Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schwalben unter die Flügel greifen

Die Flugkünstl­er gelten als Glücksbrin­ger – Ein Tierschütz­er kämpft für die Belange der bedrohten Vögel

- Von Violetta Heise

GÖRWIHL (dpa) - Schwalben gelten als Glücksbrin­ger, können das Wetter anzeigen und vertilgen Unmengen von lästigen Mücken. Jahrhunder­telang gehörten die wendigen Vögel zum Dorf- und Stadtleben ganz selbstvers­tändlich dazu. Doch heutzutage sinkt ihr Bestand – aus unterschie­dlichen Gründen. Rudi Apel kennt die Probleme der Schwalbe wie wohl kaum jemand sonst in der Bundesrepu­blik. Der 69-Jährige, seit den 1980er-Jahren im Nabu aktiv, hat es sich zum obersten Ziel gemacht, die kleinen Flugkünstl­er zu schützen. Der deutschlan­dweit gefragte Schwalbene­xperte aus dem badenwürtt­embergisch­en Görwihl nahe der Schweizer Grenze ist dafür jetzt auch mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net worden.

Warum ihn ausgerechn­et die Schwalbe so sehr begeistert? Apel sagt, er habe die Tiere schon als Kind in seiner Heimat, dem Großraum Stuttgart, mit Faszinatio­n beobachtet. Am Nachbarhau­s habe rund um die dortigen 20 Nester stets reges Treiben geherrscht. „Wie sie fliegen, wie sie die Nester bauen – innerhalb von eineinhalb Wochen haben sie das fertig“, schwärmt Apel. Zudem seien die Vögel auch für den Menschen nützlich: Im Schnitt 1200 Mücken und Schnaken fresse ein Tier pro Tag während der Jungenaufz­ucht.

Und dennoch störten sich viele an Schwalbenn­estern am eigenen Haus und am Kot der Vögel, sagt Apel. Nicht selten komme es vor, dass die Nester unerlaubte­rweise einfach entfernt würden.

Neben sauberkeit­sliebenden Hausbesitz­ern seien auch die modernen Fassadenfa­rben mit ihrem Lotuseffek­t ein Problem. Der Regen perle dadurch von der Hauswand ab und Schmutz bleibe nicht so leicht haften. Allerdings halten auch Schwalbenn­ester kaum daran. „Ich weiß von vielen Schwalben, die bauen möchten – und am Ende liegt der Schmutz auf dem Boden.“

Der Schmutz – das ist das Material, aus dem die kleinen Zugvögel im Frühjahr ihre Nester bauen. 1200 bis 1400 Kügelchen aus Lehm oder Schlamm gemischt mit Speichel brauche ein Vogelpaar für ein Nest, sagt Apel. Doch weil heute viel mehr Flächen als früher versiegelt und die Straßen fast alle geteert seien, herrsche Schmutzman­gel. Wenn dann auch noch das mühsam gebaute Nest nicht hält, setzt das den geschützte­n Vögeln zu.

Apel versucht seit Jahren, möglichst viele Menschen für den Schwalbens­chutz an Bord zu holen. Ein wichtiger Baustein dafür ist aber auch eine Plakette, um die sich jeder bewerben kann, der an seinem Haus die kleinen Zugvögel brüten lässt. Apel hat laut Nabu dabei geholfen, diese Aktion namens „Schwalbenf­reundliche­s Haus“bundesweit bekannt zu machen.

Doch Vogelfreun­de können weit mehr tun, als einfach nur bestehende Nester nicht zu entfernen. Wer einen Stall oder eine Scheune habe, solle möglichst ab April Fenster und andere Einflugmög­lichkeiten offen halten, damit die Schwalben freie Bahn zu möglichen Nistplätze­n hätten, heißt es beim Nabu. Als Nestgrundl­age könne man mit Kaninchend­raht überzogene Brettchen anbringen. Manchmal genüge auch schon ein 10 bis 15 Zentimeter breiter, weiß gestrichen­er Rauputzstr­eifen.

In Deutschlan­d am häufigsten sind Mehl- und Rauchschwa­lben. Zwischen Ende März und Mitte Mai kehren die Zugvögel laut Nabu zurück in unsere Breiten. Die Weibchen legen ab Mitte Mai ihre Eier, die meisten Jungtiere schlüpfen im Juni und sind nach drei bis vier Wochen flügge und machen sich im Herbst dann selbst auf die beschwerli­che Reise gen Süden.

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA

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