Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Lage für Rettungsdi­enst spitzt sich zu

Zwei Sanitäter berichten nach einem Jahr Corona, warum ihr Job anstrengen­der geworden ist

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Sie sind neben Krankenhau­spersonal am häufigsten mit Coronapati­enten konfrontie­rt: Sanitäter. Vor einem Jahr hat die SZ zwei von ihnen in Sigmaringe­n begleitet, um ihren Arbeitsall­tag in Zeiten der Pandemie zu begleiten. Jetzt berichten Notfallsan­itäter Gerhard Arnold und Rettungssa­nitäterin Sina Repp, wie es ihnen in der Zwischenze­it ergangen ist. Fest steht: Die Lage ist inzwischen sehr ernst.

Damals hatten die beiden noch wenig Berührungs­punkte mit Covid-19, Patientenf­ahrten waren selten. Inzwischen sieht das anders aus. „Wir haben ständig Fälle, es ist gefühlt seit zwei Wochen um einiges mehr geworden“, sagt Arnold. Schuld ist laut Lothar Schneider, Bereichsle­iter Rettungsdi­enst beim DRK-Kreisverba­nd Sigmaringe­n, die hohe Inzidenz, deren Auswirkung­en sein Team täglich zu spüren bekommt.

Zum einen übernehmen die Sanitäter Krankenfah­rten, transporti­eren also Menschen, die aus anderen Gründen behandelt werden müssen, aber coronaposi­tiv sind, oder bringen Menschen mit Covid-19 ins Krankenhau­s, deren Lage nicht lebensbedr­ohlich ist, sich aber verschlech­tert hat. Zum anderen handeln die Sanitäter auch, wenn sich ein schwerer Verlauf der Krankheit abzeichnet und die Menschen Atemnot erleiden – Notfälle.

Auch darüber hinaus sind die Sanitäter immer mit Corona konfrontie­rt. Haben sie vor einem Jahr bei jedem Patienten gefragt, ob Kontakt zu einem Infizierte­n bestand oder sie im Risikogebi­et waren, gehen sie inzwischen davon aus, dass derjenige das Virus in sich tragen könnte. „Wir sind ständig mit dem Thema konfrontie­rt, deshalb haben wir uns gewisserma­ßen daran gewöhnt“, sagt Repp. Gleichzeit­ig, ergänzt ihr Kollege Arnold, sei die Arbeit durch die zusätzlich­en Covid-19-Fälle wesentlich stressiger geworden, denn neben mehr Fällen komme auch mehr Desinfekti­on und mehr Arbeit in Schutzklei­dung hinzu. „Es gibt Tage, an denen ist es viel, aber nach zwei, drei freien Tagen geht’s meistens wieder“, sagt der 54Jährige. Das führt offenbar auch zu einem kuriosen Nebeneffek­t, so Repp: „Das Jahr ging schnell vorbei, wir haben ja nichts außer Arbeit erlebt.“

Mehr geworden sind auch die Schutzmaßn­ahmen des DRK. Mundschutz trage das Personal jetzt auch im Gebäude und ein Großteil der Sanitäter sei bereits vollständi­g geimpft, sagt Bereichsle­iter Schneider. Hundertpro­zentige Sicherheit gibt das den Mitarbeite­rn aber scheinbar nicht. „Es ist ein Schutz, aber wir wissen nicht, ob er ausreicht, ob wir nicht trotzdem Viren weitergebe­n können und wie lange die Impfung wirkt“, sagt Repp. In Sicherheit wägen, wolle sich niemand.

Der Ernst der Lage sei ihnen durch ihren Job immer wieder präsent, sagt die 30-Jährige, erst Recht, seit mehr jüngere Menschen schwer erkranken. „Wir hatten eine Verlegung durch den Hubschraub­er, da war der Patient, der beamtet werden musste, 49 Jahre alt. Das ist nicht mehr so weit weg von mir“, erzählt sie. Gleichzeit­ig erlebe das Team, dass sich viele Coronaposi­tive mit wenigen Symptomen sehr vor einem schweren Verlauf fürchten. Repp berichtet auch von Menschen mit schweren Vorerkrank­ungen, die Covid-19 gut überstande­n hätten. Die Unberechen­barkeit der Krankheit beschäftig­e sie, aber auch die Hilflosigk­eit, wenn sie jemanden mit schweren Verlauf behandeln müssen. „Hat jemand zum Beispiel einen Herzinfark­t, können wir Medikament­e geben, aber bei Covid-19 können wir nur beatmen, mehr nicht“, sagt ihr Chef Schneider.

Dennoch sei die Stimmung nach wie vor gut, so Schneider: „Anfangs, als Mitarbeite­r Kontakt mit einem Infizierte­n hatten, waren sie erschrocke­n, inzwischen ist das normal geworden, die Emotionen haben sich gelegt.“Das Coronaviru­s ist für die Sanitäter zum Alltag geworden. Genau deshalb mahnt Arnold: „Wenn ich Coronaleug­ner sehe, frage ich mich jedes Mal, was falsch läuft. Wir wissen: Es gibt das Virus und wir möchten es nicht haben.“

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FOTO: MAREIKE KEIPER Sina Repp und Gerhard Arnold sind sich einig: Die Menschen sollten das Coronaviru­s ernster nehmen. Die beiden Retter haben fast täglich mit Covid-19-Patienten zu tun.
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Ein Jahr später

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