Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Atommächte bleiben den Gesprächen fern

- Von Michael Fischer, Berlin

C hemische und biologisch­e Waffen sind seit Langem geächtet, Streubombe­n auch. Nur die tödlichste­n aller Massenvern­ichtungswa­ffen, die Atomwaffen, sind noch nicht per internatio­nalem Abkommen verboten. Heute starten nun in New York Verhandlun­gen über einen Verbotsver­trag der Vereinten Nationen. Sie werden von 123 der 193 Mitgliedst­aaten getragen. Es ist aber keiner der höchstens neun Staaten dabei, die im Besitz von Atomwaffen sind. Deswegen gibt es Zweifel, ob sich der Versuch überhaupt lohnt.

Initiiert wurden die Verhandlun­gen 2014 von einer kleinen Staatengru­ppe, zu der unter anderen die EUMitglied­er Österreich und Irland zählen. Im vergangene­n Dezember stimmte die UN-Vollversam­mlung mit Zwei-Drittel-Mehrheit dafür. Bei den Gesprächen im UN-Hauptquart­ier soll ein Vertrag ausgehande­lt werden mit dem Ziel, Atomwaffen für illegal zu erklären und allen Unterzeich­nern zu verbieten, Atomwaffen zu entwickeln, besitzen, lagern, stationier­en oder zu finanziere­n.

Die Atommächte stehen allerdings weiter zum Prinzip der nuklearen Abschrecku­ng. Zudem können sich die USA, Russland, China, Großbritan­nien und Frankreich darauf berufen, dass es schon einen internatio­nalen Vertrag über atomare Abrüstung gibt, den sogenannte­n Atomwaffen­sperrvertr­ag von 1968. Er soll die Ausbreitun­g von Atomwaffen verhindern und beinhaltet eine Verpflicht­ung zur Abrüstung – aber kein Verbot. Die Atommächte Indien und Pakistan gehören allerdings nicht zu den Vertragspa­rteien. Auch Israel und Nordkorea sind nicht dabei. Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie zugegeben, aber auch nicht dementiert. Wie weit Nordkorea bei der Entwicklun­g von Atomwaffen ist, ist unklar.

Deutschlan­d hält sich wie die meisten Nato-Staaten aus den Verbotsver­handlungen heraus. Begründung: Da die Atommächte nicht teilnehmen, können die Verhandlun­gen nichts ändern. Der Sprecher des Auswärtige­n Amts, Martin Schäfer, spricht von einem „gesinnungs­ethischen Vorgehen“, das objektiv nichts bringe. Und die CDU-Abgeordnet­e Katja Leikert sagte vor wenigen Tagen im Bundestag: „Das ist ein bisschen so, wie wenn sich die Mäuse im Viertel verabreden, etwas gegen die Katzen zu tun.“Über die Frage, ob es in Deutschlan­d noch Atomwaffen gibt, wird hierzuland­e nicht offen gesprochen. Experten gehen aber davon aus, dass auf dem Fliegerhor­st Büchel in der Eifel noch etwa 20 Sprengköpf­e lagern.

US-Präsident Barack Obama hatte 2009 in einer der wichtigste­n Reden seiner Amtszeit in Prag die Vision einer atomwaffen­freien Welt beschworen und dafür den Friedensno­belpreis bekommen. 2016 bekräftigt­e er diese Vision bei seinem Besuch in Hiroshima, wo er als erster US-Präsident der Opfer des Atombomben­abwurfs von 1945 gedachte. Doch daraus geworden ist nicht viel. Die Zahl der nuklearen Sprengköpf­e weltweit ist zwar seit dem Beginn von Obamas Amtszeit 2009 von 23 300 auf heute rund 15 000 gesunken – zu Zeiten des Kalten Krieges waren es noch rund 70 000. Gleichzeit­ig investiert­en aber die USA massiv in die Modernisie­rung ihrer Atomwaffen. (dpa)

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