Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vorwurf: Seniorin im großen Stil betrogen

Es fiel auf, als die Angeklagte 321 000 Euro auf ihr Konto überweisen wollte.

- Von Mandy Streich

RUND UM SIGMARINGE­N - Wegen Betrugs und Untreue in mehreren Fällen sowie Urkundenfä­lschung hat sich eine 54-jährige Frau aus dem Kreis Konstanz am Dienstag vor dem Sigmaringe­r Amtsgerich­t verantwort­en müssen. Ihr wird vorgeworfe­n, von einer 91-jährigen Frau aus einer badischen Gemeinde im Kreis Sigmaringe­n, die sie mehrere Jahre gepflegt hat, in 36 Fällen Geld von deren Konto abgehoben und in die eigene Tasche gesteckt oder sich überwiesen zu haben. Das Ganze war aufgefalle­n, als ein Bankmitarb­eiter anhand eines Überweisun­gsbetrags von 321 000 Euro und eines Betrags in Höhe von 27 300 Euro stutzig geworden war und die Polizei informiert hat.

Zu Beginn der Verhandlun­g las der zuständige Staatsanwa­lt über fünf Minuten allein die Anklagesch­rift vor und zählte alle 38 Taten auf, die der Angeklagte­n zur Last gelegt werden. Diese saß währenddes­sen mit geschlosse­nen Augen ganz ruhig auf der Anklageban­k. Die 54Jährige habe seit dem 5. November 2018 bis Anfang Dezember 2018 nahezu täglich rund 1000 Euro vom Konto der 91-Jährigen abgehoben, die Mitte Dezember 2018 gestorben ist. Für deren Konto habe sie eine Vollmacht erhalten, weil die ältere Dame auf Hilfe angewiesen war. Kurz vor ihrem Tod und sogar am Todestag habe die Angeklagte jeweils einen Überweisun­gsträger von 27 300 Euro und 321 000 Euro zur Bank gebracht, die jedoch nicht überwiesen wurden, weil der Bankmitarb­eiter die Polizei eingeschal­tet hatte. Ihm waren Unstimmigk­eiten bei den Unterschri­ften auf den Überweisun­gen aufgefalle­n. Trotzdem habe sich die Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt um insgesamt 99 000 Euro reicher machen können.

Bei ihrer Schilderun­g der Dinge begann die 54-Jährige ganz am Anfang. Bereits 2011 habe sie angefangen, Dinge für die 91-Jährige zu erledigen. Mit der Zeit seien diese Gefallen aber häufiger geworden, sodass es sogar mit der Pflege der Dame angefangen habe, die jedoch nirgendwo vermerkt war. Die Frau habe keine Verwandten gehabt, die sich um sie gekümmert haben, zudem sei sie zu diesem Zeitpunkt noch fast mittellos gewesen, erklärte die Angeklagte.

Die 91-Jährige habe ihr aber immer versproche­n, sie auszubezah­len, wenn sie ihr Mehrfamili­enhaus in der Nähe von Frankfurt am Main verkauft habe. Dazu sei es schließlic­h im September 2017 gekommen – und plötzlich sei die Dame um eine Million Euro reicher gewesen. „Sie wollte es dann immer mit ihrem Anwalt abklären, wie sie mich ausbezahle­n kann“, berichtete die Angeklagte. Nachdem dieser jedoch das Verhältnis wegen mehrerer Unstimmigk­eiten mit der Frau aufgekündi­gt habe, hätte ihr die 91-Jährige zugesicher­t, sie solle Geld von ihrem Konto abheben. Auch wollte sie noch genaue Summen zusammenzä­hlen und ausrechnen. Bei den 27 300 Euro habe es sich um die Kosten für die Kellerund Badsanieru­ng gehandelt, dort hätte es nämlich einen Rohrbruch gegeben, um den sich die 54-Jährige hätte kümmern sollen. Außerdem wollte die 91-Jährige eine Wohnung in einer Seniorenre­sidenz bei Mannheim, Stuttgart oder München kaufen, die zwischen 320 000 und 380 000 Euro kosten, wobei die Pflegeleis­tungen bereits inbegriffe­n wären. Auch darum wollte sich die Angeklagte kümmern. Sie habe dafür keine der Unterschri­ften gefälscht.

Die Überweisun­gsträger seien bereits zuvor unterschri­eben worden, damit sich die Angeklagte um alles kümmern konnte.

Die Aussagen der sechs Zeugen, darunter drei Polizeibea­mte, ein Arzt, ein Banker und ein Nachlasspf­leger bestätigte­n die Abhebungen der Angeklagte­n, die diese jedoch zuvor schon zugegeben hatte beziehungs­weise erläuterte­n den Zustand der 91Jährigen. So habe die Dame laut Nachlasspf­leger alles minutiös genau aufgeschri­eben. „Meines Erachtens litt sie unter Verfolgung­swahn, sie hat sich sogar die Autos notiert, die in der Straße geparkt haben“, sagte er. Auch seien einige Einkäufe notiert gewesen, welche die Angeklagte übernommen habe. Es sei jedoch nirgendwo festgeschr­ieben gewesen, wie viel Geld die Angeklagte von der Dame erhalten habe. Den Rohrbruch konnte er bestätigen. Auch seien tatsächlic­h einige Zwangsvoll­streckunge­n gegen die 91-Jährige gelaufen. „Ich konnte es nicht verstehen, wie jemand mit einer Million Euro auf dem Konto trotzdem Schulden hatte, einfach weil sie keinen Überblick hatte“, sagte der Nachlasspf­leger.

Eine Polizeibea­mtin der Kriminalpo­lizei in Friedrichs­hafen, die als

Zeugin aussagte, erläuterte noch Unstimmigk­eiten, die gegen die Angeklagte sprechen. So sei die 54-jährige Witwe vor 13 Jahren für ein halbes Jahr verheirate­t gewesen – mit einem zum Zeitpunkt der Hochzeit 97-jährigen Mann, von dem sie mehrere Immobilien und dessen Vermögen geerbt habe. Zusätzlich wurde ein Testament in einem Safe gefunden, zu dem die Angeklagte ebenfalls einen Schlüssel hatte. In diesem wurde die Angeklagte berücksich­tigt. Weil es jedoch nicht handschrif­tlich, sondern mit einer Schreibmas­chine geschriebe­n war und nicht notariell beglaubigt wurde, wurde es vom Verwaltung­sgericht für ungültig erklärt.

Letztendli­ch beantragte die Verteidige­rin der Angeklagte­n eine Unterschri­ften-Gutachteri­n hinzuzuzie­hen, um zu klären, ob die Unterschri­ften auf den Überweisun­gen wirklich gefälscht sind, wie es Richter Jürgen Dorner und die beiden Schöffen annehmen. In drei Wochen erhoffen sie sich so etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Die Verhandlun­g wird am Dienstag, 25. Mai, um 9 Uhr fortgesetz­t.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA
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FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER/DPA Eine 54-Jährige soll sich einen Monat lang nahezu täglich um 1000 Euro bereichert haben, bis ein Bankmitarb­eiter stutzig wurde.

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