Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gähnende Leere im Kreisimpfzentrum
Es droht die Absage von Hunderten Terminen.
SIGMARINGEN (sz) - Auch das Sigmaringer Kreisimpfzentrum in Hohentengen ist von den Impfstoff-Lieferengpässen betroffen, die im Ulmer Impfzentrum für Aufregung gesorgt haben.
Am Montagabend hatte der ärztliche Leiter des Impfzentrums Ulmer Messe mitgeteilt, dass laut Sozialministerium ab sofort nur noch die Hälfte des Impfstoffs vorhanden sei. Dies werde ab der kommenden Woche gravierende Auswirkungen auf den Betrieb haben, Impftermine müssten abgesagt werden.
Sozialminister Manne Lucha widersprach am Dienstagvormittag dieser Darstellung: Es handle sich um ein Missverständnis. So habe das Land zu keinem Zeitpunkt die Liefermenge reduziert, sondern das Ulmer Impfzentrum habe sich dazu entschlossen, Rückstellungen zu verimpfen und sich in seiner Planung auf angekündigte Lieferzuwachssteigerungen verlassen, die nun nicht erfüllt hätten werden können. Lucha versprach jedoch, den Ulmern die fehlenden 3000 Dosen zur Verfügung zu stellen.
Auch im Kreis Sigmaringen fehlt es nach wie vor an Impfstoff, weshalb das Kreisimpfzentrum Hohentengen nach Informationen des Landratsamts nur zu 60 Prozent ausgelastet ist – dabei könnten dort täglich bis zu 1000 Menschen geimpft werden. Von den angekündigten zusätzlichen Impfdosen, die im Mai geliefert werden sollen, sei bislang nichts angekommen, antwortet der Sigmaringer Landratsamtssprecher Tobias Kolbeck auf Anfrage.
„Konkret fehlen uns 10 456 Dosen des Impfstoffs von Astrazenecazeneca für Zweitimpfungen zwischen der Kalenderwoche 19 und der Kalenderwoche 29“, so Kolbeck. Für 1754 Impfberechtigte habe das Land bislang nur 200 Impfdosen zugesichert. „Sollten wir hier bis Ende dieser Woche keine Zusage für zusätzlichen Impfstoff bekommen, müssen wir Termine absagen“, sagt der Kreissprecher. Auch beim Biontech-Impfstoff sieht es nicht besser aus: „Wir haben hier auf Weisung des Landes 3163 Termine für die Abarbeitung von Wartelisten und für Umbuchungen von AstrazenecaZeneca auf Biontech vergeben“, sagt Kolbeck. Vor diesem Hintergrund könnten aktuell fast keine neuen Impftermine vergeben werden. Bei den Menschen im Kreis stoße dies zurecht auf Unverständnis, zumal immer mehr Menschen impfberechtigt werden.
„Seit Tagen suchen wir auf vielen Kanälen das Gespräch mit dem Land“, sagt Landrätin Stefanie Bürkle. „Auch ich bin im regen Austausch mit den verschiedenen Ebenen des Ministeriums. Vor Ort hier sind alle hoch motiviert zu impfen, die Infrastruktur und das Personal stehen bereit. Es fehlt einzig und allein der Impfstoff, und wir wären dankbar, wenn das Land uns hier zeitnah die zugesagten Impfdosen zukommen lassen würde. Die Zusage an das Impfzentrum Ulm sollte dringend auch auf das Kreisimpfzentrum des Landkreises Sigmaringen erweitert werden“, so Landrätin Stefanie Bürkle.
Derweil bleibt die 7-Tages-Inzidenz im Kreis Sigmaringen auf hohem Niveau, doch der weitere Anstieg scheint gebrochen zu sein. Am Dienstag meldet das Robert KochInstitut (RKI) für den Kreis Sigmaringen eine 7-Tages-Inzidenz von 176, vor einer Woche lag sie noch bei 189. Für eine Öffnung der Schulen ist die Inzidenz aber noch immer zu hoch. Dazu müsste sie an fünf Tagen hintereinander unter 165 liegen. Damit der Handel Click & Meet anbieten kann, muss sie fünf Tage unter 150 liegen. So sieht es die Bundesnotbremse vor, die seit dem 24. April für Sigmaringen gilt.
Laut Landratsamt traten in der vergangenen Woche 18 Infektionsfälle in fünf Schulen und sechs Kindertageseinrichtungen auf. In der Woche zuvor waren es noch 38 Fälle, davon allein 25 in Kindertageseinrichtungen. Einen Infektionsschwerpunkt stellten die Bildungseinrichtungen, in denen aktuell nur Notbetreuung stattfindet, also nicht mehr dar.
Mehr Tests und weniger Kinder in den Einrichtungen dürften hierfür verantwortlich sein. Infektionen finden allerdings immer noch statt. Im Gesundheitsamt rechnet man aber erst in der kommenden Woche mit einem wirklichen Effekt. „Durch die Schul- und Kindergartenschließungen sind die Kontakte deutlich reduziert. Wenn sich dann die Eltern an die Hygieneregeln auch am Arbeitsplatz und im Privaten halten, schaffen wir es, die Infektionen in Familien nachhaltig zu reduzieren“, erläutert die Leiterin des Gesundheitsamts Dr. Susanne Haag-Milz.
Heikel ist die Situation nach wie vor in den Betrieben. In vier Betrieben traten 15 Infektionen auf, in der Woche zuvor waren es 11 Infektionen. „Was hilft, sind gute Hygienekonzepte und regelmäßige Testungen. Je schneller eine Infektion aufgedeckt wird, desto eher kann verhindert werden, dass sich Arbeitskolleginnen und Kollegen anstecken“, so Haag-Milz.