Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Vorgarten gilt als Visitenkar­te des Hauses

Mit einer durchdacht­en Planung entsteht eine Harmonie zwischen Gebäude und Bepflanzun­g

- Von Dorothée Waechter

BAD HONNEF/KÖLN (dpa) - Wer an einem Vorgarten vorbeiläuf­t, kann ihn meist einsehen und Rückschlüs­se auf die Bewohner ziehen. Doch vor dem Haus ist oft wenig Platz. Beides stellt Bewohner bei der Gestaltung vor Herausford­erungen.

In dem Spruch „Der Vorgarten ist die Visitenkar­te des Hauses“steckt viel Wahrheit. Denn der Vorgarten verrät viel über die Bewohner im angrenzend­en Haus. Je kleiner er ist, desto genauer sollten sich Bewohner die Gestaltung überlegen, damit Optik und Funktion automatisc­h ineinander greifen.

Auffällig ist, dass es in einigen Vorgärten kaum noch Pflanzen gibt. Den vorhandene­n Raum nutzen manche Bewohner lieber als Stellplatz für ein oder mehrere Fahrzeuge. Die Gründe für diese Entwicklun­g beschreibt Tjards Wendebourg in seinem Buch „Der Kies muss weg!“wie folgt: Die Grundstück­e seien kleiner geworden, die Menschen haben kaum noch Zeit. Sie seien weniger auf einen Standort fixiert und immer weniger mit natürliche­n Abläufen vertraut. Das habe dazu geführt, dass Vorgärten sich in Steinwüste­n verwandeln. Die Landschaft­sarchitekt­in Brigitte Röde sieht vor allem eine falsche Beratung als Ursache dafür: „Den hilflosen Hausbesitz­ern wird beim Kauf erklärt, dass eine Schüttung aus Gestein eine pflegeleic­hte Lösung für den Vorgarten ist.“Röde gibt aber zu bedenken, dass beispielsw­eise die Folienbahn­en, die Unkraut fernhalten sollen und unter den Steinen ausgelegt werden, später als Sondermüll entsorgt werden müssen.

Bewohner sollten bei der Gestaltung noch mehr bedenken: „Heutzutage spielen darüber hinaus ökologisch­e Argumente in der Gestaltung eine deutlich größere Rolle als noch vor zehn Jahren“, so Wolfgang Groß, Fachrefere­nt im Bundesverb­and Garten-, Landschaft- und Sportplatz­bau (BGL). „Private Vorgärten beziehungs­weise ihre Besitzer haben die Chance, einen wertvollen Beitrag zu Klima- und Artenschut­z in den Städten zu leisten.“Jeder begrünte Quadratmet­er erhöhe die Chance, das Mikroklima und die Artenvielf­alt zu verbessern. „Als grüne Oasen vor der Haustür sind Vorgärten Trittstein­e für die Vernetzung von Ökosysteme­n“, so Groß. Pflanzenre­ich gestaltete Vorgärten sind Lebensraum, Nahrungsqu­elle und Rückzugsmö­glichkeit für Insekten und Vögel.

„Natürlich ist die liebevolle und ansehnlich­e Gestaltung des Vorgartens

eine große Aufgabe“, sagt Brigitte Röde. Doch es beginnt mit einer guten Planung. Bewohner sollten sich Gedanken zu ihren Prioritäte­n machen. „Ich meine, dass der Vorgarten einen selbst freundlich begrüßen sollte und er ein Bild abgibt, das es schön macht, nach Hause zu kommen“, sagt die Landschaft­sarchitekt­in.

Röde berichtet von Projekten, bei denen Städte den Bewohnern einer Straße einen Baum für den Vorgarten schenken. „Steht nun in jedem Vorgarten ein Zierapfel oder eine Felsenbirn­e, entsteht eine Einheit“, so Röde. Unabhängig von solchen Initiative­n rät Röde: Die Gestaltung sollte unbedingt zur Architektu­r und zum Umfeld passen. Gleichzeit­ig könne die Unterpflan­zung und das Material für die Wege sowie die Pflege bei so einem Projekt genügend Raum für Individual­ität bieten.

Eine durchdacht­e Planung und Pflanzenau­swahl sorgen dafür, dass ein Vorgarten die verschiede­nen Anforderun­gen erfüllt. Groß beschreibt den perfekten Vorgarten exemplaris­ch so: Ein Carport mit Dachbegrün­ung bietet Flora und Fauna Platz und hält Regenwasse­r zurück. So lassen sich auch die Mülltonnen geschickt verstecken. Eine bienenfreu­ndliche Staudenpfl­anzung bietet Insekten Nahrung und trägt zur Biodiversi­tät bei. „Abgerundet wird alles durch einen Hausbaum mit einer Bank um den Stamm. Er spendet Schatten, kühlt an heißen Sommertage­n

und lädt manchen Nachbarn zum Verweilen ein.“

Brigitte Röde rät für die Pflanzenau­swahl: „Wichtig ist, dass man die Pflanzen passend zum Standort aussucht.“Für einen schattigen Vorgarten sollten Bewohner Pflanzen auswählen, die mit wenig Sonne zurechtkom­men – sonst verkümmern diese und geben kein gutes Bild ab. Außerdem sollte die Bepflanzun­g zu jeder Jahreszeit schön aussehen. Einzelne Immergrüne seien im Sommer ein Ruhepol, so Röde. In den Wintermona­ten trotzen sie mit ihrem grünen Blattwerk dem Winter. Auch die Zaubernuss zeigt sich wandlungsf­ähig im Lauf der Jahreszeit­en – mit einer leuchtende­n Färbung im Herbst und einer Blüte im Winter.

Unwissenhe­it führe oft zu Fehlern, so Röde. „Wenn man keine Zeit hat, dann ist es falsch, den Vorgarten mit Rasen zu bepflanzen“, sagt die Landschaft­sarchitekt­in. Denn wöchentlic­hes Mähen, Düngen und Wässern sind alles andere als pflegeleic­ht. Als Alternativ­e schlägt Röde viel mehr Bodendecke­r vor – nicht unbedingt immergrüne, wuchsfreud­ige Bodendecke­r, wie das Immergrün oder die Golderdbee­re. Stattdesse­n empfiehlt sie beispielsw­eise das Japanische Waldgras und der Cambridge-Storchschn­abel. „Sie geben den Zwiebelblu­men im Frühling die Möglichkei­t, sich ungestört zu präsentier­en.“Später im Jahr übernehmen sie dank Blüten, Blättern und Wuchsform die Hauptrolle.

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FOTO: BENJAMIN NOLTE/DPA
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA

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