Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Letzter Rettungsversuch für eine Schule
Bad Saulgau will die von der Schließung bedrohte Erich-Kästner-Schule retten
BAD SAULGAU - Kehrtwende: Die Stadt Bad Saulgau will die von der Schulschließung bedrohte ErichKästner-Schule retten und räumt Fehler bei der Einführung der Inklusion ein. Damit bahnt sich die Abkehr vom bisher verfolgten Konzept an, das bei Schülern mit Lernschwierigkeiten einseitig auf den Unterricht in Klassen der Regelschule setzte. Mit dem Briefentwurf wird sich der Gemeinderat Bad Saulgau in öffentlicher Online-Sitzung am Donnerstag, 29. April, um 18 Uhr im Stadtforum in Bad Saulgau beschäftigen und darüber abstimmen.
Für eine Rettung der Erich-Kästner-Schule ist es fünf vor zwölf. Anfang März hat das Regierungspräsidium Tübingen der Stadtverwaltung in einem Schreiben förmlich mitgeteilt, dass diese Förderschule in Bad Saulgau an drei aufeinanderfolgenden Schuljahren die Mindestschülerzahl von zwölf Schülern nicht erreicht hat. Zum Stichtag der amtlichen Schulstatistik am 21. Oktober 2020 hatte die Schule gar keine Schüler. Mit dem Schreiben ist nun die Stadtverwaltung wieder am Zug. Als Schulträger wird sie von der Tübinger Behörde aufgefordert, eine „regionale Schulentwicklung“durchzuführen. Sollte kein Antrag auf schulorganisatorische Maßnahmen gestellt werden, wird die Schule geschlossen. Das wäre zum Ende des laufenden Schuljahres der Fall, also bereits im Sommer. Der von Bürgermeisterin Doris Schröter unterzeichnete Entwurf einer Antwort an das Regierungspräsidium stellt für Bad Saulgau eine 180-Grad-Kehrtwende in der Pädagogik im Förderbereich dar, falls der Gemeinderat zustimmt.
Seit 2015 hatte Bad Saulgau darauf gesetzt, Schüler mit Lernschwierigkeiten im Zuge der Inklusion in Klassen der regulären Berta-HummelSchule und im Walter-Knoll-Schulverbund zu unterrichten. Da Sonderpädagogen im allgemeinen, aber besonders beim Inklusionsmodell in Bad Saulgau fehlen, können die ursprünglichen Zusagen einer zusätzlichen sonderpädagogischen Betreuung dieser Inklusionsklassen allenfalls noch auf minimalem Niveau eingehalten werden. Gleichzeitig verlor die Erich-Kästner-Schule ihre Schüler an die Inklusionsklassen.
Der damals eingeschlagene Weg auf Inklusion zu setzen habe sich „zweifelsohne als Fehler“erwiesen und habe sich „äußerst nachteilig für Bad Saulgau ausgewirkt“, formuliert die Bürgermeisterin jetzt in ihrem Textentwurf. „Da sich die Situation gegenüber 2015 dramatisch verändert hat und triftige (neue) Gründe für den Erhalt der Erich-KästnerSchule vorliegen, bitten wir, von einer Schließung der Erich-KästnerSchule abzusehen und ihre Reaktivierung zu ermöglichen.“
In dem Briefentwurf gesteht die Stadt auch Fehler ein, übt aber auch Kritik an der Informationspolitik des Staatlichen Schulamts. Es wird bedauert, „dass uns die Probleme im Bereich der Inklusion erst relativ spät zu Gehör kamen, vor allem aber, dass von Seiten des Schulamtes mit dem Hilferuf der Kollegien nicht offen umgegangen wurde“. Diese
Rückmeldung war wohl unmissverständlich: „Dass die derzeitige Situation nicht tragbar ist“.
Abgelehnt wird in dem Schreiben das vom staatlichen Schulamt vorgelegte Konzept, das die Einrichtung einer Außenklasse der Mengener Astrid-Lindgren-Schule in Bad Saulgau vorsieht. Das Konzept sei „in sich widersprüchlich und völlig unzureichend“. Damit mache man sich vollständig von der Astrid-Lindgren-Schule Mengen abhängig, weil laut Konzept der Unterricht in der Stammschule in Mengen durch die Außenklasse nicht beeinträchtigt werden dürfe. Mit diesem Modell könne für Bad Saulgau kein verlässlicher Unterricht gewährleistet werden. Die Diskussion um dieses Konzept hatte der Sozialausschuss im Februar in nichtöffentlicher Sitzung geführt.
Schließlich argumentiert die Stadtverwaltung, dass sie für die Erich-Kästner-Schule mit einem ausreichenden Potenzial von 42
Schülern rechne. In dieser Zahl sind allerdings elf Schüler aus Bad Saulgau und Herbertingen mit eingerechnet, die mangels Alternativen in Bad Saulgau inzwischen bereits die Astrid-Lindgren-Schule in Mengen besuchen. Auch für das Raumproblem schlägt die Stadtverwaltung eine Lösung vor: Man wolle die Grundschule am einstigen Standort Brechenmacherschule (heute Walter-Knoll-Schulverbund) reaktivieren und damit Räume für die ErichKästner-Schule im Gebäude der Berta-Hummel-Schule schaffen.
Unterstützung bei der Kehrwende erhält die Stadtverwaltung von den Eltern. In einem von Antje Henkel (Gesamtelternbeirat), Simon Hausmann (Berta-Hummel-Schule) und Monika Akyildiz (Walter-KnollSchulverbund) unterschriebenen Brief an die Bürgermeisterin fordern auch die Eltern „den Konzeptentwurf des Schulamtes abzulehnen und sich weiter für den Erhalt der Erich-Kästner-Schule einzusetzen“.