Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Echte Gefühle
Die Dortmunder fühlen sich nach dem 3:2 gegen Gladbach befreit und bereit für den Pokal
(SID/dpa) Aus der Kabine drangen laute Musik und ausgelassenes Gelächter. Zum Sprechgesang des französischen Rappers Maître Gims feierten die Spieler von Borussia Dortmund ausgelassen in der Kabine, nach den wohl schwierigsten Tagen ihrer Karriere verspürten sie Freude und Erleichterung. „Ich hatte zum ersten Mal wieder echte Glücksgefühle“, sagte Torhüter Roman Bürki nach dem knappen, aufreibenden, aber verdienten 3:2 (1:1) bei Borussia Mönchengladbach.
Die Hochstimmung hatte zwei Gründe: Der mutmaßliche Attentäter des Bombenanschlags auf die Mannschaft und Betreuer ist festgenommen und nach dem Auswärtssieg im Borussia-Park durch den umjubelten Lucky Punch von Raphael Guerreiro in der 87. Minute kletterte der achtmalige deutsche Meister auf einen direkten Qualifikationsplatz für die Champions League. „Das Geschehen von gestern und der Sieg von heute werden uns einen Riesenschub geben“, kommentierte Kapitän Marcel Schmelzer die Rückkehr auf den dritten Tabellenplatz. Für den Pokalkracher im Halbfinale am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD und Sky) bei Bayern München lautete daher die Botschaft Richtung Süden: Wir sind bereit.
„Für Kopf und Tabelle sehr wichtig“
„Der Sieg gibt uns Rückenwind und Selbstvertrauen für Mittwoch“, sagte Sportdirektor Michael Zorc und fügte mit Blick auf die vergangene Woche an: „Ich bin stolz auf den Charakter dieser Mannschaft.“Diesen stellte sie auch nach dem zwischenzeitlichen Rückstand durch ein Eigentor von Kapitän Marcel Schmelzer (48.) unter Beweis.
Trotz der hohen Belastungen und dem Viertelfinal-Aus in der Königsklasse in Monaco drehte der BVB durch die Treffer des eingewechselten Pierre-Emerick Aubameyang (59.) und eben Guerreiro (87.) die Begegnung. „Dieser Sieg“, sagte Trainer Thomas Tuchel, „war für die Tabelle und den Kopf wichtig.“
Der sonst eher introvertierte Trainer war es auch gewesen, der von der „sehr ausgelassenen“Stimmung in der Kabine berichtet hatte. Nötig wäre es nicht gewesen, der Jubel der BVB-Profis war auch so in den Katakomben des Gladbacher Stadions unüberhörbar gewesen. „Wir freuen uns sehr und wissen, was wir geschafft haben“, so Tuchel, der seine Mannschaft lobte: „Es zeigt sich, dass sie sehr empathisch und rücksichtsvoll miteinander umgehen. Sie trauen sich auch, Gefühle zu zeigen und darüber zu sprechen. Das schweißt auf einer Ebene zusammen, die man sonst normalerweise nicht hat. Das ist natürlich ein weiterer Klebstoff.“
Wichtig für die Traumabewältigung, die natürlich noch lange nicht vollendet ist, war auch die Verhaftung des mutmaßlichen Täters am Freitag. „Mir hat es sehr geholfen, dass die Hintergründe klar sind. Ich konnte mich heute 90 Minuten auf das Spiel konzentrieren“, sagte Bürki.
Seinen Mitspielern erging es nicht anders. Sie lieferten die eindeutig beste Vorstellung seit dem Attentat ab und hätten schon zur Halbzeit eine klare Führung verdient gehabt. Trotz einiger Chancen traf allerdings nur Marco Reus (10., Foulelfmeter) gegen seinen Ex-Club, Lars Stindl glich nach einem schweren Fehler von Mikel Merino aus (43.).
Mit einem Punkt Vorsprung auf Hoffenheim hat der BVB nun wieder die besseren Karten im Rennen um Rang drei. „Diesen Platz wollen wir unbedingt verteidigen“, sagte Gonzalo Castro. Die mögliche Entscheidung könnte am 6. Mai im direkten Duell im Signal-Iduna-Park fallen.
Vorher will der BVB aber das Pokalfinale erreichen, auch wenn er im Halbfinale auf Nuri Sahin (Verdacht auf Außenbandriss im Sprunggelenk) verzichten muss. Die 1:4-Niederlage in der Bundesliga vor zwei Wochen in München ist abgehakt. „Das wird ein komplett anderes Spiel“, ist Bürki überzeugt.
Tuchel blickt dem Showdown am Mittwoch ebenfalls mit großem Optimismus entgegen. „Wir haben aus der Niederlage in der Liga unsere Lehren gezogen und können ein Spielverderber sein. Bayern hat auf jeden Fall mehr zu verlieren. Wir können ihnen diese Saison ein Stück weit vermiesen“, sagte er. Sollte dies gelingen, dürfte die Feier in der Kabine noch ein wenig ausgelassener ausfallen.