Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Oberschwaben soll Schutzgebiet werden
Welche Rolle die Region bei den grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen spielt
KREIS RAVENSBURG - In Oberschwaben und im Allgäu könnte es ein Biosphärengebiet geben. Das ist Gegenstand der grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen in Stuttgart. Offensichtlich können sich sowohl Grüne als auch die CDU ein solches Gebiet im Landkreis Ravensburg und darüber hinaus vorstellen. Dies könnte sogar Teile in den angrenzenden bayerischen Landkreisen umfassen. Sollte ein solches Gebiet in der Region kommen, wäre es das dritte seiner Art im Land Baden-Württemberg.
Wie aus einer gemeinsamen Pressemitteilung der grünen Landtagsabgeordneten Petra Krebs aus Wangen und Manfred Lucha aus Ravensburg hervorgeht, sehen sie bei den Koalitionsverhandlungen für eine grünschwarze Landesregierung in Stuttgart eine Chance für ein Biosphärengebiet in der Region. Es solle gar zu einem „zentralen Vorhaben“der neuen Landesregierung werden.
Das Gebiet des beabsichtigten Biosphärengebiets solle Oberschwaben und das Württembergische Allgäu umfassen. Konkret soll dieses Gebiet ihrer Meinung nach das Westallgäu mit dem Wurzacher Ried und die Adelegg bei Isny sowie den Altdorfer Wald umfassen, der wegen des umstrittenen Kiesabbaus bei Vogt mittlerweile seit vier Jahren in den Schlagzeilen ist.
„Ein Biosphärenschutzgebiet eröffnet hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten für die betroffenen Regionen und fördert gleichzeitig Natur-, Klima- und Artenschutz auf großen zusammenhängenden Flächen“, so Krebs und Lucha. „Dass wir in unserer Region und in unserem Landkreis Ravensburg bundesweit einzigartige und ganz besonders schutzwürdige Gebiete haben, etwa das Wurzacher Ried oder auch die Adelegg, steht außer Frage und ist auch international anerkannt.“
Überrascht über die Bekanntgabe des Themas seiner grünen Kollegen zeigt sich der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser aus dem Allgäu. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Verhandlungsgruppe zum Themenkomplex Umwelt. Auch er befürwortet nach Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ein solches Schutzgebiet ausdrücklich. Das Thema habe auch auf der CDU-Agenda gestanden. Denn: „Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb zeigt, dass dies zu unserem Naturraum und unseren Bewirtschaftungsformen passt“, sagt Haser.
Das Biosphärengebiet für Oberschwaben soll vom Thema Moor geleitet werden. Das sei das Thema, das die Region auszeichne. „Das beginnt beim Pfrunger-Burgweiler Ried, geht über das Wurzacher Ried bis zur Adelegg bei Isny. Aber auch der Federsee in Bad Buchau zählt für mich dazu“, sagt der Abgeordnete Raimund Haser.
Bisher gibt es in Baden-Württemberg zwei Biosphärengebiete. Eines befindet sich auf der Schwäbischen Alb, wo 2008 rund um den ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen das erste im Land ausgewiesen wurde. Das zweite folgte 2016 im Schwarzwald, das seit 2017 von der Unesco zum Biosphärenreservat ernannt wurde.
Krebs und Lucha verweisen in ihrer Pressemitteilung bei der geplanten Gebietsabgrenzung auf die vom Bundesamt für Naturschutz erfassten sogenannten „Bedeutsamen Landschaften“in Deutschland. Sowohl der Altdorfer Wald als auch das Württembergische Allgäu mit dem
Wurzacher Ried seien dort speziell genannt. Die Abgeordneten schlagen außerdem vor, das auf bayerischer Seite unmittelbar anschließende „Westallgäuer Hügelland“im Kreis Lindau mit in das Biosphärengebiet aufzunehmen. Laut Bundesamt für Naturschutz sind alle drei Gebiete „Landschaften mit hoher Bedeutung für das natürliche und kulturelle Erbe“. Ein Biosphärengebiet (auch Biosphärenreservat genannt) ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt. Darin heißt es, dass diese Gebiete „einheitlich zu schützende und zu entwickelnde Gebiete“sind, die für ihre Landschaft charakteristisch sind und in wesentlichen Teilen die Voraussetzungen eines Naturschutzgebiets und eines Landschaftsschutzgebiets aufweisen.
Aufgeteilt ist das Biosphärengebiet in sogenannte Kernzonen, in die der Mensch möglichst nicht eingreift. Das könnten hier vor Ort die Moore sein. Darüber hinaus gibt es eine Pflegezone mit Natur- und Landschaftsschutzgebieten sowie eine Entwicklungszone mit Siedlungsflächen, in der eine vorbildlich ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsentwicklung unterstützt werden soll.
Ob ein solches Gebiet tatsächlich kommt, hängt aber vom Willen in der Region ab. Im Unterschied zum Nationalpark, der von der Politik ausgewiesen wird, entsteht ein Biosphärengebiet laut Haser in Zusammenarbeit mit den Kommunen vor Ort, bei der auch die Landwirtschaft beteiligt ist. Raimund Haser will in der Region für ein solches Gebiet werben. Er sagt aber auch: „Es handelt sich hierbei um einen Prozess, an dessen Ende auch herauskommen kann, dass wir nicht zu Potte kommen.“
Er sieht das Biosphärengebiet jedoch als große Chance, ein Dach zu bekommen „für das, was wir in phänomenaler Art und Weise schon lange vorbildlich machen und in was wir seit Jahren zig Millionen Euro gesteckt haben“. Schließlich gibt es in dem genannten Gebiet schon diverse Schutzgebiete, die dann Bestandteil der Kernzone sein können. Damit lasse sich die Region auch touristisch gut vermarkten und passe zu dem, was die Oberschwaben Tourismus oder aber auch Center Parcs in Leutkirch machen. Das Gebiet sei für die Region gar die Möglichkeit zur Abgrenzung vom Weltmarkt. „Diese Chance sollten wir ergreifen“, so Raimund Haser.
Die Idee eines Biosphärengebietes in Oberschwaben und im Allgäu ist nicht neu. Im vergangenen Jahr brachte die Fraktion der Grünen im Ravensburger Kreistag diesen Vorschlag ein. Dabei stand jedoch die Debatte um den Altdorfer Wald, dem mit 82 Quadratkilometer größten zusammenhängenden Wald der Region, im Mittelpunkt. Aber die Idee reicht zurück bis ins Jahr 2010, als es im Allgäu einen ersten Vorstoß in Richtung Biosphärengebiet gab, der aber aufgrund von Widerständen aus der Landwirtschaft, von Kommunen und auch aus dem Bayerischen scheiterte. Zu den Vorkämpfern von damals zählt der Bio-Landwirt
und Neutrauchburger Ortsvorsteher Claus Zengerle. „Vielleicht war die Zeit damals noch nicht reif. Mittlerweile hat es aber in der Bevölkerung ein Umdenken gegeben“, sagt er.
Er hofft, dass es dieses Mal mit dem Biosphärengebiet klappt. „Den Altdorfer Wald hatten wir damals nicht im Blick, der würde aber voll reinpassen. Vielleicht könnte er auch den Ausschlag dafür geben, dass es dieses Mal geht, weil das meiste Staatsforst ist“, so Zengerle. Er sieht große Vorteile für alle: Dadurch lasse sich die Region touristisch gut vermarkten, die landwirtschaftlichen Produkte bekämen ein zusätzliches Label, aber auch Unternehmen könnten profitieren beim Verkauf von Produkten und beim Werben für Arbeitskräfte.
Ortsvorsteher Claus Zengerle ist eines besonders wichtig: Es muss dieses Mal eine gute Kommunikation geben, alle müssen mitgenommen werden und Ängste müssen ausgeräumt werden.