Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Lage für Rettungsdienst spitzt sich zu
Zwei Sanitäter berichten nach einem Jahr Corona, warum ihr Job anstrengender geworden ist
SIGMARINGEN - Sie sind neben Krankenhauspersonal am häufigsten mit Coronapatienten konfrontiert: Sanitäter. Vor einem Jahr hat die SZ zwei von ihnen in Sigmaringen begleitet, um ihren Arbeitsalltag in Zeiten der Pandemie zu begleiten. Jetzt berichten Notfallsanitäter Gerhard Arnold und Rettungssanitäterin Sina Repp, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist. Fest steht: Die Lage ist inzwischen sehr ernst.
Damals hatten die beiden noch wenig Berührungspunkte mit Covid-19, Patientenfahrten waren selten. Inzwischen sieht das anders aus. „Wir haben ständig Fälle, es ist gefühlt seit zwei Wochen um einiges mehr geworden“, sagt Arnold. Schuld ist laut Lothar Schneider, Bereichsleiter Rettungsdienst beim DRK-Kreisverband Sigmaringen, die hohe Inzidenz, deren Auswirkungen sein Team täglich zu spüren bekommt.
Zum einen übernehmen die Sanitäter Krankenfahrten, transportieren also Menschen, die aus anderen Gründen behandelt werden müssen, aber coronapositiv sind, oder bringen Menschen mit Covid-19 ins Krankenhaus, deren Lage nicht lebensbedrohlich ist, sich aber verschlechtert hat. Zum anderen handeln die Sanitäter auch, wenn sich ein schwerer Verlauf der Krankheit abzeichnet und die Menschen Atemnot erleiden – Notfälle.
Auch darüber hinaus sind die Sanitäter immer mit Corona konfrontiert. Haben sie vor einem Jahr bei jedem Patienten gefragt, ob Kontakt zu einem Infizierten bestand oder sie im Risikogebiet waren, gehen sie inzwischen davon aus, dass derjenige das Virus in sich tragen könnte. „Wir sind ständig mit dem Thema konfrontiert, deshalb haben wir uns gewissermaßen daran gewöhnt“, sagt Repp. Gleichzeitig, ergänzt ihr Kollege Arnold, sei die Arbeit durch die zusätzlichen Covid-19-Fälle wesentlich stressiger geworden, denn neben mehr Fällen komme auch mehr Desinfektion und mehr Arbeit in Schutzkleidung hinzu. „Es gibt Tage, an denen ist es viel, aber nach zwei, drei freien Tagen geht’s meistens wieder“, sagt der 54Jährige. Das führt offenbar auch zu einem kuriosen Nebeneffekt, so Repp: „Das Jahr ging schnell vorbei, wir haben ja nichts außer Arbeit erlebt.“
Mehr geworden sind auch die Schutzmaßnahmen des DRK. Mundschutz trage das Personal jetzt auch im Gebäude und ein Großteil der Sanitäter sei bereits vollständig geimpft, sagt Bereichsleiter Schneider. Hundertprozentige Sicherheit gibt das den Mitarbeitern aber scheinbar nicht. „Es ist ein Schutz, aber wir wissen nicht, ob er ausreicht, ob wir nicht trotzdem Viren weitergeben können und wie lange die Impfung wirkt“, sagt Repp. In Sicherheit wägen, wolle sich niemand.
Der Ernst der Lage sei ihnen durch ihren Job immer wieder präsent, sagt die 30-Jährige, erst Recht, seit mehr jüngere Menschen schwer erkranken. „Wir hatten eine Verlegung durch den Hubschrauber, da war der Patient, der beamtet werden musste, 49 Jahre alt. Das ist nicht mehr so weit weg von mir“, erzählt sie. Gleichzeitig erlebe das Team, dass sich viele Coronapositive mit wenigen Symptomen sehr vor einem schweren Verlauf fürchten. Repp berichtet auch von Menschen mit schweren Vorerkrankungen, die Covid-19 gut überstanden hätten. Die Unberechenbarkeit der Krankheit beschäftige sie, aber auch die Hilflosigkeit, wenn sie jemanden mit schweren Verlauf behandeln müssen. „Hat jemand zum Beispiel einen Herzinfarkt, können wir Medikamente geben, aber bei Covid-19 können wir nur beatmen, mehr nicht“, sagt ihr Chef Schneider.
Dennoch sei die Stimmung nach wie vor gut, so Schneider: „Anfangs, als Mitarbeiter Kontakt mit einem Infizierten hatten, waren sie erschrocken, inzwischen ist das normal geworden, die Emotionen haben sich gelegt.“Das Coronavirus ist für die Sanitäter zum Alltag geworden. Genau deshalb mahnt Arnold: „Wenn ich Coronaleugner sehe, frage ich mich jedes Mal, was falsch läuft. Wir wissen: Es gibt das Virus und wir möchten es nicht haben.“