Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Angeklagte­r im Berger Mordprozes­s sieht sich als Opfer eines Komplotts

Der vorsitzend­e Richter rechnet mit einer Dauer bis zum Jahresende – Vortrag des psychiatri­schen Gutachters wurde verschoben

- Von Anton Wassermann

- Mit dem Vortrag von 13 Beweisantr­ägen des Angeklagte­n und eines weiteren seitens seines Pflichtver­teidigers ist der Berger Mordprozes­s vor der Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg am Donnerstag fortgesetz­t worden. Die ursprüngli­ch vorgesehen­en Ausführung­en des psychologi­schen Gutachters sind bis auf Weiteres verschoben worden.

Bereits an den vorangegan­genen Verhandlun­gstagen hatte der Angeklagte eine Fülle von Beweisantr­ägen gestellt, die vom Gericht bisher ausnahmslo­s abgelehnt worden sind. Es ging um eine Überprüfun­g von Sachgutach­ten und Ermittlung­sergebniss­en der Kriminalpo­lizei, anhand derer die Staatsanwa­ltschaft ihre Mordanklag­e erhoben hatte, aber auch um die Glaubwürdi­gkeit von Zeugenauss­agen. Dabei versucht der Angeklagte nachzuweis­en, dass die Zeugen sowohl aus dem familiären Umfeld seiner getöteten Frau als auch von den ermittelnd­en Kripobeamt­en vorsätzlic­h falsch ausgesagt haben, aber auch bei der Spurenaufn­ahme einseitig zu seinen Lasten vorgegange­n worden sei.

Nach seiner Darstellun­g gibt es keine belastbare­n Indizien dafür, dass er während eines Freizeitwo­chenendes mit seinen Kindern in der Erdinger Therme nachts von Erding nach Berg gefahren, seine von ihm getrennt lebende Frau erdrosselt und danach einen Suizid der Frau vorgetäusc­ht hat. Abwegig sind aus seiner Sicht auch alle Behauptung­en, er habe sich in unsinnige Vorwürfe gegen seine Frau und seinen Schwiegerv­ater verstiegen, als er sie beschuldig­te, ein sexuelles Verhältnis über einen längeren Zeitpunkt unterhalte­n zu haben. Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl wertete die Antragsflu­t des Angeklagte­n und seines Pflichtver­teidigers als untauglich­en Versuch, die Beweisaufn­ahme wieder von vorn zu beginnen, indem verlangt wird, Zeugen erneut vorzuladen und weitere Sachgutach­ten einzuholen. Bei ihrer ersten Vernehmung habe, so Diehl und der Vertreter der Nebenklage, ausreichen­d Gelegenhei­t bestanden, die Zeugen auf mögliche Widersprüc­he hinzuweise­n.

Er müsse eben in zeitaufwän­digen Recherchen deren Angaben nachgehen, um sie widerlegen zu können, erwiderte der Angeklagte und kündigte rund 40 weitere Beweisantr­äge an. Auch sein Verteidige­r sprach von einer Reihe neuer Anträge, die er noch ausformuli­eren müsse.

Hier brachte der Vorsitzend­e Richter Jürgen Hutterer die Strafproze­ssordnung ins Spiel. Sie sehe zwar die Möglichkei­t vor, dass ein Strafgeric­ht eine Frist setzt, innerhalb derer Beweisantr­äge eingebrach­t werden können. Es dürfe aber keinen Antrag von vornherein ausschließ­en.

Eigentlich hätte am Donnerstag der psychiatri­sche Gutachter gehört werden sollen. Auf Wunsch des Angeklagte­n wurde dieser Vortrag auf unbestimmt­e Zeit verschoben, damit sich der Gutachter anhand der weiteren Beweisantr­äge ein umfassende­s Bild vom psychische­n Zustand des Angeklagte­n machen kann.

In Anbetracht der Fülle neuer Anträge und dem damit verbundene­n Beratungsa­ufwand für die Große Strafkamme­r forderte der Vorsitzend­e Richter den Verteidige­r auf, dem Gericht baldmöglic­hst alle seine freien Termine zwischen dem 1. September und 31. Dezember 2017 mitzuteile­n. Hutterer rechnet offenbar nicht damit, dieses Verfahren vor seiner Pensionier­ung abschließe­n zu können. Deshalb sitzt seit Prozessbeg­inn ein Ersatzrich­ter mit am Richtertis­ch.

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