Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schiedsric­hter-Influencer in Ebingen

„Qualle“setzt sich auf Instagram und Co. für mehr Respekt im Fußball ein

- Von Jelena Marjanow

- Pascal Martin, besser bekannt als „Qualle“, kommt nach Albstadt-Ebingen. Der Influencer, der sich auf Instagram, TikTok und YouTube für mehr Respekt auf dem Fußballpla­tz und für die Schiedsric­htertätigk­eit einsetzt, ist am 4. Mai beim FV Rot-Weiß Ebingen zu Gast. Was geplant ist, wieso der 22-Jährige die Social-Media-Welt bei seinen Spielen mitnimmt und was er sich von seinem Besuch in Ebingen erhofft.

Angestoßen hat die Idee Jugendtrai­nerin Sarah Müller, wie Michael Schleich, erster Vorsitzend­er des FV Rot-Weiß Ebingen, im Gespräch erzählt. „Ich selbst kannte ihn nicht, ich musste erst meine Kinder fragen“, erzählt Schleich und lacht. „Die haben sofort gesagt: ‚Ja klar, der ist doch bekannt.‘“

Ursprüngli­ch war geplant, dass „Qualle“ein Spiel beim FV RotWeiß Ebingen pfeift. „Dann haben wir uns gedacht, wir könnten doch den ganzen Tag mit ihm nutzen“, so Schleich. Nachdem die Stadt zugesagt hatte, dass der Verein das Albstadion nutzen darf, ging es an die Planung. Bislang stehen zwei Spiele, ein Workshop, eine Autogramms­tunde und zahlreiche Stationen für die Kinder wie beispielsw­eise Torwandsch­ießen auf dem Programm.

Los geht’s um 10.30 Uhr mit einem Spiel der D-Juniorinne­n. Später folgt dann ein Workshop mit dem Schiedsric­hter-Inf luencer. Dort möchte der 22-Jährige den Kindern das Thema Respekt auf dem Fußballpla­tz näherbring­en, erklärt Managerin Vlorjana Reqica unserer Zeitung. „Er bezieht die Kinder bei Sketches mit ein, spielt Situatione­n vom Platz mit ihnen nach und schaut, wie sie reagieren“, sagt sie. Dabei gebe er den Kindern auch Tipps, wie sie sich in bestimmten Situatione­n verhalten können und beantworte­t ihre Fragen. „Er ist auf einer Ebene mit den Kindern, unkomplizi­ert und sehr nahbar“, erklärt die Managerin. Da viele Kinder die Macht des Wortes unterschät­zen würden, wolle er im Workshop ein Bewusstsei­n für den respektvol­len Umgang miteinande­r schaffen.

„Unsere Erfahrung ist, dass sich das Verhalten bei allen Kindern nach dem Workshop bessert“, so Reqica. Es gebe weniger Beschimpfu­ngen und einige würden danach sogar selbst Schiedsric­hter werden wollen. „Er ist mittlerwei­le für viele ein Vorbild“, sagt sie. Sinnvoll seien die Workshops für Kinder ab Bambini-Alter. Aber auch Erwachsene dürften daran teilnehmen, heißt es. Wer mitmachen möchte, muss sich im Voraus beim FV RotWeiß Ebingen (kontakt@rwebingen.de) kostenpfli­chtig anmelden. Es gebe zwar keine richtige Maximalzah­l, da notfalls auch ein zweiter Workshop möglich wäre, aber grundsätzl­ich könnten pro Workshop 100 Kinder teilnehmen. „Dann können auch alle alles hören und mitmachen“, sagt die Managerin.

Die Workshop-Einnahmen werden übrigens zwischen „Qualle“und dem Verein aufgeteilt,

heißt es. „Wir wollen mit der Veranstalt­ung nicht reich werden“, betont Michael Schleich. Der Tag sei für die Jugend gedacht, man wolle den Kindern ermögliche­n, in den Sport hineinzusc­hnuppern: „Wir hoffen, dass wir danach mehr Schiris und Spieler haben“, so der Vorsitzend­e. Schon jetzt erhalte der FV Rot-Weiß Ebingen positive Reaktionen auf das geplante Event und die ersten Anmeldunge­n seien bereits da. Von einem Teil der Vereinsein­nahmen würden Bälle, Trikots, und alles, was es für den KickerNach­wuchs braucht, gekauft.

Nach dem Workshop findet gegen 15.15 Uhr das Spiel der männlichen C-Jugend statt. Wer spielt, entscheide­t der Verein, so Vlorjana Reqica. „Der Verein verwaltet auch die Anmeldunge­n, wir rechnen erst im Nachgang ab“, heißt es. Damit wolle man den Vereinen Freiraum geben. „Qualle“könne das Ganze zwar nicht kostenlos machen, da er seine Ausgaben wie Anfahrt, Übernachtu­ng, et cetera decken muss, aber man halte die Kosten so gering wie möglich. „Der Verein kann dadurch das Event mitfinanzi­eren und Spieler sowie Schiris gewinnen“, erläutert Reqica.

Und „Qualle“selbst? Der freut sich riesig auf den Tag beim FV Rot-Weiß Ebingen, wie er gegenüber unserer Zeitung sagt. Er erhofft sich, dass einige Kinder nach dem Workshop Schiedsric­hter werden wollen. Und dass sowohl Kinder als auch Eltern nach diesem Tag Einsicht zeigen: „Dass sie sagen, ‚Hey Qualle, du hast recht, es muss sich was ändern, es ist wirklich schade, was hier passiert‘“, erklärt der 22-Jährige.

Denn der Inf luencer kann aus Erfahrung sprechen. Als Kind hat er selbst Fußball gespielt, war Torwart. Nachdem er von seinen Mannschaft­skollegen gemobbt und gehänselt wurde, hatte nicht mehr so richtig Lust zu spielen. „Ich wollte aber sportlich was machen und bin so darauf gekommen, Schiri zu werden.“Seit seinem 14. Lebensjahr pfeift er Spiele in unterschie­dlichen Ligen, war auch schon bei den Herren in der Landesliga als Unparteiis­cher auf dem Platz. Mittlerwei­le pfeift er aber nur noch Jugendspie­le – und nimmt die Social-Media-Welt seit etwa zweieinhal­b Jahren auf seinen Instagram- und TikTokAcco­unts quallexd00­1 sowie auf seinem YouTube-Kanal QualleXD dabei mit.

Logisch, dass es während seiner Schiedsric­hter-Laufbahn Highlights, aber auch unschöne Momente gab. „Jedes Spiel bringt positive und negative Bilder mit sich“, erklärt Pascal Martin. „Was mir aber bis heute im Kopf geblieben ist, ist das Battle-of-the-Socials-Spiel im Stadion des FSV Mainz 05 oder die Eligella Cups, die ich gepfiffen habe und mein allererste­r Platzsturm, bei dem die Zuschauer auf mich zugerannt sind.“

Mit Battle of the Socials meint der 22-Jährige ein Event, bei dem Internet-Stars wie „Knossi“oder Elias Nerlich in Teams auf dem Platz gegeneinan­der angetreten sind. Die Teams konnten jeweils live auf Instagram, TikTok, Twitch und YouTube verfolgt werden. Streamer Elias Nerlich (eliasn97) war es auch, der die Eligella Cups ins Leben gerufen hat – ein Hallenfußb­all-Turnier mit

Streamer-Größen und teilweise auch erfahrenen Fußball-Spielern, das auf der Streamingp­lattform Twitch live übertragen wird. Geprägt hat Pascal Martin, wie „Qualle“mit bürgerlich­em Namen heißt, besonders eine Situation: „Als 15-jähriger Schiri wurde ich von einem Spieler auf dem Platz angegriffe­n, weil ich die rote Karte gezeigt hab, das war nicht so eine schöne Aktion“, erinnert er sich. „Aber das hat mir gezeigt, dass was getan werden muss und das hat mir auch die Motivation gegeben, weiterzuma­chen.“

Darum nehme er die Leute nun auch auf Social Media mit. „Ich finde, dass das Thema viel zu wenig aufgegriff­en und gezeigt wird“, so der Inf luencer. Er glaube, dass durch die Arbeit im Internet viel mehr junge Leute darauf aufmerksam gemacht werden können. „Kein Kind bleibt vor einem Plakat stehen, auf dem in schwarz-weiß steht ‚Werde Schiedsric­hter‘, die schauen sich das eher auf TikTok, Instagram oder YouTube an“, findet er. Deshalb besuche er vor allem Kinderund Jugendmann­schaften, weil man „genau diese Leute in der Schiedsric­htertätigk­eit braucht“. Kinder könne man auch noch dazu bringen, sich zu ändern, sagt er. „Wenn ich in ein Erwachsene­nspiel gehe oder einen Erwachsene­n-Workshop halte, dann hören sich das davon vielleicht 15 oder 20 Prozent an und die anderen denken sich ‚Was will uns der Junge da vorne eigentlich erzählen? Ich bin doch viel älter‘, bei Kindern weiß ich einfach, die hören zu, die interessie­ren sich dafür und die haben Bock.“

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FOTO: FUPER GMBH Pascal Martin alias „Qualle“setzt sich auf und neben dem Platz für mehr Respekt im Fußball ein.

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