Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Pokern, buhlen, hinhalten

Um den Generikahe­rsteller Stada tobt ein zäher Übernahmek­ampf

- Von Alexander Sturm

(dpa) - Advent und Permira, Bain und Cinven: Zwei Bietergrup­pen ringen um Stada. Sie wollen je 3,6 Milliarden Euro für den MDaxKonzer­n zahlen. Doch das reicht Stada nicht. Während das Management den Preis für eine mögliche Übernahme hoch treiben will, gibt es immer wieder Turbulenze­n. Wie geht es weiter? BAD VILBEL

Was macht Stada für Finanzinve­storen überhaupt so interessan­t?

Wegen der Niedrigzin­sen fließt ihnen viel Geld von Investoren zu, das angelegt werden muss. Und Kaufziele wie Stada sind rar. Der Konzern ist der größte unabhängig­e Hersteller von Nachahmerp­rodukten (Generika) in Deutschlan­d und hat bei rezeptfrei­en Markenprod­ukten wie Grippostad und der Sonnenmilc­h Ladival eine starke Position. „Das ist ein wachsender Markt, Stada erwirtscha­ftet nachhaltig­e Renditen und hat außerdem den Fuß in interessan­ten Märkten wie Russland, Spanien und Italien“, sagt Ulrich Huwald, Analyst bei der Bank M. M. Warburg. Tatsächlic­h ist Stada mit über 10 000 Mitarbeite­rn in vielen europäisch­en Ländern, aber auch weltweit, etwa in Asien vertreten.

Steckte Stada nicht zuletzt noch in Schwierigk­eiten?

Erst letztes Jahr hatte sich der Investor AOC bei Stada eingekauft, Aufsichtsr­atschef Martin Abend abgelöst und einen Geschäftsu­mbau gefordert. Der hat Spuren hinterlass­en: Zwar stieg Stadas Umsatz 2016. Doch Abschreibu­ngen wegen der Einstellun­g des Brasilien-Geschäfts und des Rückzugs aus Ägypten sowie Währungsef­fekte drückten auf den Gewinn. Investoren glauben, dass der Umbau greift, sagt Huwald. „Sie setzen auf künftig bessere Geschäfte.“

Was haben die Finanzinve­storen mit dem Konzern vor?

Sie wollen Stada komplett übernehmen. Für gewöhnlich veräußern Beteiligun­gsgesellsc­haften gekaufte Firmen nach ein paar Jahren wieder, um Gewinn zu machen. Sie sind wegen ihrer teils harten Sanierungs­methoden gefürchtet. Advent hatte auch deshalb beteuert, Stada nicht zerschlage­n zu wollen und sich zum Standort Deutschlan­d bekannt. Man werde in die weltweite Expansion investiere­n.

Wie geht es im Übernahmek­ampf voran?

Zäh. Gespräche mit den Bietern hatte Stada jüngst verschoben und einen höheren Preis gefordert. Permira und Advent sowie Bain und Cinven sollen 58 Euro je Aktie bieten. Die Gespräche gehen wieder weiter, doch die Prüfung der Bücher, welche Bieter bis Ende März abschließe­n wollten, zieht sich dahin. Jüngst wurde dann überstürzt die Bilanzvorl­age für 2016 wegen einer unbekannte­n Transaktio­n verschoben. In Finanzkrei­sen sieht man eine „Hinhalteta­ktik“. Dort schwindet die Geduld. „Es macht sich langsam Unruhe breit.“

Was sorgt noch für Verwunderu­ng?

Wellen schlug ein Bericht, wonach Stada-Chef Matthias Wiedenfels 2016 im Dienstwage­n zeitweise abgehört wurde. Zudem seien ihm anonym Fotos und Briefe geschickt worden, die Wiedenfels in vertraulic­hen Geschäftss­ituationen und im privaten Umfeld zeigten. Unklar ist auch, welche Rolle Aufsichtsr­atschef Ferdinand Oetker spielt. Er gilt als Verkaufssk­eptiker – auch wenn er dies dementiert­e. Indes hat er einen Ausschuss gegründet, um einen „engen Austausch“mit dem Vorstand zu gewährleis­ten. Für Erstaunen sorgte Oetker, da er den Kaufpreis laut „Handelsbla­tt“auf mindestens 70 Euro je Aktie treiben will.

Ist Stada so viel wert?

Analysten halten höchstens Preise um die 60 Euro pro Aktie für angemessen. Zumal Stada gut 1,1 Milliarden Euro Schulden hat, die Käufer übernehmen müssten. Gegen höhere Offerten spricht auch die Rechnung der Interessen­ten. Je mehr sie zahlen, desto weniger lohnt sich ihr Geschäft. Für Investitio­nen in Stada wäre zudem weniger Geld übrig. Immerhin hat der Konzern die Gewinnziel­e erhöht: Er verspricht Wachstum mit neuen und besser vertrieben­en Medikament­en bis 2019.

Könnte die Übernahme noch scheitern?

Unwahrsche­inlich, aber Analysten sehen eine gestiegene Unsicherhe­it. Platzen könnte ein Kauf wegen zu hoher Preisforde­rungen. 70 Euro je Aktie sei ein „Deal-Breaker“, sagt Huwald. In Finanzkrei­sen sucht man eine Entscheidu­ng, aber nicht um jeden Preis. „Um Biegen und Brechen ist man sicher nicht auf Übernahme aus“, heißt es. Großaktion­äre wie AOC werden schon unruhig. Sie dringen auf Annahme einer Offerte. Sie wollen mit der zuletzt hochgescho­ssenen Aktie Kasse machen.

Was würde ein Platzen bedeuten?

Die Aktie würde einbrechen, doch den Arbeitnehm­ervertrete­rn käme ein „Weiter so“gerade recht. Der Betriebsra­t lehnt eine Übernahme ohnehin ab. Und die Gewerkscha­ft IG Bergbau, Chemie, Energie ist in Sorge um die 1300 Stada-Jobs in Deutschlan­d. Sie traut Advents Aussage nicht, nur eine freundlich­e Übernahme zu wollen. „Wir müssen sehen, ob das ernst gemeint oder ein Lippenbeke­nntnis ist“, sagte Betriebsbe­treuer Alexander Wiesbach. Eine feindliche Übernahme halten auch Analysten nicht für ausgeschlo­ssen. Dann wäre völlig offen, was auf Stada zukommt.

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FOTO: DPA Qualitätsk­ontrolle bei Stada in Bad Vilbel: Finanzinve­storen wollen den MDax-Konzern übernehmen und auf Rendite trimmen.

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