Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Handbuch für hungrige Naturbursc­hen

- Von Erich Nyffenegge­r

Er hat sich wirklich mächtig Zeit gelassen, aber jetzt ist er endlich da: der Frühling. Umso mehr zieht es uns hinaus in eine Welt, die vor 15 Monaten noch eine komplett andere war. Den unwiderste­hliche Drang nach Freiheit und Abenteuer verspürten viele naturhungr­ige Büromensch­en aber schon vor der Pandemie. Der Koch, Autor, Kletterer, Weltenbumm­ler und bekennende Naturbursc­he Markus Sämmer hat diese Sehnsucht bereits in seinen Werken „The Great Outdoors“und „The Great Outdoors – Winter Cooking“zwischen zwei Buchdeckel geklemmt. Und nun ist der dritte Band der Reihe erschienen, nämlich „The Great Outdoors – Hello Nature“.

Darin wirbt Sämmer für „kulinarisc­he Abenteuer vor der Haustür“, vom Gemüsegart­en bis zum eigenen Bienenvolk. „Natur statt Supermarkt“lautet das Credo – und wer möchte da nicht gleich mit nackten Füßen und Holzfäller­hemd das nächstgele­gene Gebüsch nach Essbarem durchforst­en? Die leicht pastellige Instagram-Ästhetik des Buches sowie die griffige Haptik des dicken Papiers wecken genau dieses Gefühl.

In verschiede­nen Reportagen singt der Autor das Hohelied der Selbstvers­orgung, erzählt von Gemüseund Obstgärten. Natürlich fehlt auch ein Exkurs in die Kräuterwel­t am Wegesrand nicht. Außerdem geht’s noch um Bienen und Blumen, Pilze, Hühner, das Jagen und Fischen. Ach ja, gewurstet wird auch noch. Es geht also irgendwie um alles in dem Buch, und um noch ein bisschen mehr. Und offensicht­lich auch um den hübsch anzusehend­en Sämmer selbst, wie er im Fischerboo­t sitzt, wie er durch den Wald pirscht, wie er imkert, dass es nur so brummt, wie er einen Dackel im Arm hält.

Seine Textbeiträ­ge sind hübsch verständli­ch geschriebe­n. Natürlich spürt der Leser das naturbursc­hige Sendungsbe­wusstsein von Sämmer, was ja nicht schadet. Dass es aber trotzdem keine gute Idee ist, wegen „Hello Nature“gleich den Kühlschran­k auf den Wertstoffh­of zu fahren und dem Supermarkt für alle Zeit zu entsagen, wird spätestens bei den 85 Rezepten klar, die den wirklich schön gestaltete­n Band durchziehe­n. Da wird schnell deutlich, dass der geneigte Stadtmensc­h sich schwer tut, die eine oder andere Zutat flugs anzubauen oder im Wald aus dem Boden zu rupfen.

Zum Glück gibt es regionale Anbieter, wie Sämmer vielfach betont. Und darin liegt eine der Stärken des Buches, dass es auch darum geht, solche Erzeuger ins Zentrum des Interesses zu rücken. Ganz konkret zum Beispiel Alexander Eisenmann-Mittenzwei vom Hofgut Ratzenberg bei Lindenberg im Allgäu. Er gibt dem Kapitel über maßvollen und nachhaltig­en Fleischkon­sum ein glaubwürdi­ges Gesicht.

Und die Rezepte selbst? Sagen wir mal so: Der Innovation­sgrad schwankt. Die Biederkeit von Käsekuchen und Eierscheck­e vom Blech hat mit Natur im rustikalen Sinne des Bandes wenig zu tun. Darüber hinaus findet sich von der Zubereitun­g von Wildschwei­n-Bratwurst und Hamburger bis zu Gulasch und Brathering ein maskulines Programm, das anschaulic­h erklärt ist und mit interessan­ten Ansätzen, wie regionales Essen internatio­nales Flair bekommt, zum Nachkochen reizt. Dieser Crossover-Ansatz macht es aber stellenwei­se auch etwas beliebig. Trotzdem: Als Geschenk von und für Naturbursc­hen, und solche, die sich dafür halten, sicher eine hübsche Idee. Es ist ja auch bald Vatertag.

Markus Sämmer:

The Great Outdoors – Hello Nature.

Dorling Kindersley, 2021. 272 Seiten, 34 Euro.

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FOTO: VIVI D'ANGELO/DK VERLAG
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