Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mit dem Mountainbike durch Marokko
Für manche ist es Abenteuerurlaub, für andere eine Zeit zum „Runterkommen“
(pegme) - Rainer Gaiser ist Mountainbiker aus Leidenschaft. In regelmäßigen Abständen gönnt sich der Benzinger neben seinen „normalen“Alltagstouren ganz besondere Touren, fernab der Zivilisation, in Gegenden, die auf der Reiseliste der westlichen Touristen höchst selten zu finden sind. Touren, die mit dem Mountainbike mehr oder weniger gut bewältigt werden können, die herausfordernd, abenteuerlich, landschaftlich reizvoll und faszinierend zugleich sind. Für Rainer Gaiser haben sie jedoch noch einen weiteren, wichtigen Reiz: Weit weg von Alltagsstress und Wohlstandstrubel kann er mental einfach mal abschalten und „runterkommen“.
Die Kilos, die Rainer Gaiser auf seiner Mountainbike-Tour durch Marokko verloren hat, hat er mittlerweile „wiedergefunden“. Aber das sagt der 61-Jährige nur lächelnd nebenbei, während er seinen Tee umrührt und von seinem 14-tägigen Abenteuer erzählt. Obwohl er es nicht als solches betrachtet. Alle zwei Jahre bucht er über einen Reiseveranstalter eine Tour, pandemiebedingt geriet dieses zeitliche Intervall etwas aus den Fugen. Letztmalig war er 2019 - natürlich mit dem Mountainbike - auf dem höchsten Bergmassiv Afrikas, dem Kilimandscharo,
unterwegs, eine andere Tour führte ihn nach Nepal ins Annapurna-Gebirge.
Nun also Marokko, vom Hohen Atlas in die Sahara. „Es war super anstrengend, aber auch wieder topp organisiert“, sagt Rainer Gaiser. Selbst die große Unbekannte, die Reisegruppe, war topp. Die drei Frauen und fünf Männer sowie den Guide lernte er erst bei der Ankunft in Marrakesch kennen. Für ihn kein Problem, im Gegenteil: „Ich finde es gut, die Leute wollen ja alle das gleiche“. Und damit meint er sportliche Herausforderungen, gepaart mit der Ruhe und Schönheit unberührter Natur.
Zehn Tage im Sattel mit 7000 Höhenmetern und 600 Kilometern Distanz sowie zwei Tage Kamel-Trekking mit knapp 30 Kilometern durch den heißen Wüstensand sind die Bilanz der TransAtlas-Tour. Übernachtet wurde in Herbergen oder im Zelt, spartanisch statt luxuriös. Aber genau das ist für Rainer Gaiser das Besondere. „Man bekommt einen ganz anderen Blick auf das Leben und den Wohlstand, der uns täglich umgibt.“Außerdem sind Handy- und sonstiger Verzicht eine gute Möglichkeit, auch mental den Kopf freizubekommen und abzuschalten.
Am beeindruckendsten war für den Mountainbiker die ständig wechselnde Landschaft, von roten Bergen zu üppiger Vegetation, von felsigen Schluchten zu karger Wüste. Temperaturen von gut 30 Grad am Tage, des nachts unter zehn Grad, in der Wüste 43 Grad. „Die Sonne war unser ständiger Begleiter“, sagt er, „da war weit und breit kein Schatten“.
Herausfordernd die steilen Aufstiege, teils über holprige Straßen und Geröll, teils im Bachbett und über langgezogene Serpentinen. Auch wenn Gaiser trainiert ist und gern ans Limit geht, „ist es bergauf quälend“, so der 61-Jährige. Was ihn dann antreibt, ist der Gedanke an die Abfahrt. Und die ist logischerweise ebenso steil. Wo anderen bereits beim Hinsehen schlecht wird, fängt für Rainer Gaiser der Spaß erst richtig an. Angst kennt er nicht, Sorgen macht er sich keine. „Bis jetzt ist noch nie etwas passiert, ich bin immer heil unten angekommen“, lacht er, klopft aber zur Sicherheit dann doch dreimal auf den Holztisch. Denn ganz unfallfrei ging die letzte Tour nicht ab. Eine Bikerin der Gruppe war gestürzt, hatte jedoch Glück im Unglück und zog sich nur eine tiefere Schnittwunde zu. „Wir haben alle ein sehr gutes Notfall-Paket dabei, das ist wichtig“, antwortet Rainer Gaiser auf die Frage, wie man mitten im Nirgendwo bei einem Notfall helfen kann. „Und erstaunlicherweise haben unsere Guides in der Pampa mit ihren Handys besseres Netz als wir hier in Deutschland“, sagt er. Wohin ihn seine nächste Reise führt, weiß er noch nicht genau. Aber ganz sicher wird auch diese Tour nicht mit Herausforderungen und Reizen geizen.