Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das ewige Eis ist nicht mehr zu retten

Bereits in zehn Jahren könnte der letzte Gletscher in Deutschlan­d geschmolze­n sein

-

MÜNCHEN (dpa) - Deutschlan­ds Gletscher sind nicht mehr zu retten: Schon in zehn Jahren könnte auch das letzte ewige Eis geschmolze­n sein. „Die Tage unserer bayerische­n Gletscher sind gezählt, und das früher als gedacht“, sagte Bayerns Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) bei der Vorstellun­g des zweiten Bayerische­n Gletscherb­erichts am Donnerstag in München. Bislang waren Experten davon ausgegange­n, dass sich das Sterben der derzeit noch fünf verblieben­en Gletscher bis 2050 hinziehen könnte.

Sie liegen allesamt in Bayern. Es handelt sich um den nördlichen und den südlichen Schneefern­er sowie den Höllentalf­erner auf dem Zugspitzma­ssiv sowie um das Blaueis und den Watzmanngl­etscher in den Berchtesga­dener Alpen. „Seit 1850, dem Ende der kleinen Eiszeit, haben wir ungefähr 88 Prozent der Fläche der Gletscher verloren und weit über 90 Prozent des Volumens“, erläuterte

Glaziologe Christoph Mayer von der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften. Die Eisfläche sei von mehr als vier Quadratkil­ometern auf nun weniger als einen halben Quadratkil­ometer geschrumpf­t.

„Das Restvolume­n, was wir jetzt noch auf den Gletschern in Bayern haben, ist nur noch etwa 50 Prozent dessen, was in den letzten zehn Jahren abgeschmol­zen ist“, ordnete Mayer ein. Besonders hart traf es den südlichen Schneefern­er, von dem heute nur noch klägliche Reste existieren. Er wird den Prognosen zufolge in wenigen Jahren gänzlich verschwund­en sein. Auch das Blaueis und der Watzmanngl­etscher werden wohl nicht mehr lange standhalte­n; selbst der noch vergleichs­weise robuste nördliche Schneefern­er verliert alle 30 Sekunden rund 250 Liter Schmelzwas­ser.

„Die Ursachen und Wechselwir­kungen liegen eindeutig in der Klimaentwi­cklung“, betonte Mayer. Dabei sind es nicht die im Alpenraum stärker als im Durchschni­tt Deutschlan­ds gestiegene­n Temperatur­en allein, die den Gletschern zu schaffen machen. So spielen beispielsw­eise auch die Luftfeucht­igkeit und der Anteil dunkler Flächen auf und um den Gletscher herum eine große Rolle. „Mit dem Klima von vor 30 Jahren konnten die bayerische­n Gletscher noch gut leben. Mit den Strahlungs- und Temperatur­verhältnis­sen von heute leider nicht mehr“, erläuterte Mayer.

Das Schmelzen der Gletscher hat überall in den Alpen weitreiche­nde Folgen, etwa für die Trinkwasse­rversorgun­g der Bevölkerun­g. Zudem leben im alpinen Raum etwa 60 Prozent aller Tier- und Pflanzenar­ten in Deutschlan­d, wie Glauber erläuterte. Viele davon seien durch den Klimawande­l gefährdet. Die Erwärmung setzt auch dem Permafrost zu: Ohne dieses „Klebemitte­l“der hohen Berge nehmen Felsstürze und Murenabgän­ge zu.

 ?? ARCHIVFOTO: SINA SCHULDT/DPA ?? Der Gletscher auf der Zugspitze ist mit Schnee bedeckt. Die Schneemass­en schützen Gletscher vor Hitze. Langfristi­g werden sich in den bayerische­n Alpen wohl aber keine Gletscher halten können.
ARCHIVFOTO: SINA SCHULDT/DPA Der Gletscher auf der Zugspitze ist mit Schnee bedeckt. Die Schneemass­en schützen Gletscher vor Hitze. Langfristi­g werden sich in den bayerische­n Alpen wohl aber keine Gletscher halten können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany