Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein Gläschen in Ehren
Menschen mit dem Keim unerschütterlicher Lebensfreude im Herzen kennen den Spruch, dass man auch ohne Alkohol lustig sein könne. Insofern sind am Donnerstag in der Türkei besonders heitere Zeiten angebrochen. Denn seitdem gilt am Bosporus strenge Prohibition. Staatschef – und damit gleichzeitig auch letzte Instanz in Sachen Humor – Recep Tayyip Erdogan nutzt den erneuten harten Lockdown, um seine Bürger auszutrocknen. Und weil Bier in der Türkei nicht als Grundnahrungsmittel gilt, ist auch der Gerstensaft verboten.
Harte Lockdowns – so lehrt es uns die inzwischen reichlich vorhandene Runter-, Rauf- und wieder Runterfahrerei – ist bisweilen nur mit sogenannten harten Getränken erträglich. Für die Türken gilt nun aber: abwarten und Tee trinken! Der gehört nach eigenem Bekunden – neben dem leicht vergorenen, aber dennoch alkoholfreien Joghurt Ayran – zu den Lieblingsgetränken von Präsident Erdogan. Und was dem Staatsoberhaupt gut bekommt, kann für die Bürger ja nicht schlecht sein.
Viele Türken sehen das kritisch und haben noch jedweden Alkohol gehamstert, bevor das Verbot greift. Der Einzelhandel meldet für ein muslimisches Land entsprechend ungewöhnlich hohe Verkaufszahlen – und das trotz des Fastenmonats Ramadan. Zum Glück gilt im deutschen Lockdown nicht die Prämisse, dass das Volk zu trinken hat, was der Regierungschefin am besten schmeckt. Angela Merkel liebt nämlich Kartoffelsuppe. Wie dem auch sei: Es gibt Hinweise, dass am Ende jene recht behalten, die glauben, dass kein Alkohol auch keine Lösung ist. (nyf)