Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rechtsextremismus-Verdacht nicht bestätigt
Justizministerium hat Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Haftanstalten Ravensburg und Schwäbisch Hall untersucht
- Das Stuttgarter Justizministerium hat keine Hinweise auf rechtsradikale Umtriebe unter den Mitarbeitern der Haftanstalten in Ravensburg und Schwäbisch Hall. Das geht aus der Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der SPD hervor, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Die Anfrage bezieht sich auf entsprechende Äußerungen eines Zeugen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss im Stuttgarter Landtag.
Patrick W. war Anfang der 2000er-Jahre führendes Mitglied einer Gruppe Rechtsextremer in Backnang (Rems-Murr-Kreis). Mitte März diesen Jahres lud ihn der Ausschuss, der die Verbindungen der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nach Baden-Württemberg untersucht, als Zeuge vor. Den Abgeordneten berichtete W. eher nebenbei, Mitarbeiter im Ravensburger Gefängnis hätten den Häftlingen Musik-CDs mit rechtsradikalen Texten zukommen lassen. Auch in Schwäbisch Hall hätten Justizvollzugsbeamte offen mit rechtsextremen Straftätern sympathisiert. W. hatte zu jener Zeit in den beiden Haftanstalten Strafen wegen gefährlicher Körperverletzung abgesessen. Als Reaktion auf die Zeugenaussage forderte die SPD das Justizministerium auf, den Vorwürfen nachzugehen.
Man habe die Aussage W.s geprüft, heißt es nun in der Antwort aus dem Haus von Justizminister Guido Wolf (CDU). In dem Schreiben wird zudem von einer weiteren Begebenheit aus dem vergangenen Jahrzehnt berichtet, die zu der Aussage von W. passt. Ein anderer Gefangener in Ravensburg habe zu jener Zeit behauptet, zwei Bedienstete würden gegen Bezahlung Mobiltelefone, Drogen, CDs und DVDs ins Gefängnis schmuggeln. Weitere Angaben wollte dieser Häftling aber nur im Tausch gegen bessere Haftbedingungen machen. Auch als die Kriminalpolizei ihn vernahm, habe er nichts Näheres gesagt.
„Wir haben euch im Blick“
„Weitere Anhaltspunkte, die auf eine Unterstützung rechtsextremer Ideologien durch Vollzugsbedienstete der genannten Anstalten hindeuten könnten, lagen nicht vor“, heißt es nun in dem Schreiben des Justizministeriums. Ob im Zuge der aktuellen Untersuchung der Zeuge Patrick W. gebeten worden ist, seine Aussage aus der UntersuchungsausschussSitzung zu konkretisieren, geht aus dem Bericht nicht ausdrücklich hervor.
„Ich gehe davon aus, dass das Justizministerium den Vorwurf umfassend aufgearbeitet und dabei auch die Aussage des Zeugen vollumfänglich berücksichtigt hat“, sagt Boris Weirauch, Obmann der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss, der den Antrag an das Justizministerium gestellt hatte. Mit dem dürren Erkenntnisgewinn, den seine Anfrage geliefert hat, kann der Landtagsabgeordnete leben. „Ich finde es richtig, dass wir als Landtag solchen Aussagen vorbehaltlos nachgehen, um der rechtsextremen Szene klarzumachen: Wir haben euch im Blick.“
In den Haftanstalten tragen auch sogenannte Strukturbeobachter dazu bei, mögliche extremistische Tendenzen unter Gefangenen erkennen zu können. Diese speziell ausgebildeten Sicherheitsbeauftragten hat das Land erst Anfang 2016 – noch unter Grün-Rot – um weitere sechs Stellen gestärkt. Die so gewonnenen Erkenntnisse zum Rechtsextremismus seien allerdings „sehr überschaubar“, heißt es in dem Schreiben des Justizministeriums. Arbeitsschwerpunkt der Strukturbeobachter dürfte derzeit vor allem der Islamismus sein.