Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Flohmarkt auf dem Handy

Mehrere Gruppen ermögliche­n Austausch in der Region – Eine Gründerin spricht über Beweggründ­e

- Von Mareike Keiper ●

- „Suche Harry Potter und der Stein der Weisen als Buch. Hat es zufällig jemand abzugeben?“Das schreibt Bina, ihre Handynumme­r ist rechts daneben angezeigt. Mehr ist über sie nicht bekannt. Unter ihrem Beitrag verkauft jemand, dessen Name nur aus Emojis besteht, Bilderrahm­en für fünf Euro in Wald, weiter oben bietet Darinka Schutzenge­ltassen für je drei Euro im Raum Bad Saulgau zum Verkauf an. Die Whatsapp-Gruppe „Flohmarkt Sigmaringe­n“ist eine von mehreren im Landkreis, in denen es darum geht, ungeliebte­n Hausstand an den Mann oder die Frau zu bringen. Manche legen den Schwerpunk­t auf Kinderklei­der, andere auf Bücher. Was sie gemeinsam haben: Sie holen den Flohmarkt aufs Smartphone.

Dagmar Harder hat drei von ihnen ins Leben gerufen. Sie wohnt in Meßkirch und organisier­t für gewöhnlich mit Christel Jusa die Kinderklei­derbörse in Rohrdorf. Dann kam Corona. „Die Börse fiel weg und plötzlich hatte ich die Klamotten zu Hause“, sagt die Mutter einer heute 13-jährigen Tochter. Schon damals war sie Mitglied in der einen oder anderen Gruppe, aber die seien ihr zu breit gefächert und räumlich zu stark verteilt gewesen. „Wenn etwas angeboten wurde, war es manchmal zu weit weg“, erinnert sie sich. Deshalb habe sie 2020 die erste Gruppe für Kleidung älterer Kinder rund um Meßkirch gegründet.

Es folgte eine weitere Gruppe für Erwachsene­nbekleidun­g. „Da ist es ja noch schwerer, etwas zu finden“, so Harder. Mitglieder finden sich per Mund-zu-Mund-Propaganda, und das System funktionie­rt offenbar gut – auch Riedlinger haben sich schon in die Gruppen gewählt. „Das ist dann schon enttäusche­nd, wenn derjenige nie in der Gegend ist. 40 Kilometer fährt ja niemand“, sagt die Gruppengrü­nderin. Sie verweist deshalb auf die Gruppenbes­chreibung, in der das sehr deutlich steht – und sie habe auch die Mitglieder

noch einmal informiert: „Da möchte ich Enttäuschu­ngen vorbeugen.“

Gab es früher noch eine technische Beschränku­ng der Mitglieder­zahl solcher Whatsapp-Gruppen, lässt sie heute wiederum deutlich mehr Menschen zu. In Harders Gruppe für Erwachsene­nkleidung sind es derzeit 116 Mitglieder, in der Kinderklei­dergruppe sind es sogar 195. Pro Tag, schätzt sie, kommen zehn bis 20 Nachrichte­n rein. Als Administra­torin schaut sie daher regelmäßig nach und vergewisse­rt sich, dass die Unterhaltu­ngen zum einen zivilisier­t ablaufen, zum anderen

aber auch bezüglich der Menge nicht Überhand nehmen. „Wenn es in der Gruppe die ganze Zeit hin und her geht, nervt es“, sagt Harder. Stattdesse­n werden die Nutzer angehalten, sich bei Interesse privat auszutausc­hen: „Die Nummer haben die Mitglieder ja, sie werden angezeigt.“Unfreundli­che Nachrichte­n entdecke sie immerhin selten.

Doch die Meßkircher­in schaut nicht nur als Moderatori­n, was eingestell­t wird, sondern auch aus Eigeninter­sse. „Ich verkaufe manchmal noch die Sachen meiner Tochter oder schaue, ob ich etwas für sie finde“,

berichtet Harder. Oft funktionie­re das auch, zumindest bei ihr. Wie erfolgreic­h andere sind, könne sie nicht beurteilen, da der Verkauf schließlic­h oft im Privaten stattfinde­t. Harder selbst habe über die Gruppe sogar schon Stammkunde­n gewonnen: „Mit ein bis zwei bin ich seit dem Verkauf weiter privat in Kontakt, andere kommen auch mal zum Stöbern vorbei oder fragen mich an, ob ich wieder etwas abzugeben habe.“

Als Ersatz in der Coronapand­emie gegründet, sieht Harder die Gruppen inzwischen als Ergänzung zu realen Flohmärkte­n, denn gerade Kleiderbas­are finden meistens im Frühjahr und im Herbst statt. „Wenn jemand etwas Spezielles sucht, fragt er in den Gruppen nach, zum Beispiel jetzt gerade Faschingsk­ostüme“, sagt sie.

Der Vorteil gegenüber anderen Formaten wie Ebay-Kleinanzei­gen sei die räumliche Nähe untereinan­der; es muss nichts versendet werden. Den Basar in Rohrdorf wollen sie in jedem Fall wieder ins Leben rufen, sofern sie genug Helfer finden – die Gruppen bleiben trotzdem bestehen.

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FOTO: MAREIKE KEIPER Dagmar Harder hat drei Whatsapp-Gruppen gegründet, in denen Kleidung angeboten wird.

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