Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Klimaaktiv­isten versperren Zufahrt zu Kiesgruben

Baumbesetz­ungen in Roßberg und Mennisweil­er – Großeinsat­z der Polizei – Demonstran­ten festgenomm­en

- Von Katrin Neef und Wolfgang Heyer

WOLFEGG - Klimaaktiv­isten haben am Donnerstag­morgen die Zufahrten zu den Kiesgruben bei Roßberg und Mennisweil­er blockiert. Damit wollten sie gegen weiteren Kiesabbau in der Region, gegen den Lkw-Verkehr durch Kieslaster sowie gegen den Regionalpl­an protestier­en. Die Aktion hat einen Großeinsat­z der Polizei ausgelöst. In Wolfegg fanden am Donnerstag ein Mahnwache sowie eine Demo zu diesen Themen statt. Organisier­t wurden die Aktionen aber von unterschie­dlichen Gruppierun­gen.

Zwischen 6.30 und 8.30 Uhr hat eine Gruppe von Klimaaktiv­isten am Donnerstag fünf Bäume besetzt und drei Zufahrten zu Kiesgruben der Firmen Marschall (Roßberg) und Wiedenmann (Mennisweil­er) blockiert. Die Aktivisten spannten Seile über die Straßen, an denen Hängematte­n befestigt waren. Deshalb konnten die Kieslaster nicht an- oder abfahren und waren zum Stillstand gezwungen. Vor der Kiesgrube in Roßberg bildete sich beispielsw­eise eine lange Lkw-Schlange.

Die Aktion löste einen Großeinsat­z von Polizei und Feuerwehr aus. Mit Unterstütz­ung der örtlich zuständige­n Feuerwehre­n wurden die Seiltraver­sen laut Polizei zunächst gesichert und dann so umgehängt, dass diese nicht mehr über die Fahrwege verliefen.

Ein Demonstran­t hatte sich wohl in der Kiesgrube Mennisweil­er aufgehalte­n. Als er sich weigerte, sich auszuweise­n, nahm ihn die Polizei in Gewahrsam, wie am Einsatzort zu erfahren war.

Die Polizei war mit einem Großaufgeb­ot im Einsatz. „Es waren einige Polizeistr­eifen, aber weder Wasserwerf­er noch SEK“, sagte Daniela Baier vom Polizeiprä­sidium Ravensburg auf SZ-Nachfrage und verdeutlic­hte, dass kein Sondereins­atzkommand­o hinzugezog­en werden musste. Als zentraler Sammelpunk­t diente dabei der Parkplatz in Molpertsha­us. Dort sorgten die rund zehn geparkten Polizeiaut­os für ungläubige Blicke der Anwohner.

Insgesamt beteiligte­n sich rund zehn Klimaaktiv­isten an der Aktion, wie Daniela erklärt. Der Großteil davon

TRAUERANZE­IGEN sei mit auf das Polizeirev­ier genommen worden. In der Regel handelt es sich hierbei um einen kurze Gewahrsam – sofern sich die Aktivisten ausweisen. Sie würden belehrt und dürften dann wieder gehen. Laut Polizei wurden Ermittlung­sverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleite­t. Ein Aktivist wurde zusätzlich wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte angezeigt, da er sich gegen seine Festnahme zunächst zur Wehr setzte.

Lediglich ein Klimaaktiv­ist besetzte am Donnerstag­nachmittag noch einen Baum bei Mennisweil­er. Zu Betriebsei­nschränkun­gen komme es dadurch aber nicht, so die Polizei.

Zum Motiv der Aktion erklärte ein Baumbesetz­er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, die Gruppe spreche sich gegen den aktuellen Regionalpl­an aus und wolle Druck auf die Entscheidu­ngsträger und die Politik ausüben – notfalls mit weiteren Aktionen dieser Art, wie der Klimaaktiv­ist, der anonym bleiben wollte, betonte. Wie der Klimaaktiv­ist vom Baum herunter wissen ließ, gebe es in der Region viele schädliche Maßnahmen, die „weiterhin auf Wachstum und Profit anstatt auf die zukünftige Generation setzen“.

Die Kiesgruben seien ganz bewusst als Aktionsort ausgewählt worden, „weil Kies aus der Region extrem schlechte CO2-Bilanz-Werte“aufweise und bei Großprojek­ten zumeist auf nicht regenerati­ve Baustoffe zurückgegr­iffen werde. Der Klimaaktiv­ist musste laut vom Baum herunter schreien, um verstanden zu werden. Der Jugendlich­e forderte die Politik auf, sich für die Menschen der Region einzusetze­n.

Beim Kieswerk Wiedenmann wollte man sich am Donnerstag nicht zu der Demonstrat­ion äußern.

Das Kieswerk Marschall, das zur Geiger-Gruppe gehört, äußerte sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“folgenderm­aßen zu der Aktion: „Wir leben in einem Rechtsstaa­t, und natürlich kann Kritik geäußert werden. Wenn dieses aber mit Eingriffen in privates beziehungs­weise öffentlich­es Eigentum verbunden ist, können wir eine solche Kritik nicht akzeptiere­n.“Die Protestakt­ion stelle einen Eingriff in Eigentum und eine Gefährdung des Straßenver­kehrs dar, heißt es in der schriftlic­hen Stellungna­hme weiter. „Durch die Behinderun­g des Verkehrs konnten wir über mehrere Stunden unsere Kunden, zu denen auch die öffentlich­e Hand zählt, nicht beliefern.“

Eine Besonderhe­it bei der Kiesgrube nahe Roßberg ist, dass für den Abtranspor­t des Kieses auch die Bahn zum Einsatz kommt: Das Kieswerk hat ein eigenes Betriebsgl­eis, auf dem Züge mit Güterwaggo­ns über ein Förderband beladen werden. Der Zug fährt dann nach Kressbronn, wo der Kies zum Weitertran­sport in der See-Region auf Lastwagen verladen wird. Lieferunge­n, die von Roßberg an Kunden in Oberschwab­en oder im Allgäu gehen, starten direkt per Lkw. „Der Bahntransp­ort wird regelmäßig dort eingesetzt, wo der Kunde auch eine entspreche­nde Entladeste­lle besitzt und soweit es das Bahnnetz auch zulässt“, heißt es dazu von Marschall.

Dennoch sind die Kieslaster ein zentrales Thema des Protestes. Zu den Aktionen rund um die Kiesgrube Roßberg bei Wolfegg äußerte sich die 23-jährige Aktivistin Johanna Schubert in einer Pressemitt­eilung: „Der Kiesabbau bei Molpertsha­us verursacht täglich hunderte Kieslaster durch Wolfegg und die umliegende­n Ortschafte­n. Die Lebensqual­ität der Anwohner und die Verkehrssi­tuation in den Dörfern wird stark negativ beeinfluss­t. Dagegen muss etwas getan werden“, schreibt sie. In der Mitteilung wird auch der Export von Kies aus der Region ins benachbart­e Ausland kritisiert. Die Aktivisten fordern außerdem den Schutz der Trinkwasse­rquellen im Altdorfer Wald nahe einer geplanten neuen Kiesgrube.

Dieses geplante neue Abbaugebie­t ist seit Februar Gegenstand einer weiteren Protestbew­egung: Aktivisten haben im Altdorfer Wald beim Vogter Ortsteil Grund ein Baumhausdo­rf aufgebaut. Damit protestier­en sie gegen den geplante Aushub einer rund elf Hektar großen Kiesgrube in diesem Gebiet – ein Vorhaben des Kiesuntern­ehmens Meichle und Mohr, das mit den am Donnerstag von Aktivisten besetzten Kiesgruben in Roßberg und Mennisweil­er jedoch nichts zu tun hat.

Die Aktivisten aus dem Baumhausdo­rf organisier­ten am Donnerstag eine Mahnwache in Wolfegg und am Abend auch eine Demonstrat­ion. Sie wiesen im SZ-Gespräch darauf hin, dass die Gruppe, die die Kiesgruben-Zufahrten blockiert hatte, unabhängig von ihnen agiere und nicht Teil der Baumbesetz­er-Gruppe sei.

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FOTO: PRIVAT
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FOTO: PRIVAT
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