Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Tag der Arbeit bleibt sinnvoll

- Von Wolfgang Mulke politik@schwaebisc­he.de

Handwerksm­eister ködern angehende Azubis mit einem neuen Laptop als Einstiegsg­eschenk. Studienabs­olventen fragen beim Einstellun­gsgespräch nach dem ersten Sabbatical, statt um ein paar Euro mehr zu feilschen. Und auf der Fahrt durch Stadt und Land begegnen einem an vielen Stellen Aushänge mit der Aufschrift „Personal gesucht“. Braucht es da noch einen Kampftag wie den 1. Mai? Sorgt nicht der von einer großen Nachfrage nach Arbeitskrä­ften geprägte Markt für immer bessere Konditione­n für die Beschäftig­ten?

Die Antwort lautet: Nein. Die Rahmenbedi­ngungen für das Arbeitsleb­en haben sich zwar seit den ersten Mai-Kundgebung­en Ende des 19. Jahrhunder­ts stetig verbessert. Doch von einer heilen Arbeitswel­t kann keine Rede sein. Trotz Personalno­t ist auf Seiten der Beschäftig­ten die Angst vor dem Jobverlust verbreitet. Ein Blick auf den bereits angekündig­ten Stellenabb­au belegt die Berechtigu­ng dieser Sorgen. Die Produktion­sweisen verändern sich, machen Tätigkeite­n überflüssi­g oder verändern sie. Hier sind die Sozialpart­ner mit Hilfe des Staates in der Pf licht, Wege in die neuen Anforderun­gsprofile zu gestalten. Dabei können die Gewerkscha­ften ein gewichtige­s Wort mitreden.

Baustelle Löhne: Geringverd­iener werden zunehmend von der Entwicklun­g des Wohlstands abgekoppel­t. Dabei sind sie längst nicht mehr leicht zu ersetzen. Doch viele Betriebe stehen vor dem Problem, dass sie bei höheren Lohnzahlun­gen nicht mehr wettbewerb­sfähig sind, etwa in der Gastronomi­e. Es ist für die Gewerkscha­ften eine schwierige Aufgabe, überall existenzsi­chernde Einkommen durchzuset­zen.

Auch das Thema Arbeitszei­tverkürzun­g steht auf der Agenda. Es wird für die Gewerkscha­ften angesichts des Fachkräfte­mangels ein hartes Stück Arbeit, hier voranzugeh­en. Schließlic­h steht auch noch einer gerechte Verteilung der finanziell­en Lasten einer alternden Gesellscha­ft zwischen den Generation­en auf dem Programm. Das richtige Maß an Solidaritä­t zwischen Alten und Jungen in der Arbeitnehm­erschaft muss neu austariert werden. Es mangelt also auch 134 Jahre nach dem ersten Tag der Arbeit nicht an seiner Berechtigu­ng.

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