bundesweit einzigarti­ge und ganz besonders schutzwürd­ige Gebiete haben, etwa das Wurzacher Ried oder auch die Adelegg, steht außer Frage und ist auch internatio­nal anerkannt.“

Überrascht über die Bekanntgab­e des Themas seiner grünen Kollegen zeigt sich der CDU-Landtagsab­geordnete Raimund Haser aus dem Allgäu. Er ist der stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU-Verhandlun­gsgruppe zum Themenkomp­lex Umwelt. Auch er befürworte­t nach Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“ein solches Schutzgebi­et ausdrückli­ch. Das Thema habe auch auf der CDU-Agenda gestanden. Denn: „Das Biosphären­gebiet Schwäbisch­e Alb zeigt, dass dies zu unserem Naturraum und unseren Bewirtscha­ftungsform­en passt“, sagt Haser.

Das Biosphären­gebiet für Oberschwab­en soll vom Thema Moor geleitet werden. Das sei das Thema, das die Region auszeichne. „Das beginnt beim Pfrunger-Burgweiler Ried, geht über das Wurzacher Ried bis zur Adelegg bei Isny. Aber auch der Federsee in Bad Buchau zählt für mich dazu“, sagt der Abgeordnet­e Raimund Haser.

Bisher gibt es in Baden-Württember­g zwei Biosphären­gebiete. Eines befindet sich auf der Schwäbisch­en Alb, wo 2008 rund um den ehemaligen Truppenübu­ngsplatz bei Münsingen das erste im Land ausgewiese­n wurde. Das zweite folgte 2016 im Schwarzwal­d, das seit 2017 von der Unesco zum Biosphären­reservat ernannt wurde.

Krebs und Lucha verweisen in ihrer Pressemitt­eilung bei der geplanten Gebietsabg­renzung auf die vom Bundesamt für Naturschut­z erfassten sogenannte­n „Bedeutsame­n Landschaft­en“in Deutschlan­d. Sowohl der Altdorfer Wald als auch das Württember­gische Allgäu mit dem

Wurzacher Ried seien dort speziell genannt. Die Abgeordnet­en schlagen außerdem vor, das auf bayerische­r Seite unmittelba­r anschließe­nde „Westallgäu­er Hügelland“im Kreis Lindau mit in das Biosphären­gebiet aufzunehme­n. Laut Bundesamt für Naturschut­z sind alle drei Gebiete „Landschaft­en mit hoher Bedeutung für das natürliche und kulturelle Erbe“. Ein Biosphären­gebiet (auch Biosphären­reservat genannt) ist im Bundesnatu­rschutzges­etz geregelt. Darin heißt es, dass diese Gebiete „einheitlic­h zu schützende und zu entwickeln­de Gebiete“sind, die für ihre Landschaft charakteri­stisch sind und in wesentlich­en Teilen die Voraussetz­ungen eines Naturschut­zgebiets und eines Landschaft­sschutzgeb­iets aufweisen.

Aufgeteilt ist das Biosphären­gebiet in sogenannte Kernzonen, in die der Mensch möglichst nicht eingreift. Das könnten hier vor Ort die Moore sein. Darüber hinaus gibt es eine Pflegezone mit Natur- und Landschaft­sschutzgeb­ieten sowie eine Entwicklun­gszone mit Siedlungsf­lächen, in der eine vorbildlic­h ökologisch ausgericht­ete Wirtschaft­sentwicklu­ng unterstütz­t werden soll.

Ob ein solches Gebiet tatsächlic­h kommt, hängt aber vom Willen in der Region ab. Im Unterschie­d zum Nationalpa­rk, der von der Politik ausgewiese­n wird, entsteht ein Biosphären­gebiet laut Haser in Zusammenar­beit mit den Kommunen vor Ort, bei der auch die Landwirtsc­haft beteiligt ist. Raimund Haser will in der Region für ein solches Gebiet werben. Er sagt aber auch: „Es handelt sich hierbei um einen Prozess, an dessen Ende auch herauskomm­en kann, dass wir nicht zu Potte kommen.“

Er sieht das Biosphären­gebiet jedoch als große Chance, ein Dach zu bekommen „für das, was wir in phänomenal­er Art und Weise schon lange vorbildlic­h machen und in was wir seit Jahren zig Millionen Euro gesteckt haben“. Schließlic­h gibt es in dem genannten Gebiet schon diverse Schutzgebi­ete, die dann Bestandtei­l der Kernzone sein können. Damit lasse sich die Region auch touristisc­h gut vermarkten und passe zu dem, was die Oberschwab­en Tourismus oder aber auch Center Parcs in Leutkirch machen. Das Gebiet sei für die Region gar die Möglichkei­t zur Abgrenzung vom Weltmarkt. „Diese Chance sollten wir ergreifen“, so Raimund Haser.

Die Idee eines Biosphären­gebietes in Oberschwab­en und im Allgäu ist nicht neu. Im vergangene­n Jahr brachte die Fraktion der Grünen im Ravensburg­er Kreistag diesen Vorschlag ein. Dabei stand jedoch die Debatte um den Altdorfer Wald, dem mit 82 Quadratkil­ometer größten zusammenhä­ngenden Wald der Region, im Mittelpunk­t. Aber die Idee reicht zurück bis ins Jahr 2010, als es im Allgäu einen ersten Vorstoß in Richtung Biosphären­gebiet gab, der aber aufgrund von Widerständ­en aus der Landwirtsc­haft, von Kommunen und auch aus dem Bayerische­n scheiterte. Zu den Vorkämpfer­n von damals zählt der Bio-Landwirt

und Neutrauchb­urger Ortsvorste­her Claus Zengerle. „Vielleicht war die Zeit damals noch nicht reif. Mittlerwei­le hat es aber in der Bevölkerun­g ein Umdenken gegeben“, sagt er.

Er hofft, dass es dieses Mal mit dem Biosphären­gebiet klappt. „Den Altdorfer Wald hatten wir damals nicht im Blick, der würde aber voll reinpassen. Vielleicht könnte er auch den Ausschlag dafür geben, dass es dieses Mal geht, weil das meiste Staatsfors­t ist“, so Zengerle. Er sieht große Vorteile für alle: Dadurch lasse sich die Region touristisc­h gut vermarkten, die landwirtsc­haftlichen Produkte bekämen ein zusätzlich­es Label, aber auch Unternehme­n könnten profitiere­n beim Verkauf von Produkten und beim Werben für Arbeitskrä­fte.

Ortsvorste­her Claus Zengerle ist eines besonders wichtig: Es muss dieses Mal eine gute Kommunikat­ion geben, alle müssen mitgenomme­n werden und Ängste müssen ausgeräumt werden.

 ?? FOTO: REINHARD WÜNSCH ?? Von der Aussichtsk­anzel des Bannwaldtu­rmes im Pfrunger-Burgweiler Ried genießt man einen 360-Grad-Panoramabl­ick über das Ried. Der Blick schweift hier in südlicher Richtung über die Seenplatte mit Moorlandsc­haft hinüber auf die Höhen des Höchsten.
FOTO: REINHARD WÜNSCH Von der Aussichtsk­anzel des Bannwaldtu­rmes im Pfrunger-Burgweiler Ried genießt man einen 360-Grad-Panoramabl­ick über das Ried. Der Blick schweift hier in südlicher Richtung über die Seenplatte mit Moorlandsc­haft hinüber auf die Höhen des Höchsten.

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